Raumfahrt | 03. Juli 2014 | von Tom Uhlig

UFO gesichtet!

Eine gute Überschrift ist alles! Endlich habe auch ich mal die Chance, ganz vorne auf der Titelseite zu landen! Dabei kann ich bei meiner Schlagzeile sogar auf das obligate und dezente Fragezeichen am Ende des Satzes verzichten und muss die Wahrheit nicht verbiegen: Die Astronauten haben tatsächlich ein „Unidentified Flying Object“ (UFO) gemeldet.

„Flying“ ist ja ohne Schwerkraft auf der Raumstation sowieso alles. Und „Unidentified“ trifft auch zu: Die Crew hat einen kleinen Gegenstand gefunden, den sie nicht zuordnen kann, hat ein Bild davon gemacht - und jetzt sind wir am Boden gefragt: Was ist das? Wer erkennt das Teil wieder?##markend##

Wir haben tausende von Gegenständen auf der ISS - Nahrungsmittel, Werkzeuge, Teile von Experimenten, Notfallequipment, Gegenstände des täglichen Gebrauchs, Ersatzteile, verschiedenstes Zubehör für die Raumanzüge, alles mögliche Material für PR-Events, Messgeräte... Die meisten dieser Dinge tragen kleine Labels, auf denen ein Barcode, die Teile- und Seriennummer und der „OpNom“ abgedruckt sind: Letzterer ist ein eindeutiger Name, der in unserer Kommunikation mit der Besatzung sicherstellt, dass wir exakt vom gleichen Gegenstand reden.

Mit diesen Daten ist jedes Teil dann in einer riesigen Datenbank erfasst - zusammen mit dem Ort, wo es sich momentan befindet. Aus dieser Datenbank generiert dann unser COSMO (Columbus On-Orbit Stowage and Maintenance Officer) für jede Aktivität der Besatzung eine so genannte Stowage Note: In dieser ist jeder Gegenstand aufgeführt, der für die Durchführung benötigt wird zusammen mit der Information, wo er zu finden ist. Mit dieser Liste kann sich der Astronaut dann in der ganzen ISS zusammensuchen, was er braucht. Die Liste enthält auch Angaben, wo jedes Teil danach wieder zu verstauen ist. Damit kann der COSMO nach der Aktivitätsdurchführung dann die Datenbank wieder auf den neuesten Stand bringen - wenn das die Crew nicht schon selbst getan hat: Mit einem Handscanner können sie den Barcode des Gegenstandes scannen und dann den ebenfalls durch einen Barcode gekennzeichneten Stauort einlesen - und schon wird die Datenbank aktualisiert.

Hin und wieder kommt es allerdings auch vor, dass ein Gegenstand nicht am erwarteten Ort gefunden wird. Dann kommen wir ins Spiel - wir versuchen zunächst schnellstens, für den Astronauten einen anderen gleichartigen Gegenstand zu finden. Wer möchte schon eine mehrstündige Crew-Aktivität wegen eines fehlenden Schraubenziehers abbrechen müssen? Dann können wir den Astronauten oft noch einen alternativen Verstauungsort anbieten: Vielleicht ist der Schraubenzieher ja irrtümlicherweise in der ISS Tool Box anstatt der Columbus Tool Box gelandet? Und unsere letzte Chance ist dann das "Wanted"-Poster, das ein Foto vom gesuchten Gegenstand enthält zusammen mit dem "letzten bekannten Aufenthaltsort". Die Datei schicken wir auf die ISS, die Astronauten drucken es aus und hängen es auf.

Haben wir Glück, taucht der Gegenstand beim nächsten "Großreinemachen" wieder auf - oft in der Nähe der Abluftgitter, denn in der Schwerelosigkeit ist meistens der Luftstrom der entscheidende Faktor. Gibt es auch hier keinen Erfolg zu vermelden, wird das betreffende Teil in der Datenbank als "verloren" gekennzeichnet und ein entsprechender Ersatz "manifestiert", also für den nächsten Versorgungsflug zur ISS vorgesehen.

Manchmal freilich - wie auch dieses Mal - läuft es genau andersrum: Die Crew findet etwas und wir müssen sehen, ob wir herausfinden, was genau da aufgetaucht ist.

Unidentified Flying Object auf der ISS
Quelle: NASA
Unidentified Flying Object auf der ISS

Diesmal tappen wir momentan noch im Dunklen - aber falls der eine oder andere Raumfahrtfan eine Idee hat: Wir wären rund um die Uhr bei uns in Oberpfaffenhofen im Kontrollraum zu erreichen…!
 

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Über den Autor

Als Kind wollte Tom Uhlig Astronaut werden. Beim DLR kam er dabei seinem Traum sehr nahe: Er arbeitete als Columbus-Flugdirektor an der Konsole und leitete sowohl das Col-CC-Trainingsteam als auch Gruppe für den Betrieb von geostationären Satelliten bis Dezember 2016. zur Autorenseite