Raumfahrt | 10. März 2015 | von Tom Uhlig

Höhenluft atmen

Quelle: NASA
Samantha arbeitet an der Vorbereitung der Airway Monitoring-Gerätschaften

Ich erinnere mich noch gut der länglichen Diskussionen, die wir vor vielen Jahren bei uns in der Wasserrettung hatten, in der ich ehrenamtlich aktiv bin: Sollten wir als Nicht-Mediziner einem Herzpatienten das berühmte "Nitrospray" verabreichen oder das lieber sein lassen? Auf der einen Seite kann das Spray bei bestimmten Herzkrankheiten schnelle Linderung verschaffen - auf der anderen Seite kann der Blutdruck des Patienten schnell abfallen, was im Notfall tunlichst vermieden werden sollte. Wir haben uns damals dagegen entschieden - und wohl gut daran getan.

Das "Nitrospray" wirkt letztendlich über Stickstoffmonoxid (NO) gefäßerweiternd, wobei NO eine körpereigene Substanz ist. Sie wird durch unseren Körper selbst generiert - und ist ein guter Indikator für Entzündungen der Atemwege: Ein höherer NO-Anteil in der ausgeatmeten Luft weist auf einen Entzündungsherd hin. Der genaue Wirkungsmechanismus, die Auswirkungen von unterschiedlichen  Luftdrücken und auch von fehlender Erdanziehung und damit veränderter Lungendurchblutung waren Inhalt und Forschungsziel des aufwändigen "Airway Monitoring"-Experiments, welches letzten Freitag auf der ISS durchgeführt wurde.##markend##

Wichtig sind die Ergebnisse nicht nur für die medizinische Grundlagenforschung, sondern auch ganz konkret für zukünftige bemannte Missionen zu anderen Himmelskörpern: Der Mond- oder Marsstaub ist sehr aggressiv - und so bereiten den Experten nicht nur alle mechanischen Teile Kopfzerbrechen, die diesem ausgesetzt werden könnten, sondern auch die menschlichen Atemwege: Unvermeidlich käme der Staub über Luftschleusen oder Raumanzugsteile auch in eine zukünftige Mond- oder Marsstation und damit in die Atemluft. Und dann ist es wichtig, schon früh die Anzeichen von Atemwegsentzündungen  zu erkennen (und dafür Indikatoren zu haben)...

Die Europäische Astronautin Samantha Cristoforetti und der Amerikaner Terry Virts hatten schon am 5. März mit den Vorbereitungen begonnen: Sie brachten alle benötigten Gerätschaften in die amerikanische Luftschleuse Quest. Diese wird üblicherweise als Aus- und Einstiegstüre der ISS für Außeneinsätze genutzt. Barry Wilmore als Crew Medical Officer erhielt auch noch einmal ein Briefing, um den beiden Kollegen während des Experiments medizinisch zur Seite stehen zu können.

Am Freitag, 6. März begann dann das vielstündige Experiment, in dessen Verlauf die Crew mittels der amerikanischen Luftschleuse auf Unterdruck gebracht wurde. Die komplizierten Prozeduren hierfür wurden in einem internationalen Zusammenspiel entwickelt: Das Expertenzentrum DAC in Dänemark, die Flugmediziner, das Team in Houston, das die Luftschleuse der ISS kontrolliert, die Oberpfaffenhofener... Bei letzteren waren Katja Leuoth und Marius Bach federführend, die dann auch im Kontrollraum die Astronauten unterstützten. Und diese Hilfe war auch wichtig, denn bald schon brauchte die Crew Unterstützung, wie es bei solch komplexen Unterfangen durchaus die Regel ist: Für manche Probleme konnte das Bodenteam Lösungen in Echtzeit finden, andere brauchen längerfristige Untersuchungen und Analysen.

Jetzt sind die Wissenschaftler gefragt: Die Daten müssen prozessiert und ausgewertet - und dann muss auch entschieden werden, ob es einen weiteren Experimentlauf geben soll.

Dafür würde das Columbus-Kontrollzentrum wieder bereitstehen, die Astronauten in "dünne Höhenluft" in der Luftschleuse zu bringen, um den Weg zu zukünftigen Landemissionen zu ebnen...

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Über den Autor

Als Kind wollte Tom Uhlig Astronaut werden. Beim DLR kam er dabei seinem Traum sehr nahe: Er arbeitete als Columbus-Flugdirektor an der Konsole und leitete sowohl das Col-CC-Trainingsteam als auch Gruppe für den Betrieb von geostationären Satelliten bis Dezember 2016. zur Autorenseite