Raumfahrt | 13. Februar 2023 | von Irena Hajnsek

PermaSAR – Neue Messmethoden für Permafrost mit dem Flugzeug-Radarsystem des DLR

Tatkräftig wird der Schnee aus dem sogenannten Corner Reflector geschippt.
Quelle: © DLR / Irena Hajnsek
Tatkräftig wird der Schnee aus dem sogenannten Corner Reflector geschippt. Er dient dem Flugzeug-Instrument dazu, das Radar-Signal zu eichen. Deshalb muss es schneefrei bleiben, denn sonst wird die Eichung des Signals ungenau. Zu jedem Überflug wurden die Corner Reflectors überprüft, jeweils in Ihrer Position und ob sie noch frei von Schnee sind.

Mit der Fernerkundung ist es heute möglich, das Auftauen und Gefrieren der oberen Bodenschichten des Permafrostbodens zu beobachten. Besonders mit dem Radar, das ein aktives System ist und bei Tag und Nacht betrieben werden kann, ist sie besonders gut geeignet, den genauen Zeitpunkt des Gefrierens und Tauens zu ermitteln.##markend##

Mit dem globalen Temperaturanstieg verlängern sich die Frühlings- und Sommerperioden. Damit wird der sommerliche Auftauboden mächtiger, wodurch mehr organischer Kohlenstoff für die mikrobielle Zersetzung zur Verfügung steht. Allerdings würden wärmere Sommer auch zu einer größeren Aufnahme von Kohlendioxid durch die arktische Vegetation über Photosynthese führen. Das bedeutet, dass die arktische Netto-Kohlenstoff-Bilanz ein empfindliches Gleichgewicht zwischen verstärkter Aufnahme und verstärkter Abgabe von Kohlenstoff darstellt.

Permafrost – dauerhaft gefrorener Boden in hohen Breitengraden der Arktis

Permafrost, einschließlich des submarinen Permafrosts auf den flachen Schelfgebieten des arktischen Ozeans, enthält alte organische Kohlenstoffablagerungen. Manche sind Relikte der letzten Eiszeit und enthalten mindesten doppelt so viel Kohlenstoff wie derzeit in der Atmosphäre als Kohlendioxid (CO2) enthalten ist. Sollte ein erheblicher Anteil dieses Kohlenstoffs als Methan und CO2 freigesetzt werden, würde dies die atmosphärischen Konzentrationen ansteigen lassen, was zu höheren Temperaturen in der Atmosphäre führen würde. Diese Erwärmung würde wiederum noch mehr Methan und CO2 freisetzen und damit einen positiven Rückkopplungseffekt bewirken, der die globale Erwärmung weiter verstärken würde.

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DLR-Youtube-Video: PermaSAR – Forschung in der kanadischen Arktis

Der Permafrost wird von einer aktiven oberen Bodenschicht überlagert, die das Tundra-Ökosystem darstellt. Derzeit existieren leider noch keine Radarsatelliten, die diese obere Bodenschicht genau charakterisieren können. Hierzu werden lange elektromagnetische Wellen im Bereich von 24 Zentimeter (im sogenannten L-Band) benötigt, um in diese Bodenschicht einzudringen. Die Interaktion der elektromagnetischen Welle mit der oberen Bodenschicht liefern wichtige Informationen über die Zusammensetzung des Bodens. So ist die Idee entstanden, ein erstes Experiment mit einem flugzeuggetragenen L-Band-Radar des DLR durchzuführen.

Quelle: © DLR. Alle Rechte vorbehalten
Die DO 228-212 wird hauptsächlich für Fernerkundung, aber auch für Meeres- und Atmosphärenforschung eingesetzt

Für die Radarmessungen ist es wichtig, dass die Fluglinien sehr präzise eingehalten werden. Die DLR-Einrichtung Flugexperimente stellte dazu die Dornier DO 228-212 und ihre erfahrenen Piloten bereit, die die vorgegebenen Tracks auf einen Meter genau fliegen können.

Für die PermaSAR-Kampagne wurde eine circa 2000 Kilometer lange Süd-Nord-Flugroute ausgesucht, die unterschiedliche Permafrostböden und Vegetationseinheiten überfliegt. Auf dieser Route wurden zehn Testgebiete mit einer Ausdehnung von fünf Quadratkilometern ausgewählt, die eine charakteristische Landschaft von der Taiga bis zur Tundra mit unterschiedlichen Vegetationshöhen und -typen aufzeigen.

Bei einer Flugzeugkampagne muss die Durchführung immer wieder an die Wetterverhältnisse angepasst werden und die Mannschaft flexibel auf die Herausforderungen reagieren. In der Arktis herrschen extreme Bedingungen – sowohl im Sommer mit heißen Temperaturen und der hohen Mückenplage als auch im Winter mit tiefen Minustemperaturen und starken Stürmen –, die die Durchführung einer Geländekampagne erschweren. Die Flugkampagne wurde mit dem Flugzeug-Radarsystem des DLR, dem F-SAR, auf einem DLR-Forschungsflieger zu zwei unterschiedlichen Jahreszeiten (Sommer und Winter) durchgeführt, um die Unterschiede des Bodens im gefrorenen und getauten Zustand zu untersuchen.

Eine Geländekampagne besteht darin, Referenzproben von der oberen Bodenschicht zu entnehmen und diese zu analysieren. Zudem wird das Radarsignal mit Hilfe von 'pyramidenähnlichen' Gegenständen, sogenannten Transpondern geeicht und validiert, die fest im Boden verankert werden. Um Informationen aus den Radardaten zu ermitteln, müssen erst einmal Modelle entwickelt werden. Im zweiten Schritt werden diese dann invertiert, um darauf basierend Informationsprodukte zu erstellen. Beispiele für solche Produkte sind: oberflächennahe Bodenfeuchte, Klassifizierung gefrorener/getauter Böden, Vegetationsauflage, Änderungen der Bodentopographie.

Das Flugzeug-Radarsystem des DLR: Vorreiterrolle in der Konzeption zukünftiger Radarmissionen im Weltall

Quelle: © DLR / Martin Keller
Eine typische Permafrost-Landschaft im Winter mit wenig bis spärlich hoher Vegetation und vereinzelten Nadelbäumen. Die Bäume werden wegen Ihrer häufigen Schieflage auch „Drunken Trees“ genannt. Die Schieflage wird durch das Auftauen und anschließende erneute Gefrieren der obersten Bodenschichten verursacht.

Mit dem Flugzeug-System sind wir Satellitenmissionen stets zehn Jahre voraus und können neue Technologien und Anwendungen im Vorfeld demonstrieren. Die PermASAR-Kampagne in Kanada ist ein prominentes Beispiel dafür, da die Technik der Radartomographie und der polarimetrischen Radarinterferometrie zum ersten Mal eingesetzt wurde. Mit Radartomographie können wir in den Permafrostboden hineinschauen und Bilder von unterschiedlichen Schichten erstellen. Mit neuartigen Algorithmen wollen wir relevante Informationen über den Zustand und Veränderungen in den verschiedenen Bodenschichten gewinnen. Ziel ist es, die Veränderung in dem Permafrostboden im Zusammenhang mit der Klimaveränderung besser zu verstehen.

Derzeit werden die PermaSAR-Daten im Rahmen des Helmholtz Imaging Plattform zusammen mit dem Alfred-Wegner-Institute im Rahmen des Projektes „The Hidden Image of Thawing Permafrost: Mapping Subsurface Properties and Taliks with Remote Sensing (HIT Permafrost) “ analysiert und es werden aus ihnen mit modellbasierten Methoden quantitative Informationen extrahiert.

Tandem-L, ein mögliches Upgrade für die Radar-Erdbeobachtung aus dem All

All diese Erkenntnisse fließen in Tandem-L ein, den Missionsvorschlag des DLR für zwei weitere Radarsatelliten im Formationsflug, die die gesamte Erboberfläche bis zu zweimal pro Woche abbilden können. Zusätzlich zu der Erforschung von Permafrost bestehen die zentralen Missionsziele von Tandem-L in der hochgenauen Vermessung der globalen Waldbiomasse und -struktur, der Überwachung von Deformationen der Erdoberfläche mit Millimetergenauigkeit sowie der Erfassung von Veränderungen oberflächennaher Bodenfeuchte, von Bewegungs- und Schmelzprozessen der polaren Gletscher und der Dynamik von Meereis. Mit Tandem-L werden neue Erkenntnisse über das Erdsystem gewonnen als Basis für verbesserte wissenschaftliche Prognosen zur Klimaveränderungen und darauf aufbauend gesellschaftliche Handlungsempfehlungen.

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Über den Autor

Prof. Irena Hajnsek leitet seit 2001 die Forschungsgruppe Polarimetrische SAR-Interferometrie (Pol-InSAR) am DLR-Institut für Hochfrequenztechnik und Radarsysteme und ist seit 2009 Professorin für Erdbeobachtung und Radarfernerkundung an der ETH Zürich am Institut für Umweltingenieurwissenschaften. zur Autorenseite