Raumfahrt | 16. Oktober 2020 | von Tilman Spohn

Das Logbuch zu InSight

Quelle: DLR (CC-BY 3.0)

Der wissenschaftliche Leiter des DLR-Instruments HP3 Prof. Tilman Spohn, versorgt uns im DLR-Blog seit Februar 2019 mit den Neuigkeiten der InSight-Mission und erläutert regelmäßig die aktuelle Lage unserer Wärmesonde HP3, die wir liebevoll als MarsMaulwurf bezeichnen.##markend##

Logbuch-Eintrag vom 16. Oktober 2020

In meinem letzten Logbucheintrag vom 10. August hatte ich berichtet, dass es uns besser als gedacht gelungen war, Sand in die Grube zu schieben. Dass wir aber dennoch zunächst weiter mit der schräg gestellten Schaufel auf das hintere Ende des Maulwurfs drücken wollten, um diesen noch etwas tiefer in den Boden zu bekommen. Wir wollten dann noch einmal bei einem sogenannten Free-Mole-Test prüfen, ob die Sonde ohne Hilfe des Arms weiter in den Boden eindringen würde.

Diese Versuche fanden leider unter schwierigen gewordenen Bedingungen statt. Insbesondere Staub in der Marsatmosphäre als Folge von nahen Staubstürmen und Staub auf den Solarzellen haben die verfügbare elektrische Leistung deutlich reduziert. Dies führte dazu, dass das HP3-Radiometer nicht mehr wie gewünscht messen konnte. Darüber hinaus haben die mit der reduzierten Leistungsversorgung einhergehenden erhöhten Anforderungen an das Operations-Team dazu geführt, dass der Maulwurf und die Schaufel ab September nur noch 14-täglich kommandiert werden konnten. Insgesamt konnte seitdem dreimal gehämmert werden, zweimal mit 100 Schlägen am 22. August (sol 618) und am 5. September (sol 632) und schließlich einmal mit 250 Schlägen am 19. September (sol 645).

Quelle: NASA/JPL-Caltech
Hämmern mit um 30° geneigter Schaufel am 22. August 2020 (Sol 618). Es ist deutlich zu sehen, dass die Schaufel in den Sand eindringt. Auch die Bewegung des Kabels lässt auf ein weiteres Eindringen des Maulwurfs unter der Schaufel schließen
Quelle: NASA/JPL-Caltech
Hämmern mit um 30° geneigter Schaufel am 19. September 2020 (Sol 645). Die Schaufel dringt zunächst weiter in den Sand ein, zeigt aber nach ca 60% der Zeit keine Bewegung mehr. Das Kabel bewegt sich dagegen weiter – in Folge von Bewegungen des Maulwurfs – aber es ist nicht eindeutig zu erkennen, dass das Kabel tiefer in den Boden kommt.

Dabei zeigte sich, dass während der beiden ersten Runden und während der ersten Hälfte der Zeit beim dritten Hämmern die Schaufel tiefer in den Sand eindrang. Da der Maulwurf unter der Schaufel verborgen war, konnte das damit wahrscheinlich einhergehende Eindringen der Sonde selbst nicht direkt beobachtet werden. Während des Hämmerns führte das zur Sonde laufende Flachbandkabel erhebliche Bewegungen durch, die aber nur beim Hämmern am 22. August eindeutig als Vorwärtsbewegung identifiziert werden konnten. Insgesamt konnte aus den Bewegungen der Schaufel abgeschätzt werden, dass der Maulwurf höchstens einen Zentimeter tiefer in den Boden eingedrungen ist. Interessant zu beobachten war, dass während der zweiten Hälfte der 250 Hammerschläge am 19. September die Schaufel nicht weiter eindrang. Wahrscheinlich war diese auf Duricrust gestoßen, die ein weiteres Eindringen der Schaufel verhinderte. Das war durchaus so gewünscht, denn damit war ein zweiter Free-Mole-Test ermöglicht worden. In der Tat, hat die Sonde sich ausweislich der Bewegungen des Kabels weiterbewegt, aber es konnte nicht eindeutig festgestellt werden, dass diese Bewegungen den Maulwurf tiefer in den Boden gebracht hätten.

In Anbetracht der nicht eindeutigen Bewegungen der Sonde und des erheblichen Zeitaufwands hat das Team daraufhin nach eingehender Diskussion beschlossen, diesen Pfad zu verlassen und stattdessen die Verfüllung der Grube anzugehen. Dazu wurde am 3. Oktober die Schaufel angehoben und damit die Grube sichtbar.

Die Grube nach Anheben der Schaufel am 3. Oktober (Sol 659)
Quelle: NASA/JPL-Caltech
Die Grube nach Anheben der Schaufel am 3. Oktober (Sol 659). Deutlich ist der Abdruck der Schaufel im Sand zu erkennen. Der Maulwurf ist vollständig mit Sand bedeckt und die Grube weitgehend gefüllt. In der rechten Abbildung sind die beiden für den 17. Oktober geplanten versetzten Kratzbewegungen der Schaufel angedeutet.

Nach einiger Diskussion um das weitere Vorgehen wurde nun beschlossen, dass am kommenden Samstag den 17. Oktober (sol 659) zunächst zwei parallele Kratzbewegungen durchgeführt werden sollen (vergleiche die Abbildung unten). Danach soll eine Wärmeleitfähigkeitsmessung durchgeführt werden, die uns auch indirekte Hinweise auf die Verfüllung geben soll. Und dann soll auf die Füllung gedrückt werden, um den Sand zu komprimieren und dem Maulwurf zu helfen. Je nach Ergebnis des Kratzens werden weitere Aktionen zur Verfüllung der Grube geplant werden bevor dann später weiteres Hämmern und ein Free-Mole-Test anstehen.

Logbuch-Eintrag vom 10. August 2020

Nach dem Free-Mole-Test im Juni 2020 (siehe meinen Logbuch-Eintrag vom 7. Juli) beschloss das HP3-Team, den Roboterarm und die Schaufel des InSight-Landers anzuheben, um mit der Instrument Deployment Camera einen freien Blick auf den Maulwurf in der Grube zu erhalten. Einige von uns hatten erwartet – oder eher befürchtet –, dass die Grube mittlerweile kaum noch Sand enthalten würde. Warum? Nun, der Sand, so die Überlegung, hätte sich bei den vorigen Hämmer-Sessions lockern und in mögliche Spalten und Hohlräume in der schon öfter beschriebenen "Duricrust" rieseln können. Schließlich rätseln wir auch heute noch, wohin eigentlich all das Krustenmaterial gekommen ist, seit sich die Grube im März 2019 bildete – es "fehlen" immerhin 300 Kubikzentimeter beziehungsweise circa 200 Gramm.

Maulwurf "undercover"

Und so waren wir durchaus freudig überrascht, als wir auf den Bildern der freiliegenden Grube sahen, dass der Maulwurf weitgehend mit Sand bedeckt war (siehe Bild oben). Nur das hintere Ende, die Back-Cap, und ein paar Zentimeter des Rumpfes ragten noch heraus. Und mehr noch: Es zeigte sich bei Vergleich von Stereoaufnahmen, dass offenbar sogar etwas mehr Sand in der Grube war als zuvor! Wahrscheinlich, weil bei den Hammerschlägen ein Teil des harten Oberflächenmaterials, also der "Duricrust", zermahlen wurde und als "neuer Sand" die Grube angefüllte.

Der Überhang, den ich oben in der Bildbeschreibung ansprach, entspricht wahrscheinlich nicht der Dicke der "Duricrust". Es könnte vielmehr sein, dass diese geschichtet ist. Dafür spricht, dass das Material unter dem Überhang steil ansteht und unsere früheren Abschätzungen ein Ausmaß der "Duricrust" von 20 Zentimetern ergeben haben. Interessanterweise weist der Überhang Risse in regelmäßigen Abständen auf, die zudem erstaunlich breit sind. Die Schichtgrenze oberhalb der gerissenen Krustenschicht könnte die untere Begrenzung der, auf der Kruste aufliegenden, Sandschicht sein.

Nachdem die Bilder von Sol 577 analysiert waren, konzentrierte sich die Diskussion schnell auf Strategien für die nächsten Schritte. Einige von uns sprachen sich dafür aus, die Grube zu füllen, den Sand in der Grube mit der Schaufel zu verdichten und mit ihr schließlich auf den Sand in der verfüllten Grube zu drücken. Die durch den Sand auf den Maulwurf übertragene Kraft sollte ausreichen, um den Rückstoß des Hammermechanismus von etwa sieben Newton auszugleichen.

Andere Teammitglieder schlugen vor, dass wir zuerst versuchen sollten, den Maulwurf ein paar Zentimeter tiefer zu bekommen, indem wir mit der Spitze der Schaufel auf das hintere Ende drücken und dann hämmern würden. Dies wäre ein Vorgehen ganz ähnlich dem Drücken auf die Back-Cap, das wir in den vorigen Wochen erfolgreich eingesetzt hatten. Das Problem ist nur, dass die Schaufel in der vorigen Konfiguration – mit dem Boden nach unten – nicht mehr in das Loch passt. Man kann die Schaufel aber aufstellen und mit der Schneide drücken. Das bedeutet allerdings erhöhtes Risiko abzurutschen und dabei entweder das Kabel zu beschädigen oder gegebenenfalls den Maulwurf nicht am "Rückwärtshämmern" hindern zu können. Ich hatte ja schon früher geschildert, dass das Platzieren der Schaufel riskant ist und millimetergenau vorgenommen werden muss. Mit der Schneide nach unten ist dies noch schwieriger als zuvor.

Zu diesem Zeitpunkt fehlten beiden Seiten der Diskussion wichtige Informationen. So war nicht klar, wie effektiv wir Sand in die Grube kratzen könnten. Und ebenfalls war unklar, wie wir in der derzeitigen Lage am sichersten auf den Maulwurf drücken könnten, ohne einen möglicherweise irreparablen Schaden zu verursachen. Also beschlossen wir, zunächst einen "Kratztest" durchzuführen. Damit gewannen wir auch Zeit, um mit Hilfe von CAD-Modellen der Grube die Platzierung der Schaufel zu planen.

Ich selbst hatte im Vorhinein geschätzt, dass das erste Kratzen mit einer Schaufelreichweite von zwölf Zentimetern die Grube zwar etwas auffüllen, der Maulwurf aber immer noch sichtbar aus dem Sand herausragen würde. Das war im Übrigen für einige die Bedingung, um dem durchaus umstrittenen "Kratztest" zuzustimmen. Wie man auf dem neuen Bild von Sol 600 unten aber sehen kann, war diese Schätzung nicht ganz richtig, aber das Kratzen ein voller Erfolg! Das Kratzen war deutlich effektiver als gedacht und der Sand füllte die Grube nahezu vollständig. Der Maulwurf ist jetzt bedeckt, allerdings liegt auf der Back-Cap nur eine dünne Schicht Sand.
Zum größten Teil lag die Fehleinschätzung daran, dass die Schaufel deutlich tiefer in den Boden eindrang als geplant. Dadurch wurde annähernd das Doppelte an Material eingetragen. Und zum anderen Teil ist der Maulwurf doch etwas tiefer im Boden, als es aus den Stereoaufnahmen zunächst abgeleitet worden war.

Quelle: NASA/JPL-Caltech
Aufnahme von Sol 600: Die Grube nach dem Kratzen mit einer Streichlänge der Schaufel von zwölf Zentimetern. Es ist deutlich zu sehen, dass die Grube so weit gefüllt ist, dass der Maulwurf bedeckt ist.

Das Kratzen hatte darüber hinaus bewirkt, dass die Höhenunterschiede am Rand der Grube zum Teil eingeebnet wurden – und damit das Platzieren der Schaufel einfacher geworden ist. Mit diesem Wissen und mit Unterstützung der Projektleitung haben wir beschlossen, den Maulwurf nun doch mit Hilfe der Schaufel etwas tiefer in den Boden zu bringen. Dazu würden wir allerdings nicht mit der Schneide drücken, sondern mit der 20 bis 30 Grad gegenüber dem Boden angewinkelten Schaufel. Dies ist zunächst einmal eine etwas einfachere, besser planbare und weniger zeitintensive Operation im Vergleich zu einer Abfolge von Kratzbewegungen; möglicherweise verbunden mit Hackbewegungen der Schaufel, um die Grube aufzufüllen. Ich denke, spätestens nach dem Verfüllen der Grube sollten wir dem Rückstoß genügend Kraft entgegensetzen können und der Maulwurf "gräbt" sich dann hoffentlich alleine tiefer in den Marsboden. Drückt die Daumen!

Vielversprechende thermische Werte

Übrigens: Kürzlich führten wir eine neue Messung der Wärmeleitfähigkeit vom Maulwurf zum Boden durch und stellten erfreulicherweise im Vergleich zu früheren Messungen erhöhte Werte fest. Dies deutet darauf hin, dass sich der thermische Kontakt – und damit auch der mechanische Kontakt – verbessert haben. Eine gute Nachricht, die uns weiter optimistisch stimmt.


Die Sammlung der DLR-Blog-Beiträge rund um den #MarsMaulwurf bis einschließlich Juli 2020 findet ihr hier.

Das originale Logbuch des wissenschaftlichen Projektleiters Tilman Spohn in englischer Sprache und seine älteren Beiträge gibt's auf der englischen Website der DLR-Planetenforschung.

Über InSight

Mit der NASA-Landesonde InSight startete am 5. Mai 2018 eine Mission, die mit geophysikalischen Messungen direkt auf der Marsoberfläche den inneren Aufbau und den Wärmehaushalt des Planeten erkunden wird. Das DLR hat mit dem Instrument HP3 (Heat Flow and Physical Properties Package) ein Experiment zu dieser Mission beigesteuert. Am 26. November 2018 ist InSight nördlich des Äquators in der Ebene Elysium Planitia auf dem Mars gelandet.

Es ist das erste Mal seit der Astronautenmission Apollo 17 im Jahr 1972, dass Wärmeflussmessungen mit einem Bohrmechanismus auf einem anderen Himmelskörper durchgeführt werden. Hauptziel des Experiments ist es, aus den Messungen des Wärmeflusses unter der Oberfläche den thermischen Zustand des Marsinneren ableiten zu können. Mit Hilfe der Daten können Modelle der Entwicklung des Mars, seiner chemischen Zusammensetzung und auch des inneren Aufbaus überprüft werden. Aus den Messungen auf dem Mars können auch Schlüsse für die frühe Entwicklung der Erde gezogen werden.

Im virtuellen Kontrollraum kann die Tiefe unseres #MarsMaulwurf verfolgt werden!

Last but not least: Mehr Grafiken zur Mission InSight gibt's auf dem DLR-Flickr-Kanal.

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Über den Autor

Tilman Spohn leitet wissenschaftlich am DLR-Institut für Planetenforschung das Experiment HP 3(Heat Flow and Physical Properties Package) und ist Investigation lead (Instrument-PI) des Experiments im Rahmen der NASA-Mission InSight. Von 2004 bis 2017 leitete er das DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin. Anfang 2019 hat er die Leitung des International Space Science Institute in Bern übernommen. zur Autorenseite

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