Raumfahrt | 17. September 2018 | von Christian Grimm

Point of no Return – Die Separation von MASCOT!

Quelle: DLR.
Christian Grimm mit Kolleginnen und Kollegen am Lander MASCOT

Am 3. Oktober 2018 ist es soweit. Nach knapp 4 Jahren im All wird der deutsch-französische Asteroidenlander MASCOT von der japanischen Muttersonde Hayabusa2 abgetrennt und beginnt im freien Fall zur Oberfläche des Asteroiden Ryugu seine wissenschaftliche Mission. Die Separation, angetrieben durch einen kleinen Mechanismus, ist ein Schlüsselmoment von dem vieles abhängt. Einmal ausgelöst, entsteht eine mechanisch gekoppelte Kettenreaktion die die Mission unwiderruflich einleitet. Dies ist der Moment des "Point-of-no-Return". Funktionsweise des Mechanismus und mögliche Risiken bei der Separation werden hier kurz erläutert.##markend##

Eigentlich klingt es recht simpel. Das Landemodul von MASCOT ist über einen zentralen Bolzen in einer Klemmhaltung mit seiner Haltestruktur an Hayabusa2 befestigt. Beim Auswerfen wird diese Klemmhaltung gelöst, gibt den Bolzen frei und eine speziell geformte Druckplatte gibt dem Landemodul mittels einer Kompressionsfeder einen kleinen Schubs, um aus der Haltestruktur heraus zu rutschen. Den Rest übernimmt die geringe Gravitation von Ryugu, die den Lander die verbleibenden Meter im „Freien Fall“ zu sich heranzieht.

Um dieses einfache Prinzip jedoch in die Tat umzusetzen, hat das MASCOT Team während der Entwicklung in Bremen mehrere Optionen analysiert, um ein gleichermaßen kompaktes wie auch zuversichtliches Design zu finden. Aus diesem Grund wurde die Klemmhaltung auch als "Einmal-Mechanismus" (one-shot device) ausgelegt. Die Betätigung ist also nicht reversibel und einmal ausgelöst gibt es kein Zurück mehr. Das Auslösen erfolgt über einen kurzen aber hohen Impulsstrom, der über zwei parallel verlaufende Kanäle zwei unabhängige Schmelzdrähte trennt. Das kann man sich mit dem Auslösen einer elektrischen Schmelzsicherung im Auto vorstellen. Wenn bei einem Kurzschluss in einem Schaltkreis eine gewisse Stromstärke einen bestimmten Wert überschreitet, brennt die Sicherung durch und schütz die anderen Bauteile vor einer Beschädigung. In unserem Fall halten diese Schmelzdrähte aber auch gleichzeitig die Klemm-Vorrichtung zusammen, welche den Bolzen festhält. Brennen die Drähte (oder zumindest einer davon) durch, springen die Klemmbacken federgetrieben auseinander. Diese Einmal-Mechanismen haben sich in der Raumfahrt schon oft bewährt, da sie unempfindlich gegenüber mechanischen Erschütterungen und thermalen Einflüssen sind. Sie werden daher oft für das Lösen oder Trennen von Raketen- und Satellitenkomponenten genutzt.

Quelle: DLR (CC-BY 3.0)
Von Links: Klemmhaltung und Bolzen, Federmechanismus und Druckplatte, Trennbarer elektrischer Steckverbinder

Die eigentliche Neuentwicklung für MASCOT war allerdings der Federmechanismus, die spezielle Druckplatte und der trennbare elektrische Steckverbinder, über den MASCOT während des Fluges mit Strom versorgt und letztendlich auch der Zündimpuls übertragen wird. Das Zusammenspiel dieser einzelnen Komponenten musste u.a. in einer realitätsnahen schwerelosen Umgebung getestet werden. Dieses haben wir in aufeinander folgenden Testkampagnen zuerst im Parabelflug in Bordeaux Frankreich und anschließend im Fallturm Bremen durchgeführt. Hinzu kamen dann noch weitere Funktionstests in unterschiedlichen Testeinrichtungen im DLR Bremen. Die größte Herausforderung war es sicherzustellen, dass das Landemodul mit einer definierten und reproduzierbaren nicht zu hohen Geschwindigkeit von ca. 5 cm/s ausgeworfen wird und während der Trennung nicht in der Haltestruktur stecken bleibt. Sollte MASCOT stecken bleiben, wäre die Mission gleich vorbei. Sollte MASCOT aber mit zu hoher Geschwindigkeit auf Ryugu auftreffen, würde MASCOT auf Grund der sehr geringen Gravitation wie ein "Gummiball" zurückspringen und im All verloren gehen. Die Schwierigkeit hierbei war es die einstellbaren Parameter zu finden und zu kalibrieren, um den Mechanismus noch vor dem Start auf seine exakte und nicht mehr veränderbare Funktionsweise am Asteroiden einzustellen.

Quelle: DLR.
Letzte Vorbereitungen an MASCOT im Reinraum.

Das Signal für die Trennung ist vorprogrammiert und wird über eine Kommandierung der japanischen Kollegen am Tag der Separation manuell freigegeben. Die sogenannte "Zünd-Box" welche sich innerhalb von Hayabusa2 befindet und den Impuls auslöst, wird hierdurch scharf gestellt. Diese wartet dann auf ein weiteres voreingestelltes Missionsereignis. Für die Separation wird Hayabusa2 auf eine relative Höhe von 60 Metern über der Asteroidenoberfläche gesteuert. Das ist die „Trigger-Höhe“ nach der ein automatisierter Countdown (ca. 2 Minuten) anfängt. In dieser Zeit wird Hayabusa2 noch einmal verlangsamt, sämtliche Steuerungsmanöver ausgeschaltet, die Kameras für die Beobachtung eingeschaltet und die beteiligten Systeme noch mal final überprüft. Hayabusa2 befindet sich nun ebenfalls im "Freien Fall" zur Oberfläche.

Quelle: DLR (CC-BY 3.0)
MASCOT in der Fallkapsel

Läuft der Countdown aus, wird die letzte automatisierte Sequenz initiiert und schließlich der Impuls aus der Zünd-Box an MASCOT geschickt. Durch das Öffnen der Halteklemmen und das herausschieben durch die Druckplatte lösen sich nach ein paar Millimeter auch die elektrischen Kontakte des Steckverbinders. Das funktioniert letztendlich wie ein Schalter und wir sehen das „Ausschalten“ dieser Kontrollkreise (Contact-Sensor-Monitor) in unseren Telemetrie-Daten. Ob wir allerdings auch wirklich aus der Haltestruktur heraus gekommen sind, sollten dann unsere Photo-Elektrischen Zellen (kleine Solarzellen), welche außerhalb von Hayabusa2 von direktem Sonnenlicht beschienen werden, sowie die sich ändernde Signalstärke unserer Funkverbindung signalisieren. Zusätzlich versucht Hayabusa2 mit seinen 2 Weitwinkelkameras MASCOT während der Separation visuell aufzunehmen. Nach der Trennung fällt MASCOT völlig antriebslos und taumelnd aus ca. 50 Meter auf den Asteroiden, wird von der geringen Gravitation geringfügig aber gleichmäßig beschleunigt und trifft nach ungefähr 5-10 Minuten mit einer Geschwindigkeit von ca. 15-20 cm/s (7 mal langsamer als ein Fußgänger) in der ausgewählten Landezone (MA-9) auf und kommt hoffentlich nach einer längeren Phase von mehreren Sprüngen zur Ruhe. Was genau während dieser Phase und speziell danach passiert, erfahren Sie in weiteren Blognachrichten von anderen Teammitgliedern in den kommenden Tagen.

 

Quelle: DLR (CC-BY 3.0)
Test im Fallturm Bremen. Der Moment der Separation – Das MASCOT Landemodul rutscht in der Schwerelosigkeit aus seiner Haltestruktur.
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Über den Autor

Christian Grimm arbeitet seit 2012 als wissenschaftlicher Mitarbeiter im DLR am Institut für Raumfahrtsysteme in der Abteilung Explorationssysteme. Seit Ende 2011 ist er Teil des MASCOT-Teams, welches die Flugmission des Asteroidenlanders auf der japanischen Muttersonde Hayabusa-2 vorbereitet und koordiniert. zur Autorenseite

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