Raumfahrt | 03. Februar 2022 | von Tom Uhlig

Betonierarbeiten auf der Raumstation

Quelle: ESA/NASA
Matthias Maurer führt das Experiment "Concrete Hardening" durch.

Betonieren ist Knochenarbeit - das ist auch in der Schwerelosigkeit nicht anders. Gut, etwas anders ist es vielleicht schon, denn: Das Experiment, das Matthias Maurer die letzten zwei Tage im Rahmen seiner Mission Cosmic Kiss auf der Internationalen Raumstation ISS durchgeführt hat, hat wenig mit den Arbeitsschritten zu tun, die ich von unserem Hausbau her kenne. Wieder einmal geht es in "Concrete Hardening" um Wissenschaft im All zur Verbesserung unseres Lebens auf der Erde: Das Aushärten von Beton mit verschiedenen Zusätzen soll besser verstanden werden.##markend##

In dem Video, das das Experiment erklärt, sieht alles ganz einfach aus: In vorbereitete durchsichtige Kolben, die bereits die trockenen Betonbestandteile in verschiedenen Zusammensetzungen enthalten, soll Matthias mit einer ebenfalls schon vorbereiteten Spritze Flüssigkeit zugeben, durch Drehen an einer Art Kurbel den Beton im Kolben jeweils gut durchmischen und dann wieder wegpacken, damit der dann ausgehärtete Beton im Labor auf der Erde untersucht werden kann.

Aber: Freilich macht es einen Unterschied, ob das Experimentzubehör - wie im Video - auf einem geräumigen Tisch ausgelegt ist, oder ob es in Schwerelosigkeit in einer "Portable Glovebox" durchgeführt werden muss. Letzteres kann man sich als eine Art Plastiktüte mit zwei Eingriffen für die Hände vorstellen, in der man Arbeiten durchführen kann, von denen nichts in die Umluft gelangen sollte.

Quelle: ESA/NASA
Insgesamt 64 Probenbehälter muss Matthias Maurer so vermischen.

Freilich macht es auch einen Unterschied, wenn jedes Experimentbestandteil in einer zusätzlichen Plastiktüte verstaut ist, die erst in der "Portable Glovebox" geöffnet werden darf - Sicherheit geht vor. Das Betonpulver ist "Tox Level 2", da sind auf der ISS drei "Level of Containment" vorgeschrieben: Zwei "Hüllen" sind im Experimentkolben selbst eingebaut, eine weitere entweder eben die Plastiktüte oder die "Portable Glovebox".

Und freilich macht es auch einen Unterschied, ob man das Experiment einmal durchführt - oder ganze 64 Kolben durchmischen muss - laut Matthias geht das ganz schön auf die Arme...

Daher haben Flugdirektorin Angi und ihr Team zwischen den beiden Experimentläufen noch einmal die Timeline umgebaut und kurze Regenerationspausen für Matthias eingeplant - ein großer Aufwand "über Nacht", schließlich sind die Astronautenstundenpläne ausgeklügelte internationale Gemeinschaftsprodukte, entsprechend komplex sind kurzfristige Änderungen. Aber natürlich sollen die Astronauten optimal arbeiten können - dafür tun wir hier im Kontrollzentrum alles...

Tatsächlich konnte Matthias das Experiment dann gestern abschließen - mit einer echten gemeinschaftlichen Teamanstrengung: Er opferte einen Teil seiner eigentlich 'heiligen' Regenerationszeit, Robert an der COMET-Planungskonsole verhandelte bereits über mögliche Nachholtermine für den nächsten Tag, Davide an der COSMO-Logistikkonsole identifizierte bereits, wo das Experiment bis dahin gelagert werden könnte und wann die von Matthias benutzte "Werkbank" anderweitig gebraucht werden würde, und Angi war schließlich immer wieder mit ISS FLIGHT im Kontakt, um verschiedene Optionen zu evaluieren, für Matthias zusätzliche Zeit freizuschaufeln.

Das Fazit: Das "Betonieren" war erfolgreich, der "Maurer" fleißig, der Beton wird langsam hart - und unser Team konnte getrost an die Nachmittagsschicht übergeben...

Quelle: ESA/NASA
Arbeiten hinter Plastik - die sogenannte Glovebox dient zum Schutz vor Verunreinigungen.
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Über den Autor

Als Kind wollte Tom Uhlig Astronaut werden. Beim DLR kam er dabei seinem Traum sehr nahe: Er arbeitete als Columbus-Flugdirektor an der Konsole und leitete sowohl das Col-CC-Trainingsteam als auch Gruppe für den Betrieb von geostationären Satelliten bis Dezember 2016. zur Autorenseite