Raumfahrt | 27. März 2023 | von Simone Del Togno

GALA auf JUICE Teil 3: Herausforderung Strahlenbelastung am ‚Mount Everest des Sonnensystems‘

Künstlerische Darstellung des Magnetfelds des Jupiters
Quelle: JPL/NASA
Künstlerische Darstellung des Magnetfelds des Jupiters

GALA wird im Jupitersystem mit einer der feindlichsten Umgebungen im Sonnensystem konfrontiert sein: Der Weltraum um den Planeten ist mit einer enorm hohen Strahlung gesättigt, die so stark ist, dass sie die Leistung wissenschaftlicher Instrumente im Orbit beeinträchtigen oder sie sogar zerstören kann. GALA, das Ganymed Laser Altimeter, ist eines von zehn Instrumenten an Bord der Mission JUICE, die im April 2023 zum fünften Planeten des Sonnensystems aufbrechen wird. Es wurde aufwändig entwickelt und getestet, um in dieser extremen Umgebung zu überleben und korrekt zu funktionieren.##markend##

Der Jupiter ist sozusagen der ‚Mount Everest des Sonnensystems‘, was die Strahlungswerte angeht. Der massereichste fünfte Planet weist das stärkste Magnetfeld auf. Es erstreckt sich über mehrere Millionen Kilometer. Geladene Teilchen wie Protonen, Elektronen und Ionen werden vom Sonnenwind und von den vulkanischen Auswürfen des Mondes Io eingefangen: Das Magnetfeld beschleunigt diese Teilchen und macht sie so zu kleinen, geladenen Geschossen, die GALA ständig bombardieren werden. Im Gegensatz zu den meisten anderen Planeten wird der ‚donut-förmige‘ Strahlungsgürtel des Jupiters weitgehend von Elektronen dominiert, die eine höhere Eindringtiefe haben als Protonen und Ionen – was mehr Abschirmungsmaterial zum Schutz der inneren, empfindlichen Teile des Instruments erfordert.

In unserem täglichen Leben sind Beispiele für die Strahlenabschirmung der Bleikittel bei Röntgenuntersuchungen oder die dicke Metallkugel um Kernreaktoren. Leider erzeugt die Wechselwirkung von Elektronen mit der Abschirmung Bremsstrahlung: namentlich Gammastrahlen, also hochenergetische Photonen, die eine noch größere Eindringtiefe haben und daher auch die noch so gut abgeschirmten Teile des Instruments erreichen können. Während der dichtesten Annäherung an den Jupiter wird der Strahlungsfluss mehr als eine halbe Million Mal höher sein als der durchschnittliche Wert auf der Erde. Das entspricht mehr als 7700 Mammographien pro Tag.

Quelle: © Hensoldt Optronics
Ein Teil der GALA-Transceiver-Einheit. Der empfindliche Detektor befindet sich in dem grauen zylindrischen Teil in der Mitte der Einheit, die analoge Elektronikplatine (im Bild unten) befindet sich im rosafarbenen Teil des Gehäuses, die Laseroptik im unteren Teil der Einheit (unscharf).

Die strahlungsempfindlichsten Teile von GALA sind die elektronischen Komponenten im Laser und auf den Leiterplatten, allen voran der Detektor. Die Laserstäbe sind die Teile, in denen das Laserlicht erzeugt wird, und sie sind besonders strahlungsempfindlich: Für GALA wurden spezielle Laserkristalle entwickelt und qualifiziert. Es sind sogenannte Neodym-YAG-Kristalle ohne Cr3+-Ionen als Dotierungsmittel, wie es üblich ist. Denn auch, wenn Chrom die Strahlungsempfindlichkeit reduziert, so verringert es doch die Leistung des Lasers erheblich.

Daher wurde beschlossen, reine Laserkristalle zu verwenden, diese aber mit einer starken Abschirmung zu schützen. Optische Elemente wie Linsen oder Spiegel sind ebenfalls sehr strahlungsempfindlich: Hohe Strahlungsdosen können ihre Oberflächen trüben oder verdunkeln. Die Verwendung elektrisch isolierender Materialien wie Kunststoffe und Polymere war strengstens untersagt. Die durch den Elektronenbeschuss kumulierte elektrische Ladung kann – wie bei einem Luftballon nach dem Reiben an einem Kleidungsstück – ungewollte Lichtbögen verursachen, die das Material physikalisch zerstören.

Die sorgfältig ausgewählten Oberflächenbeschichtungen des Teleskops absorbieren Streulicht und reflektieren das Lasersignal und können ihre optischen Eigenschaften durch Ionisierung verändern. Es ist nicht möglich, äußere, dem Weltraum ausgesetzte Oberflächen abzuschirmen. Daher müssen die ausgewählten Materialien von sich aus strahlungsfest sein. Die der Weltraumstrahlung am stärksten ausgesetzten Teleskopteile werden während der gesamten Mission mit einigen Gigarad bestrahlt – ein Wert, der auf der Erde fast nur von Kernreaktoren erreicht wird.

Quelle: © JAXA/Meisei
Die analoge Elektronikplatine separat und im Gehäuse der Sende- und Empfangseinheit

Unser Hauptaugenmerk bei der Entwicklung lag also auf dem Schutz der Elektronik, insbesondere der empfindlichen Detektor- und Laserkomponenten. Das gesamte Gerät wurde nach diesem Konzept entworfen: Der Sensor und der Laser wurden in der Mitte platziert, und alles andere wurde so geformt, dass eine Art Zylinder (idealerweise eine Kugel) um sie herum entstand.

Dieses Design erforderte unorthodoxe Lösungen: Die analoge Elektronikplatine (siehe Fotos unten) musste zum Beispiel die Form eines Sechsecks mit einem Loch in der Mitte haben, weil die Detektoreinheit in sie hineingesteckt werden musste.

Wir haben sehr robuste elektronische Komponenten beschafft, die für die zu erwartenden Strahlungswerte zertifiziert sind. Wir reisten oft zu Einrichtungen wie dem ELBE-Zentrum in Dresden, der GEODUR-Anlage bei ONERA in Toulouse oder der Universität Delft, um kundenspezifische Teile und brandneue Technologien mit Elektronen zu bestrahlen und für die extremen Bedingungen am Jupiter zu qualifizieren.

Quelle: © DLR. Alle Rechte vorbehalten
Sektoranalyse für den Detektor. Sie zeigt, in welche Richtung wie viel Abschirmungsdicke den Detektor schützt.

Die Auswahl strahlenfester Teile und die Prüfung reichten allerdings nicht aus: Es war noch eine zusätzliche Abschirmung erforderlich. Aus diesem Grund wurde das GALA-Gehäuse mit besonders dicken Wänden konstruiert. Normalerweise werden wissenschaftliche Instrumente für den Weltraum so entwickelt, dass sie so leicht wie möglich sind. Bei GALA und auch bei allen Instrumenten auf JUICE musste die Leichtigkeit gegen die Strahlungshärte eingetauscht werden. Das Design des Instruments wurde mehrmals überarbeitet, wobei detaillierte Strahlungsanalysen durchgeführt wurden. Die komplexe Wechselwirkung zwischen den geladenen Teilchen und allen Bauteilen von GALA wurde mit spezieller Software simuliert. Für jede Entwicklungsstufe im Design waren hunderte – manchmal tausende – Stunden an Rechenzeit erforderlich, um die während der Mission von allen empfindlichen Teilen kumulierten Strahlungsdosen vorherzusagen. Die Analysen haben bestätigt, dass GALA trotz der rauen Strahlungsumgebung am Jupiter überleben und korrekt funktionieren wird.

 

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Über den Autor

Simone Del Togno ist Thermal- und Strahlungsingenieur in der Abteilung Planetare Sensorsysteme am DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin. Seine Hauptaufgabe ist die Gewährleistung, dass die entwickelten wissenschaftlichen Instrumente im Weltraum überleben und korrekt funktionieren. Er trägt zum Design und zum Testen der Instrumentenprototypen bei. zur Autorenseite

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