Raumfahrt | 03. Dezember 2020 | von Ulrich Köhler

»Sample Return« - Königsklasse der Raumfahrt

Abtrennen der Probenkapsel bei der Rückkehr der japanischen Raumsonde Hayabusa2 zur Erde am 5. Dezember 2020
Quelle: DLR (CC-BY 3.0)
Abtrennen der Probenkapsel bei der Rückkehr der japanischen Raumsonde Hayabusa2 zur Erde am 5. Dezember 2020 (künstlerische Darstellung).

Wenn es 2020 eine Branche oder Wissenschaftsdisziplin gibt, in der das vermaledeite "C-Wort" relativ wenige Spuren hinterlassen hat, dann ist es: die Raumfahrt. Alles fliegt und fällt, Newton und Kepler lassen grüßen. Es führt halt auch kein Weg daran vorbei: Wenn mal eine der teuren Metallkisten in der Erdumlaufbahn oder in den Tiefen des Sonnensystems unterwegs ist, mit oder ohne wertvolle humanbiologische Fracht, dann muss sich jemand am Ende und am Boden auch darum kümmern, dass es weitergeht. Aus naheliegenden Gründen darf die Kontrolle darüber nicht einfach aufgegeben werden, denn das würde ja in den meisten Fällen zum Totalverlust des immer sehr wertvollen Fluggeräts führen.##markend##

Deshalb bietet das Jahresende 2020 noch zwei raumfahrttechnische Glanzlichter ganz besonderer Art. Sie setzen diesem verkorksten Jahr gewissermaßen die Krone (lat.: corona; da ist’s dann doch passiert!) auf. Gleich zwei robotische Missionen werden mit extraterrestrischem Material zur Erde zurückkehren. "Sample Return" nennen das die Fachleute, auch wenn natürlich keine Proben ("samples") dorthin zurückgebracht werden, wo sie vermeintlich herkommen, also auf die Erde, sondern mit der heimkehrenden ("return") Sonde zu uns auf die Erde und nach der Landung in die Labore gebracht werden.

Am Abend dieses Samstags unserer Zeit, beziehungsweise am Sonntag vor Sonnenaufgang auf dem fünften Kontinent, wird eine Probenkapsel an einem Fallschirm in die Wüstenregion des Woomera Range Complex der Royal Australian Air Force herabschweben. Sie enthält wertvolle kosmische Fracht. Viereinhalb Milliarden Jahre alten Staub vom Asteroiden Ryugu. Den hatte die japanische Raumsonde Hayabusa2 zweieinhalb Jahre lang untersucht, dabei das deutsch-französische, am 3. Oktober 2018 über den kilometergroßen Asteroiden hüpfende DLR-CNES-Instrumentenkästchen MASCOT abgesetzt und schließlich selbst an zwei Stellen Proben genommen, um sie jetzt bei der Erde abzuliefern. "Abliefern" ist eine bewusst gewählte Formulierung, denn Hayabusa2 wird nach dem Abtrennen der 16 Kilo schweren Landekapsel die Biege machen und vom Kollisionskurs mit der Erde auf einen Orbit um die Sonne zurückkehren, um 2031 einen weiteren, nur 40 Meter großen und sehr schnell rotierenden Asteroiden zu besuchen.

Quelle: NASA/Ed Shilling
Rückkehr der ersten Hayabusa-Probenkapsel am 14. Juni 2010.

Wenige Tage später, vermutlich in der darauffolgenden Woche, wird sich ein ähnliches Szenario in der Inneren Mongolei abspielen. Dort soll die Probenkapsel der chinesischen Mondmission Chang'e-5 in die winterkalte zentralasiatische Steppe vom Himmel herabschweben, gefüllt mit zwei Kilogramm Mond. Zweimal extraterrestrische Proben in gerade mal einer Woche, "so was hat die Welt noch nicht geseh'n, so schön, so schön!", könnte man die Wissenschaftler fast jubilieren hören. Anlass genug, die tatsächlich sehr seltenen robotischen Probenrückführmissionen, die es in 63 Jahren Raumfahrtgeschichte gegeben hat, einmal vorzustellen - und auch einen Blick auf die größte extraterrestrische Probensammlung zu werfen: Denn die kam zunächst durch Menschenhand auf Raumschiffe und damit auf die Erde: 382 Kilogramm Proben vom Mond, die zwölf Apollo-Astronauten zwischen 1969 und 1972 dort eingesammelt hatten.

Eine "Klammer" der lunaren geologischen Chronologie

Chang'e, die chinesische Mondgöttin, Ausgabe Nr. 5, landete am Nachmittag des 2. Dezember 2020 unserer Zeit im Nordwesten der Mondvorderseite - genauer gesagt in der Nähe des Mons Rümker auf den dunklen Ebenen des Oceanus Procellarum, dem "Meer der Stürme". Der nach dem deutschen Astronomen Carl Rümker (1788-1862) benannte Vulkankomplex fasziniert die Mondgeologen schon seit seiner Entdeckung durch die Lunar-Orbiter-Sonden 1966/67 und vor allem seit der aufregenden Schrägansicht aus dem Fenster von Apollo 15 durch Kommandokapsel-Pilot Alfred Worden im Juli 1971. Mit Proben aus dieser Region könnten die Mondforscher nun das nachholen, was ihnen trotz des Apollo-Probenmaterials nicht vergönnt war, nämlich möglichst junge vulkanische Gesteine zur Erde zu bringen. Jung bedeutet auf dem geologisch seit drei Milliarden Jahren kaum noch aktivem Mond: zwischen einer und zwei Milliarden Jahre alt.

Quelle: CNSA
Panorama an der Chang'e 5-Landestelle im Oceanus Procellarum im Nordwesten der Mondvorderseite.

 

Quelle: NASA/JSC
Der 1100 Meter aus der Vulkaneben des Oceanus Procellarum aufragende Vulkankomplex des Mons Rümker, aufgenommen von Alfred Worden aus dem Fenster der Apollo-15-Kommandokapsel.

Geplant war das eigentlich in den 1970er Jahren mit den Missionen Apollo 18 bis 21, die schon durchexerziert wurden, auch die "Hardware" war schon produziert. Doch US-Präsident Richard Nixon entschied 1970, dass nach Apollo 17 Schluss sein werde - aus Kostengründen zuvorderst, aber auch, weil Nixon etwas angesäuert war, dass er politisch aus den Mondlandungen keinen Nektar mehr zu saugen vermochte. Das führte zu einem wissenschaftlichen Defizit, denn damit konnte die Mondchronologie nicht recht zu Ende geschrieben werden. Es fehlten der Anfang (Proben von den ältesten Gesteinen) und das Ende (die letzten vulkanischen Zuckungen des Mondes).

Alles dazwischen wurde durch die sechs Missionen recht gut erfasst und lieferte über die Altersbestimmungen mittels chemischer Isotopenmessungen präzise Eichpunkte der lunaren 'Impaktchronologie', der Alterskurve geologischer Einheiten. Deren Grundlage ist die Anzahl von Einschlagskratern in allen Größen auf diesen Einheiten: viele Krater = alt, wenige Krater = jung. Alles zunächst relativ, aber mit den Altersmessungen im Labor auch absolut bestimmbar. Chang'e-5 könnte nun einen weiteren "Anker" in dieser Chronologie liefern, denn der Mons Rümker ist eine der jüngsten geologischen Strukturen auf dem Mond. Und es sieht gut aus: Bill Hartmann, einer der großen amerikanischen Mondgeologen und -chronologen, hat die Landestelle auf hochaufgelösten Orbitalaufnahmen unter die Lupe genommen und warf die Aussage in die Community, dass die Region nach der Methode und den Modellen des ehemaligen DLR-Planetenforschers Gerhard Neukum (1944-2014) sogar auf nur 1,7 Milliarden Jahre datiert werden könne. Teile dieser Lavaebenen könnten sogar noch jünger sein. Das ließ den Puls der Mond-Community gleich höherschlagen.

China exerziert am Mond erfolgreich einen Schritt nach dem anderen

Wann Chang'e-5 zur Erde zurückkehrt, ist noch nicht genau bekannt. Die Mission ist vom Design dem Apollo-Programm nicht unähnlich: Hinfliegen - Landemodul abkoppeln und runter auf den Mond - nach getaner Arbeit Aufstieg zum Orbiter - Ankoppeln - zurück zur Erde - Landekapsel abtrennen und hinab durch die Atmosphäre. Ein Zufall ist das sicher nicht, denn mit dem Apollo-Design gelang es immerhin, neunmal zum Mond zu fliegen, sechsmal davon mit Landung. Unfallfrei (fast - siehe Apollo 13). Und 2030, das hat die chinesische Weltraumagentur CNSA schon verlauten lassen, möchte auch das Reich der Mitte mit Menschen zum Mond fliegen. Bisher ist es da anscheinend auf einem guten Weg. Denn Chang'e-5 heißt ja auch: Da gab es vier Missionen davor. Zwei erfolgreiche Orbiter, eine etwas weniger robuste erste Mondlandung mit Rover auf der Mondvorderseite, und vor allem eine Landung mit einem dieses Mal sehr robusten Rover auf der Mondrückseite, inklusive Kommunikationssatelliten, um über Bande den Funkverkehr zu halten. Starke Leistung. Und mit Tianwen-1 steht jetzt auch der Mars, zunächst mal robotisch, auf der Agenda: Ankunft im Februar 2021.

Quelle: DLR (CC-BY 3.0)
Sternenstaub? Asteroidenstaub! Fünf winzige Körnchen vom Asteroiden Itokawa im DLR-Labor, von Hayabusa 2010 zur Erde gebracht.

Raumfahrt ist immer komplex und anspruchsvoll, aber wer ferngesteuert landen, bohren, schaufeln, Proben verstauen und diese dann zur Erde zurückbringen kann, ist in der Königsklasse der Raumfahrt angekommen. Steigerung ist dann das ganze Programm auch mit Menschen durchzuziehen - nennen wir es die "Kaiserklasse". Japan hat in der Königsklasse mit Hayabusa2 bereits das zweite Pferd im Rennen, das erste hiervon war Hayabusa (ohne die "1"). Diese 2003 gestartete Mission nahm im September 2005 Proben auf dem 500 Meter langen Asteroiden Itokawa, ehe es zurück zur Erde ging. Doch dann lief einiges unrund, am Ende aber stand ein Happy End, und der japanischen Raumfahrt gelang eine kaum vorstellbare Rettung der Mission. Nach einer Odyssee mit einer fast vollkommen "flügellahmen" Mission (zwei von drei Drallrädern für die Steuerung der Lage im Raum waren kaputt), gelang es am 13. Juni 2010 den Probenbehälter über Australien abzustoßen. Dort, auch schon in Woomera, wurde die wertvolle Fracht geborgen. Allerdings war die (nicht ganz unerwartete) Enttäuschung groß, als sich herausstellte, dass der Mechanismus zur Probennahme auf Itokawa nicht so funktioniert hatte, wie geplant. Daher wanderten "nur" 1600 Staubkörnchen des Asteroiden in die Labore  - auch ins DLR-Institut für Planetenforschung, wo sie unter Dr. Ute Böttgers Mikroskop begutachtet und mit Ramanspektroskopie analysiert wurden.

50 Jahre robotische Probenrückführung

Wann gelangten die ersten Proben von einem anderen Himmelskörper zur Erde? Nun, das passiert ständig, und zwar seit 4,5 Milliarden Jahren. Dann nämlich, wenn ein Asteroid oder Meteoroid mit der Erde kollidiert und "unten" etwas ankommt, was nicht durch die Reibung in der Atmosphäre verglüht. Das "Unten-Ankommen" kann sehr zerstörerisch sein, wovon die Dinosaurier ein Lied singen könnten, wenn es sie denn noch gäbe: Vor 65 Millionen Jahren wurden sie durch die Folgen des Impakts eines 15 bis 20 Kilometer großen Asteroiden ausgelöscht. Vom Asteroiden ist allerdings nicht mehr viel übrig, das meiste verdampft (die dabei umgesetzte Energie war 10 bis 100 Milliarden Mal so hoch wie bei der Hiroshima-Atombombe.) Aber eine millimeterdünne, weltweit nachvollziehbare Schicht, die mit dem Element Iridium angereichert ist (dessen Isotopenverhältnisse nicht von dieser Erde sind), verrät das katastrophale Ereignis. Sehr viel harmloser sind Meteoritenfälle. Für die Wissenschaft stellen sie ebenfalls wichtiges Probenmaterial aus der Frühzeit des Sonnensystems dar.

Quelle: NASA/JSC
Apollo-12-Astronaut Alan Bean beim Befüllen und Verschließen einer Kapsel mit Mondstaub im südlichen Oceanus Procellarum.

Mit der Raumfahrt aber war es möglich, Proben von genau lokalisierbaren und geologisch mehr oder weniger bekannten Stellen auf anderen Himmelskörpern auf die Erde zu bringen. Hier gibt es auf allen Kontinenten Labore, Institutionen, Wissenschaftler, die sich mit dem ganzen zur Verfügung stehenden analytischen Gerät so lange sie es möchten wieder und wieder mit der Untersuchung dieses Materials beschäftigen können - mit entsprechend tiefergehenden Ergebnissen. Deshalb der große Aufwand, mit Raumsonden zu einem Himmelskörper nicht nur hin-, sondern mit "Handgepäck" auch von ihm zurück zur Erde zu fliegen.

Die Apollo-Mondproben, der "Heilige Gral"

Erstmals gelang dies mit Apollo. Also mit Menschen, nicht robotisch, mit den zwölf Astronauten der sechs auf dem Mond gelandeten Missionen zwischen Juli 1969 und Dezember 1972. Sie brachten 382 Kilogramm Gestein, Staub und (leider nur wenige) Bohrkerne vom Mond zurück. Es ist der "Heilige Gral" der Planetenforschung. Die Untersuchungen revolutionierten unser Bild von der Entstehung und Entwicklung des inneren Sonnensystems, also der fünf Kugeln mit Gesteinskruste und -mantel samt metallischem Kern.

Quelle: NASA/JSC
Transportbox für 21,6 Kilogramm Mondproben von der Apollo-11-Landestelle.

 

Quelle: NASA/JSC
Überführung der ersten Proben vom Mond (von der Apollo-11-Landestelle im Mare Tranquillitatis) in den siebenstöckigen Laborkomplex im Johnson Space Center in Houston.

 

Quelle: NASA/JSC
Robert Gilruth (rechts), Direktor des Johnson-Space-Center, betrachtet die ersten Mondproben auf der Erde im Lunar Receiving Lab.
Quelle: Post der UdSSR
Die Mission Luna 16 (Landung, Rückstart und Ankunft an der Erde) im September 1970 auf Briefmarken der Sowjetunion.

Wenig bekannt ist hier aber eine spektakuläre Facette des damaligen Wettlaufs zum Mond. Apollo 11 startete am 16. Juli 1969, vier Tage später folgte die erste bemannte Mondlandung am 20. bzw. 21. Juli (unserer Zeit) mit Neil Armstrongs berühmtem‚"gewaltigen Schritt für die Menschheit". Bereits drei Tage zuvor, am 13. Juli, hob im kasachischen Baikonur eine Protonrakete ohne Menschen an Bord ab. An ihrer Spitze befand sich die sowjetische Landesonde Luna 15. Sie sollte im Mare Crisium, etwa 500 Kilometer nordöstlich von der "Tranquillity Base", aufsetzen, Proben nehmen und sie ganz schnell zur Erde zurückbringen. Die Mission scheiterte. Neil Armstrong und Buzz Aldrin warteten in der "Eagle" bereits auf ihren Rückstart hoch zu Michael Collins in der Mondumlaufbahn (und mit 21,6 Kilogramm Mondgestein und -staub an Bord), als Luna 15 am 21. Juli um 16:51 Uhr MEZ im Mare Crisium einschlug. (Ob das vom passiven Seismometer-Experiment PSEP noch aufgezeichnet wurde?)

Doch auch bei einem Erfolg von Luna 15 hätte die UdSSR dieses Wettrennen nicht gewonnen. Apollo 11 wäre um einen halben Tag früher auf der Erde zurück gewesen. Wie schon erwähnt, haben noch fünf weitere Apollo-Missionen zum umfangreichsten Bestand von zur Erde gebrachtem extraterrestrischem Material beigetragen. Was der Sowjetunion mit Luna 15 nicht gelang, schaffte sie aber vor fast genau 50 Jahren im September 1970 mit der Nachfolgemission Luna 16 - und nochmals mit Luna 20 (Februar 1972) und nochmals mit Luna 24 (August 1976): Drei Landungen von robotischen Sonden auf dem Mond mit erfolgreicher Entnahme und der Rückführung von 321,1 Gramm Proben – das hat die NASA nicht in ihrer Trophäensammlung (allerdings auch nicht im Programm: der Schwerpunkt lag beim Mond vollkommen auf der astronautischen Raumfahrt). Chang'e-5 wird also die erste Mission nach 44 Jahren sein, die wieder Proben vom Mond zur Erde transportieren soll.

Quelle: Bembmv
Modell der sowjetischen Raumsonde Luna 16 mit der Rückkehrkapsel für die Proben an der Spitze, ausgestellt im Kosmonautenmuseum Moskau.

 

Quelle: DLR (CC-BY 3.0)
Phiole mit einer Probe von lunarem Basalt aus dem Mare Crisium der Mission Luna 24 (1976) im DLR-Institut für Planetenforschung.

Sternenstaub, die Schöpfung - und der Weltfrieden

Was kam noch mit Raumsonden aus dem All zur Erde? Nicht viel! Neben Apollo brachten auch russische Kosmonauten Partikel aus dem All zur Erde zurück. Diese stammten von der legendären Raumstation Mir ("Weltfrieden"), an deren Außenwand das Earth-Orbital-Debris-Collection-Experiment (ODC) 18 Monate lang angebracht war. In den Jahren 1996 und 97 wurden hiermit interplanetare Staubpartikel, aber auch menschengemachter Staub aus der Erdumlaufbahn, in einem Aerogel eingefangen.

Nicht-anthropogene Partikel einzufangen war dann das Ziel der NASA-Mission Genesis ("Schöpfung"), gestartet 2001. Sie sammelte etwa 15.000 Sonnenwindpartikel auf einem komplexen Orbit jenseits der Erdbahn ein. Die Rückkehrkapsel drang am 8. September 2004 in die Erdatmosphäre ein, doch leider öffneten die Bremsfallschirme nicht, sodass sich die Kapsel mit 300 Stundenkilometer in die Wüste Utahs rammte und aufplatzte. Eigentlich hätte ein Helikopter den Probenbehälter, der an der Kapsel hing, in der Luft einfangen sollen, ein ohnehin verwegenes Manöver! Durch die missglückte Landung waren die Proben zum Teil kontaminiert, aber ein Teil konnte gerettet und untersucht werden, die Mission war also kein vollständiger Erfolg. Immerhin handelte es sich dabei um die ersten Proben, die jenseits des Mondes aufgenommen wurden.

Quelle: NASA
Die Raumstation Mir, aufgenommen aus dem NASA-Space-Shuttle Atlantis nach dem Abkoppeln am 4. Juli 1995.

Zwei Jahre später aber brachte die NASA-Sonde Stardust ("Sternenstaub", gestartet 1999) interplanetaren Staub in einer Kapsel zur Erde. Diesen hatte sie in zwei mehrwöchigen Phasen in den Jahren 2000 und 2002 gesammelt. Ebenso konnte sie Staub aus der Koma des Kometen Wild 2 aufnehmen, als sie am 2. Januar 2004 an dessen Kern vorbeiflog. Proben von Kometen stehen ohnehin ganz oben auf dem Wunschzettel der Wissenschaft: So gibt es gegenwärtig Überlegungen, eine zweite Mission zum Kometen 67P/Churyumov-Gerasimenko zu schicken - dieses Mal aber mit der Rückführung von Proben zur Erde. Der Komet wurde von 2014 bis 2016 im Rahmen der großen europäischen Kometenmission Rosetta mit dem Landemodul Philae erforscht. Solch eine zweite Mission würde die unzähligen bei Rosetta gewonnenen Erkenntnisse vertiefen, verfestigen - oder in manchen Fällen vielleicht auch verwerfen.

Quelle: NASA
Sternenstaub? Kometenstaub! - Die unbeschädigt zur Erde zurückgekehrte Kapsel der Stardust-Mission mit Staub des Kometen Wild 2.

Die nächsten Proben sind schon im Anflug

In dieser für die Erforschung der Körper des Sonnensystems so aufregenden Woche sei zum Schluss noch daran erinnert, dass nach Hayabusa2 und Chang'e-5 noch eine Raumsonde (bald) auf dem Weg zur Erde ist, ihr Probensäckchen ist schon reichlich gefüllt. Am 20. Oktober 2020 setzte die NASA-Sonde OSIRIS-REx für wenige Sekunden ihr Sammelrohr für die Probenentnahme auf dem 500 Meter großen Asteroiden Bennu auf (der dem Hayabusa2-Asteroiden Ryugu äußerlich sehr ähnlich ist, aber einer anderen Klasse von Kleinkörpern angehört). Die Fotos zeigten, dass die Beute reichlich war, allerdings konnten die Klappen des Probenbehälters zunächst nicht richtig geschlossen werden, sodass auf ein Manöver, bei dem die Sonde mit dem "ausgestreckten Arm" in Rotation versetzt und damit die Masse der Proben bestimmt werden sollte, verzichtet wurde. Inzwischen ist mit der Probenrückkehrkapsel alles in Ordnung. Sie ist versiegelt, und die NASA rechnet mit einer Ausbeute zwischen 60 und 2000 Gramm. Im März 2021 öffnet sich das Zeitfenster für die Rückkehr zur Erde. Stand heute soll die Probenkapsel von OSIRIS-REx am 24. September 2023 auf der Erde landen, wieder im Test- und Trainingsgelände der US-Luftwaffe in Utah.

Quelle: NASA
Der etwa 500 Meter große Asteroid Bennu, aufgenommen von der NASA-Raumsonde OSIRIS-REx.

 

Quelle: NASA
Der Probencontainer von OSIRIS-REx wird in der Rückkehrkapsel verstaut.

Fas-zi-nie-rend! Aufregend und begeisternd - aber nichts für schwache Nerven

Aufregende Zeiten sind das für die Erforschung des Sonnensystems mit Raumsonden, die wie gezeigt gelegentlich auch zur Erde zurückkehren können, was freilich keine leichte Sache ist. Für die Verantwortlichen ist vor allem noch einmal das Finale ein Moment riesiger Anspannung und kann im Falle eines Scheiterns nach so vielen Jahren des Wartens Züge einer Tragödie annehmen: Kommt so eine Sonde doch mit über zehn Kilometer pro Sekunde an der Erde an und dringt mit Highspeed ballistisch, also ohne Bremstriebwerke, in die Atmosphäre ein. Dabei wird sie zwar schön abgebremst, aber eben auch auf bis zu 1500 Grad Celsius aufgeheizt: Das muss die Hülle aushalten, wofür es edle Metalllegierungen gibt, und der wertvolle Inhalt gut geschützt sein. Der Fallschirm muss sich entfalten. Und die Kapsel am Ende auch gefunden werden. Das ist nicht vergnügungssteuerpflichtig und gewiss nichts für schwache Nerven. Aber dann doch so großartig, wenn es geklappt hat.

Quelle: NASA/JPL-Caltech
Künstlerische Darstellung des NASA-Rovers Perseverance auf dem Mars. Ankunft: 18. Februar 2021. Probencontainer mit Bohrkern-Metallröhrchen (links).

Das aufregendste Projekt dieser Art zeichnet sich auch schon am Horizont ab. Am 18. Februar 2021 landet die NASA-Mission Mars 2020 mit dem Rover Perseverance auf dem Mars. Sie wird in die Steine, über die sie fährt, bohren und drei Dutzend kleine Probenröhrchen hinterlassen. Diese werden von einer robotischen ESA-Mission in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts aufgesammelt und dann von einer gemeinsamen NASA-ESA-Mission zur Erde gebracht. Da wird es am Ende auch wieder bange Minuten beim heißen Ritt durch die Erdatmosphäre geben. Davor aber, und das wird das erste Mal sein, auch bange Minuten beim Aufstieg der Rückkehrsonde durch die Gashülle des Mars. Alles geht eben immer noch eine Stufe schärfer!

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Über den Autor

Ulrich Köhler ist Planetengeologe am DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin-Adlershof. Dort gehört er - kaum, dass er über 30 Jahre beim DLR ist - mittlerweile auch schon zum "spätmittelalterlichen" Eisen und kann mit Begriffen wie Apollo, Viking oder Voyager im Gegensatz zu manchem Masterstudenten noch etwas anfangen. zur Autorenseite