Raumfahrt | 08. Januar 2016 | von Jean-Pierre Paul de Vera

Die Reise in die Antarktis - Teil 2

Robben, ein Seeleopard und ein Polarvogel
Quelle: DLR (CC-BY 3.0)
Robben, ein Seeleopard und ein Polarvogel - nette "Begleitung" während der Reise zur Terra Nova-Bucht

22. bis  27. Dezember 2015

Unsere Schiffsanreise dauerte länger als gedacht. Leider trafen wir auf einen viele hundert Kilometer breiten Treibeis-Gürtel vor unserem Ziel, der "Terra Nova Bucht". Da unser Schiff, die "M/V Italica", kein Eisbrecher ist, sondern nur einen verstärkten Bug hat, erforderte die Fahrt durch das Treibeis höchste Konzentration und großen Einsatz der Schiffscrew.

Unser Expeditionsleiter Andreas Läufer erklärte, dass an dieser Situation wohl das "El Niño"-Phänomen Schuld sei. Die ungewöhnlich starke Erwärmung des Pazifiks und die damit einhergehenden Veränderungen der Atmosphäre und Meeresströmungen führen besonders an diesem Jahreswechsel dazu, dass das Packeis im westlichen Rossmeer besonders dick ist. So müssen wir wohl oder übel mindestens ein bis zwei Tage für unsere Ankunft hinzurechnen. Aktuell ist unsere Ankunft für den 28. Dezember abends berechnet worden.##markend##

Quelle: DLR (CC-BY 3.0)
Der Weg der "M/V Italica" durch den Packeisgürtel

In der Zwischenzeit waren wir aber nicht untätig. Die Expeditionsleitung hatte zusammen mit unserem Cheflogistiker und unserer Ärztin einen ausführlichen Erste-Hilfe Kurs organisiert. So lernten wir die wichtigsten Handlungsweisen und Handgriffe inklusive praktischer Durchführung für mögliche Notfälle, die im Gelände auftreten könnten. Neben den bekannten Wiederbelebungsmaßnahmen wurden das korrekte Verhalten und die kurzfristige Behandlung bei Frakturen und offenen Wunden geprobt sowie die Versorgung und der liegende Transport eines Patienten im freien Gelände und zum Helikopter. Diese Prozeduren wurden im Gemeinschaftsraum des Schiffes durchgeführt, und die Tische und Stühle dienten dabei als potentielle Geländehindernisse. Das Transportieren mehr oder weniger schwerer Expeditionsteilnehmer führte dabei zu mancher Erheiterung. Auch das Stabilisieren des Kopfes über eine speziell dafür vorgesehene Nackenstütze sowie das Positionieren und Festschnallen des Patienten auf einer für das Gelände geeigneten Bahre (Spineboard) wirkte auf so manchen wie die Prozeduren im alten Ägypten bei der Präparation einer Mumie vor deren Einbalsamierung.

Neben diesen äußerst wichtigen Übungen hatte bereits vorher die Schiffscrew insbesondere durch den Master persönlich eine Einweisung in die Nutzung sowohl der Rettungsboote und der Schwimmwesten als auch der Lokalitäten für die Sammlung aller Passagiere gegeben. Darauf folgte das Checken der Überlebenstaschen für unfreiwillige längere Aufenthalte im Gelände, die in der Antarktis bei plötzlichen Wetterwechseln notwendig sein können, da der Helikopter in diesem Fall die Feldforscher nicht mehr abholen kann.

Quelle: DLR (CC-BY 3.0)
Kritische Blicke auf das Packeis

Der Rest der Zeit wurde von den jeweiligen Gruppen für die genauere Planung und Vorbereitung unserer Geländearbeiten verwandt. So trafen sich Ernst, Nicole und ich mehrmals, um die von Ernst durch seine Studien der Satellitenbilder und entsprechenden Literatur genauer erfassten vielversprechenden Standorte durchzusprechen und mit Hilfe unserer italienischen Kollegin Laura dazu auch die GPS-Daten zu bekommen, was einerseits für uns, aber andererseits auch für die Helikopterpiloten für das Ansteuern unseres Einsatzgebietes sehr wichtig ist. Auch schaute ich mir mit Nicole unser Kamerasystem im Schiffslabor an, und wir besprachen die Reihenfolge und das Vorgehen unserer Arbeiten im Gelände mit den jeweiligen Instrumenten.

Am 24. Dezember sorgten dann alle Crewmitglieder und Passagiere für ein gelungenes Fest am Heiligabend. Neben üppigen, fantastischen Mahlzeiten wurde im zentralen Passagierraum ein Weihnachtsfest mit Tanz, Musik und sehr netten Überraschungen der Schiffscrew begangen. Wirklich jeder trug zum Gelingen des Festes bei. Das MOGS-Team spielte volkstümliche bayerische und österreichische Musik, und führte zur allgemeinen Erheiterung sogar einen Schuhplattler vor. Am Klavier begannen wir vom GANOVEX-Team mit deutschen Weihnachtsliedern und erst sehr klassischen Pastoralen, bis es mit Hilfe der Gitarren in Jazz und zeitgenössische Musik wechselte und in einer Karaoke-Darbietung italienischer Liedkunst gipfelte.

Gegen Mitternacht tauchten Weihnachtsmänner und Wichtel auf, die eine antarktische Weihnachtskarte mit einem Weihnachtsgruß der Weihnachtspinguine (die Schiffscrew) verteilte. Den ersten Weihnachtstag begrüßten wir mit herzlichen Weihnachtsgrüßen, Umarmungen und Sektanstoßen. Dazu bot sich außerhalb des Schiffs ein fantastisches Mitternachtsspektakel, da große Eisberge mit den bizarrsten Formen und fantastischem weiß bis intensiv blau gefärbten Eis an uns vorbeizogen. Insgesamt bot die uns umgebende Natur während der Feiertage ein großes Schauspiel, da sich bei wechselnden Wetterverhältnissen mit einzigartigen Lichtbedingungen die Tierwelt auf den Schollen der Antarktis tummelte. Wir sahen Adelie- und Kaiserpinguine, Seeleoparden und Weddellrobben, Wale und Seevögel unterschiedlichster Art. Dies versüßte unsere doch lange Schiffsanreise und wir schauen zuversichtlich auf unsere verspätete und bald bevorstehende Ankunft.

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Über den Autor

Jean-Pierre Paul de Vera ist seit 2009 als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Planetenforschung tätig. Sein Hauptaufgabengebiet besteht in der Gruppenleitung der Astrobiologischen Labore "Planeten- und Marssimulation" sowie "Raman-Biosignaturen-Forschung“. Zudem gehören zu seinen Arbeitsfeldern auch die Planeten-analogen Feldstudien in Polarregionen und Wüstengebieten sowie die Leitung von ESA-Weltraumexperimenten wie zum Beispiel BIOMEX auf der ISS. zur Autorenseite