Raumfahrt | 24. Februar 2016 | von Ernst Hauber

Der lange Weg zurück nach Norden - Teil 11

Quelle: DLR (CC-BY 3.0)
Die steil aufragenden Admiralty-Berge am Cape Hallett gaben eine spektakulaere Kulisse fuer die marine Probennahmen ab.

Am 11. Februar begann der letzte Teil unserer antarktischen Expedition. Gemeinsam mit uns und unseren Kollegen war auch ein Großteil der italienischen Wissenschaftler und Techniker der Mario Zucchelli-Station wieder an Bord der "Italica" gegangen. Der Rest der Mannschaft wurde über die amerikanische McMurdo-Station ausgeflogen, da die Mario Zucchelli-Station in wenigen Tagen schließt. Unsere lange Reise nach Norden würde dabei nicht direkt zurück nach Christchurch in Neuseeland führen, sondern noch einige kleine Umwege machen. Die "Italica" ist nämlich nicht nur ein einfacher Frachter, der Mensch und Material in die Antarktis transportiert, sie ist gleichzeitig ein mit modernen Messinstrumenten ausgestattetes Forschungsschiff, das ein umfangreiches marines Messprogramm ausführt.

Im Fokus steht dabei das Rossmeer, das eine wichtige Stellung im globalen Strömungsmuster der Ozeane einnimmt: In der sogenannten thermohalinen Zirkulation werden Wassermassen in einem weltumspannenden "Förderband" entsprechend ihrer unterschiedlichen Dichte (infolge unterschiedlichen Salzgehalts und unterschiedlicher Temperatur) in verschiedenen Tiefen bewegt. Wärmeres Wasser ist weniger dicht und bewegt sich an der Oberfläche, kälteres Wasser ist dichter und sinkt ab. Das geläufigste Beispiel ist der Golfstrom, der warmes Oberflächenwasser von der Karibik aus an der amerikanischen Ostküste vorbei nach Nordosten Richtung Europa transportiert und im nördlichen Westeuropa für ein relativ mildes Klima sorgt. In der Arktis kühlt dieses Wasser ab, wird dichter und sinkt ab, bevor es in der Tiefe wieder nach Süden strömt. Außer in der Arktis gibt es nur wenige Stellen in der Welt, an denen Wasser von derart hoher Dichte entsteht, dass es sich grundsätzlich am tiefsten Meeresboden entlang bewegt. Das Rossmeer mit seinem riesigen Schelfeis ist eine dieser Zonen, weswegen unsere italienischen Kollegen hier ein langjähriges Messprogramm etabliert haben. Dazu gehört das Aussetzen von freischwebenden Argo-Sonden, von denen es insgesamt mehr als 3000 in den Weltmeeren gibt. Diese schweben (daher der englische Name Argo Floater) automatisch in einer zuvor festgelegten Tiefe und messen bestimmte Parameter wie Wassertemperatur und Salinität (Salzgehalt). In bestimmten Abständen tauchen diese Argo-Sonden auf und senden die Daten an Satelliten, von denen sie zu den Forschern übertragen werden.##markend##

Messungen im Rossmeer

Am Kiel der "Italica" ist ein modernes Sonar-Instrument angebracht (Sonar steht für Sound Navigation and Ranging): Mit einem Druckwandler (pressure transducer) werden akustische Signale Richtung Meeresboden gesendet. Am Boden werden die Signale reflektiert. Aus dem Laufzeitunterschied kann die Entfernung zwischen Schiff und Meeresboden bestimmt werden, die sogenannte Bathymetrie (Wassertiefe). Der eigentliche Zweck der Messungen ist aber ein anderer: Es wird nämlich nicht nur die Reflektion der Signale erfasst, sondern auch deren "Streuung" durch Lebewesen. Diese kann je nach Organismus anders ausfallen, weswegen man beispielsweise Organismen mit Schwimmblase wegen des darin enthaltenen Gases von solchen ohne Schwimmblase unterscheiden kann. Die Forscher sind nicht nur in der Lage, verschiedene Krillarten voneinander zu unterscheiden, sondern quantitativ auch die Biomasse der Krillschwärme in verschiedenen Tiefen zu bestimmen. Weil Krill (kleine Krebse, die in etwa wie Shrimps aussehen) ein wichtiger Teil der ozeanischen Nahrungskette ist, interessieren sich Wissenschaftler für Schwankungen in den Beständen sowie für mögliche Gründe dafür.

Während diese Messungen "unsichtbar" verliefen, wurde es für uns immer dann spannend, wenn es "Action" an Bord gab. Insbesondere beim Ausbringen und Einholen von Geräten zur Probennahme von Wasser oder Sedimenten wurde es interessant. Für Wasserproben wurde eine Stahl-Rosette mit vielen einzelnen Probebehältern an einem Kran mit einer Geschwindigkeit von 1 Meter pro Sekunde in die Tiefe gelassen. Dabei wurden kontinuierlich die Temperatur, der Sauerstoffgehalt und die Salinität sowie die Fluoreszenz (als Maß für organische Aktivität) gemessen und in Echtzeit auf die Monitore ins Labor an Bord übertragen. Beim Einholen der Rosette werden dann in verschiedenen Tiefen die einzelnen Probebehälter gefüllt.

Für die Beprobung von Sedimenten standen zwei Geräte zur Verfügung: Ein Kolbenkernprobennehmer (piston corer) dringt dabei unter seinem eigenen Gewicht in das weiche Sediment des Meeresbodens ein. Der lange, dünne und hohle Schaft mit einem Durchmesser von etwa 25 Zentimetern füllt sich dabei mit einem Sedimentkern. Schließlich wird er geschlossen und eingeholt. Das zweite Gerät ist ein sogenannter Kastenkernprobenehmer (box corer). Hier wird keine möglichst große Eindringtiefe angestrebt, sondern eine hohe vertikale Auflösung. Eine rechteckige Probe von etwa 50 Zentimetern Tiefe kann mit diesem Gerät fast ungestört entnommen werden, was die detaillierte Untersuchung feinster Schichten ermöglicht. Die Sedimentuntersuchungen sollen helfen, Klimaschwankungen im Holozän zu entdecken, also dem jüngsten Abschnitt der Erdgeschichte, der vor etwa 12.000 Jahren am Ende der letzten großen Eiszeiten begann. 

Quelle: DLR (CC-BY 3.0)
Eine Rosette mit ringförmig angeordneten Flaschen wird nach der Probenname wieder an Bord verstaut. Die Flaschen wurden in verschiedenen Tiefen mit Wasser gefüllt, das später in Laboratorien analysiert werden wird.
Quelle: DLR (CC-BY 3.0)
Ein Kolbenkernprobenehmer (piston corer) hängt am Seil neben der Bordwand. Gleich wird er in 1300 mm Tiefe hinabgelassen, um viele Meter in das weiche Sediment auf dem Meeresboden einzudringen und einen entsprechend langen Sedimentkern zu entnehmen.
Quelle: DLR (CC-BY 3.0)
Mit dem sogenannten Kastenkernprobenehmer (box corer) werden Sedimentproben der obersten 50 cm des weichen Meeresbodens entnommen. Im Gegensatz zum Kolbenkernprobenehmer wird hier die alleroberste Schicht der Sedimente nicht gestört, die Auflösung, mit der selbst sehr dünne Schichten untersucht werden können, ist also höher.

Die Arbeiten des marinen Programms verliefen weitgehend erfolgreich und die zweite Kolbenkernprobe erreichte dabei bei einer Wassertiefe von über 500 Metern eine beachtliche Länge von fast 17 Metern. Auch für uns als passive Zuschauer war dies ein besonderer Höhepunkt, lag der Ort der Probenahme doch direkt bei Cape Hallett. Hier treffen die Admiralty-Berge mit dem beeindruckenden, 3335 Meter hohen Mount Herschel direkt an das Meer und bilden einen der spektakulärsten Küstenabschnitte der Antarktis, wie uns die alten Hasen der Expedition versicherten. Dies war auch der Abschied vom Festland der Antarktis, denn die nächste Probe wurde in 1300 Meter Tiefe weit vor der Küste im Rossmeer entnommen. Danach ging es schließlich auf geradem Kurs nach Norden Richtung Neuseeland. Leider machte sich die Sonne rar, und unsere Hoffnungen, in sternklaren Nächten (jetzt, Mitte Februar, gibt es in diesen Breiten wieder den Unterschied zwischen Tag und Nacht) den vielgerühmten südlichen Sternenhimmel und vielleicht sogar Südlichter zu sehen, zerstoben schnell in Nebel und Wolken.

Mit diesem Beitrag schließt unser Blog. An dieser Stelle danken wir dem gesamten Team der GANOVEX 11-Expedition sowie allen Beteiligten - die Zusammenarbeit hat riesigen Spaß gemacht. 

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Über den Autor

Ernst Hauber ist Geologe und untersucht die festen Oberflächen der terrestrischen Planeten. Sein Interesse gilt vor allem vulkanischen, tektonischen, und periglazialen Oberflächenformen, wobei er auch intensiv an terrestrischen Analogen arbeitet. Er ist Mitglied in verschiedenen Instrumententeams, die Mars, Merkur, und das Jupitersystem erforschen. Eine seiner Aufgaben ist es, eine sichere Landestelle für den ESA-Rover ExoMars auszuwählen. zur Autorenseite