Raumfahrt | 02. Oktober 2019 | von Bettruhestudien

AGBRESA geht in die zweite Runde: Erfahrungsbericht eines Probanden

Quelle: DLR
Das DLR erforscht auf der Erde, wie sich der Körper in der Schwerelosigkeit verändert - die Bettruhe simuliert diesen Zustand

Die Pause zwischen den beiden AGBRESA-Kampagnen war schnell vorbei. Das Team verbrachte sie mit der Vorbereitung der zweiten Kampagne und begrüßte Anfang September die nächsten Probandinnen und Probanden im :envihab. Auf ein Neues! Mittlerweile haben alle Probandinnen und Probanden ihre Betten bezogen, in denen sie nun 60 Tage am Stück verbringen. Hier ein Bericht von Proband V.##markend##

Als ich erstmals von der Studie hörte, ging ein Ruck durch mich hindurch: Die Möglichkeit, einen persönlichen Beitrag für die Erforschung der bemannten Raumfahrt zu leisten, einen Einblick in die wissenschaftliche Arbeit zur Grundlagenforschung der Weltraummedizin zu erhalten und persönliche Grenzen unter "Laborbedingungen" auszuloten, machte mir die Entscheidung leicht. Ich bewarb mich.

Der Einzug

Ein letztes Mal spüre ich die Sonne auf der Haut, atme die frische Herbstluft ein und richte meinen Blick auf das Naturschutzgebiet am Weiher in der Nähe des DLR, bevor ich in die für mich völlig neue Welt des :envihab eintauche. Der Empfang durch das Studienteam ist herzlich und wertschätzend, eine Begegnung auf Augenhöhe. Ich fühle mich in guten Händen. Die ersten Gesundheitstests und Experimente starten sofort, die 14 Tage bis zum Start der Bettruhephase vergehen wie im Flug.

Das Hinlegen

Quelle: DLR
Liegen für Fortgeschrittene

Der Countdown bis zum Start meiner "Mission im Bett" wird laut mitgezählt. Neben dem Applaus des Teams nehme ich sofort die ungewohnte 6°-Kopftief-Neigung wahr. Mein Blick richtet sich zur Zimmerdecke und ich verliere den Bodenkontakt. Das "Abheben" in die Bettruhe ist geglückt und mir wird bewusst, dass die Welt für mich in den nächsten 60 Tagen ein wenig auf dem Kopf stehen wird. Als Großgewachsener bin ich es gewohnt, den Leuten eher auf den Scheitel zu sehen - nun fällt mir von unten zuerst das Kinn des Mitarbeiters ins Auge, als ich auf der Transportliege zu Untersuchungen und Experimenten geschoben werde.

Neue Perspektive

Die neue Perspektive drängt den Vergleich mit dem Ausblick eines Babys im Kinderwagen auf. Es ist erstaunlich, wie schnell sich der Körper auf diese neue Lebenssituation einstellt. Schon nach wenigen Tagen ist das Gefühl, schief zu liegen, nahezu verschwunden. Auch die Einnahme von Speisen im Liegen sowie der Gebrauch von Bettpfanne und Co. sind bald erlernt.

Der "heilige Gral": Die Zentrifuge

Quelle: DLR (CC-BY 3.0)
Die Kurzarmzentrifuge im :envihab bietet erweiterte Möglichkeiten zur Erforschung der Wirkung von erhöhter Schwerkraft

Die Zentrifuge, der "heilige Gral" dieser Studie, steht inmitten des :envihab in einem eigenen Modul, kreisrund wie das Pantheon. Der erste Anblick ist respekteinflößend. Die Größe ihrer vier Arme und das Ausmaß an technischem Equipment versetzen mich in Erstaunen. Ich empfinde es als Privileg, darauf Platz nehmen zu dürfen, um meine ersten Runden zu drehen. Gespannt warte ich darauf, welche Auswirkung wohl die entstehenden Fliehkräfte auf mich haben werden, bis schließlich der Countdown einsetzt. Beinahe lautlos setzt sich die Zentrifuge in Bewegung, die Fußplatte drückt sich mir entgegen, mein Körper erhöht unwillkürlich seinen Tonus, um der künstlichen, nunmehr horizontalen Schwerkraft entgegenzuwirken. Ich spüre die Bewegung, das Blut drückt sich beinwärts und in den Füßen beginnt ein leichtes Kribbeln. Nach einigen Umdrehungen hat sich mein Körper an die Rotationsbewegung gewöhnt, das System scheint aufeinander eingestellt. Die anfängliche Aufregung hat sich verflüchtigt und ich beginne die Fahrt zu genießen.

Tägliches Highlight

Die Zeit vergeht im wahrsten Sinne des Wortes wie im Flug und die Maschine beginnt langsam abzubremsen. Es wirkt eine zusätzliche seitliche Brems-Kraft auf mich ein, die Muskeln spannen sich ein letztes Mal an, bis die Maschine schließlich zum Stillstand kommt. Ein letzter Hauch der "aufgequirlten" Luft im Raum streicht über mich. Mein Körper entspannt sich wieder; plötzlich fühle ich eine Leichtigkeit, als könnte ich von selbst weiterfliegen. Das Zentrifugenteam kommt in den Raum, befreit mich von Blutdruckmanschette und Sicherheitsgurt und bettet mich wieder auf die Liege zum Transport ins Zimmer. Ich weiß schon jetzt, dass die tägliche Fahrt mit der Zentrifuge mein persönliches Highlight dieser Studie bleiben wird. Ich bin gespannt, was noch auf mich zukommt und wie meine Mission weiterhin verlaufen wird. Ich werde berichten!

 

TrackbackURL

Über den Autor

Wie wirkt sich die Schwerelosigkeit auf den menschlichen Körper aus? Und was können wir gegen die negativen Effekte tun? Bettruhestudien dienen hier auf der Erde als Modell, um die Auswirkungen der Schwerelosigkeit auf den menschlichen Körper hervorzurufen – und so Reaktionen, Auswirkungen und Gegenmaßnahmen untersuchen zu können. zur Autorenseite

Artikel mit ähnlichen Themen

AGBRESA: Ein Proband berichtet: Am Ende des Horizontalen

19. Juni 2019 | von Bettruhestudien

Zunächst ist da kein göttergesandtes Licht, kein Bouquet voll nasser Blumen, weder Trommelwirbel noc... weiterlesen

AGBRESA: Ein Proband berichtet: Mit Willenskraft und guter Einteilung ans Ziel

06. Juni 2019 | von Bettruhestudien

Bettruhetag siebenundvierzig. Noch 13 Tage - und der Rest von heute. Gestern Abend habe ich mit mein... weiterlesen