Raumfahrt | 23. Februar 2021 | von Nicole Schmitz

"Wir" sind auf dem Mars! Es geht los!

Quelle: NASA/JPL-Caltech
Erstes, hochauflösendes Farbbild von der Landestelle im Krater Jezero, aufgenommen von der sogenannten Hazard Avoidance Camera (HazCam).

Am 18. Februar 2021 ist der Rover "Perseverance" der NASA-Mission Mars 2020 sicher und wohlbehalten auf dem Mars gelandet. Nun kann die zunächst auf zwei Jahre angelegte Forschungsmission beginnen. Die DLR-Wissenschaftlerin Nicole Schmitz wird gemeinsam mit ihrem Kollegen Frank Preusker im DLR-Blog regelmäßig über den Verlauf der Mission und des Kamera-Experiments berichten, an dem sie beteiligt sind. Beide sind im "Mastcam-Z"-Wissenschaftsteam, der Stereokamera auf dem etwa zwei Meter hohen Mast von Perseverance.

Wir sind auf dem Mars! Mit diesem Gedanken wache ich momentan täglich auf. Natürlich sind nicht "wir" auf dem Mars, aber ein bisschen fühlt es sich so an, seit Perseverance, der Rover der NASA-Mission Mars 2020, am Donnerstag, dem 18. Februar, um 21:55 Uhr MEZ auf dem Marsboden im Jezero Krater gelandet ist. Ganz sanft abgesetzt vom Sky Crane, dem Himmelskran, der auch schon Curiosity vor fast neun Jahren sicher im Krater Gale abgeliefert hatte. Abgeliefert? Das war ein Raumfahrtmanöver der Extraklasse, und erst das ermöglicht es uns Wissenschaftlern, jetzt mit den Aufgaben der Mission zu beginnen. ##markend##

Denn zuvor mussten der Rover und das gesamte Team die "Sieben Minuten des Schreckens" überstehen, die "7 Minutes of Terror", wie die gigantischen technischen Hürden einer Marslandung in einem legendären Video von der NASA 2012 beschrieben wurden. Eine weiche Landung eines Gefährts von etwas mehr als einer Tonne Masse auf dem Mars, in einem uralten ausgetrockneten Kratersee, nicht weit entfernt von den steilen Hängen eines alten Flussdeltas - das ist eine technische Meisterleistung. Die Atmosphäre des Mars ist dünn, zu dünn, um erprobte Abstiegs- und Landemanöver anwenden zu können.

Die Geschwindigkeit, mit der die Landesonde mit dem Rover hinter dem Hitzeschutzschild und der hinteren Abdeckung in die oberen Atmosphärenschichten eintritt, ist sehr hoch - circa 19.500 Kilometer pro Stunde. Innerhalb von nur sieben Minuten muss diese Geschwindigkeit auf Null reduziert werden. Und das komplexe Manöver muss autonom ablaufen. Der Kontrollraum kann nicht eingreifen, denn die Signallaufzeit zwischen dem Mars und der Erde beträgt an diesem Tag 11 Minuten und 22 Sekunden. Wenn im Kontrollraum das Signal empfangen wird, dass der Eintritt in die Atmosphäre beginnt, ist der Rover in Wirklichkeit schon gelandet. Ob in einem Stück oder nicht, ist dann noch ungewiss.

Quelle: © DLR. Alle Rechte vorbehalten
Daniela Tirsch (li.) und Nicole Schmitz während ihres Live-Kommentars zur Landung von Perseverance.

Die Anspannung am Abend des 18. Februar ist mit Händen greifbar. Leider sind wir in diesen Zeiten, in denen die Pandemie jedwede Normalität und also auch gemeinsames Bibbern und Jubeln verhindert, weder in meinem Science-Team der Mastcam-Z beieinander noch mit den Kolleginnen und Kollegen im großen Vortragsraum des DLR in Berlin - wie es bei vergleichbaren Anlässen oft der Fall ist. Stattdessen sitze ich in vorgegebenem Sicherheitsabstand zu meiner Kollegin, der Marsgeologin Daniela Tirsch, in unserer Planetaren Bildbibliothek vor dem großen Flachbildschirm, wo ich die Ereignisse verfolge und uns dabei eine Filmcrew des ZDF über die Schulter schaut. Unser Kollege Ernst Hauber sitzt derweil im Bayerischen Rundfunk, wo eine Sondersendung live für ARD Alpha aufgenommen wird und teilt seine Ereignisse von dort mit den Zuschauern. Zuvor hatten mein Kollege Frank Preusker und ich noch die Zuschauer des Livestreams der Stiftung Planetarium Berlin über Perseverance und den Anteil des DLR an der Mission informiert. Die entscheidenden sieben Minuten werden live auf zdf.de gesendet, und im "heute journal up:date" nach Mitternacht sieht man unsere Freude und Erleichterung.

Auf dem Mars zu landen, ist immer ein Wagnis, viele Landungen sind missglückt. Doch die NASA hatte tatsächlich nur einen Fehlversuch mit dem Mars Polar Lander (1999) und ansonsten vor Mars 2020/Perseverance acht perfekte Landungen - und bei diesen Missionen gelang jede Landung besser als die vorherige.

"Touchdown confirmed"

Quelle: NASA/JPL-Caltech
Die Freude ist groß: Blick in den Kontrollraum am Jet Propulsion Laboratory der NASA nach der geglückten Landung des Rovers.

Auch an diesem Abend geht alles gut, und bereits kurz nach den kaum erträglichen Minuten vor der Landung und dann der erlösenden Nachricht "Touchdown confirmed" kommt auch das erste Foto im Kontrollraum an. Was für ein Gefühl! Über sieben Jahre nach Beginn der Arbeiten an der Mission sehen wir das rechte Vorderrad des Rovers auf rötlichem Boden stehen. Fotografiert von der sogenannten Hazard Avoidance Camera (HazCam), zwei auf Höhe des Roverdecks (vorne und hinten) angebrachte Kameras. Das Foto ist zwar verschwommen, da es durch die Staubschutzkappe aufgenommen wurde, die noch vor der Linse ist. Aber für mich ist es das schönste Foto, das ich seit langem gesehen habe.

Quelle: NASA/Bill Ingalls
Nur wenige Augenblicke nach der erfolgreichen Landung von Perseverance auf dem Mars treffen die ersten Bilder im Kontrollraum im Jet Propulsion Laboratory der NASA ein.

Nach einem Glas Sekt mit ein paar "Auserwählten", den Kollegen und Kolleginnen des DLR Mastcam-Z Teams und der DLR-Kommunikation, geht es dann sieben Stunden nach der Landung und noch immer mitten in der Nacht schon in die erste Besprechung des Mars2020-Wissenschaftlerteams. Nach knapp zwei Stunden Schlaf setze ich mich um fünf Uhr früh deutscher Ortszeit an den Laptop. Gut 200 Kollegen aus Europa und den USA sind zusammengeschaltet. Die Stimmung ist geprägt von Begeisterung, aber auch angespannter Erwartung. Alle wissen: jetzt geht es los! In realitätsnahen Übungsszenarien hat sich das gesamte Team seit 2017 darauf vorbereitet. Die Landung ist vollbracht, was für eine perfekte Leistung der Ingenieure am JPL. Ohne sie wäre all das nicht möglich, was jetzt kommen soll. Jetzt sind wir gefordert. Jetzt wird es für uns ernst.

Quelle: NASA/Emma Howells
Das Empire State Building in New York erstrahlt anlässlich der Landung auf dem Mars in Rot.

Wir nehmen uns ein paar Minuten, um diesen besonderen Moment zu feiern. Die Projektleiter der NASA würdigen das gesamte NASA-Team, das den Rover zum Mars gebracht hat. Auch wenn ich mich wiederhole, man kann es nicht oft genug sagen: Diese Präzision! Das letzte Bahnkorrekturmanöver zwei Tage vor der Landung wurde - gestrichen, da es nicht notwendig war! Nach über 400 Millionen Kilometern 'Cruising' war Mars 2020 exakt auf Kurs. Die angepeilte Eintrittsstelle in der Marsatmosphäre würde haargenau getroffen werden. Deshalb auch im Team: Applaus! Zitate werden ausgetauscht. Mein Favorit kommt vom wissenschaftlichen Leiter der Mastcam-Z, Jim Bell von der Arizona State University, der schon ein paar Jahrzehnte wissenschaftlich im Sonnensystem und auf dem Mars 'unterwegs' ist:

"We have an unknown distance yet to run, an unknown river to explore. What falls there are, we know not; what rocks beset the channel, we know not... With some eagerness, and some anxiety, and some misgiving, we enter the canyon below, and are carried along by the swift water."
Das Zitat stammt von John Wesley Powell, der 1869 die berühmte erste Expedition zur Erkundung des Grand Canyon im Hochland von Arizona leitete.

OK, wir sind da. Gemeinsam staunen wir über die ersten Fotos, die die Satelliten Mars Reconnaissance Orbiter, MAVEN und der europäische ExoMars Trace Gas Orbiter Bit für Bit von den Datenspeichern des Rovers herunterladen und zur Erde übertragen. Und es gibt eine weitere Runde Applaus für die Kollegen, die für die Planung dieser ersten Aufnahmen verantwortlich waren. Die HiRISE-Kamera hat den Rover in seiner Landeeinheit am Fallschirm über Jezero schwebend aus 700 Kilometer Entfernung aufgenommen, und die Kameras des Sky Cranes liefern uns ein sensationelles Bild des Rovers, wie er an Seilen abgelassen wird, kurz vor dem Touchdown. Gänsehaut.

Quelle: NASA/JPL-Caltech
Dieses hochauflösende Standbild ist Teil eines Videos, das von mehreren Kameras während der Landung des Perseverance-Rovers auf dem Mars aufgenommen wurde. Es stammt von einer Kamera an Bord der Abstiegsstufe.

"Parken können sie!"

Dann schauen wir uns das erste Mal ein Stück des Bodens des Jezero-Kraters aus der Perspektive des Rovers an. Es ist nur ein kleines Stück Oberfläche, das uns die Aufnahmen der beiden Hazard Avoidance Kameras zeigen, aber wir sehen felsigen Untergrund ('bedrock', also das Grundgestein), loses Bodenmaterial, Dünen, helles und dunkles Gestein, Geröll, und sogar in einiger Entfernung den Horizont. In den Monaten zuvor hatten wir das Gebiet bereits intensiv studiert, anhand von hochauflösenden Aufnahmen und spektroskopischen Daten, geliefert von Forschungssatelliten im Mars-Orbit.

Die ungefähre Landestelle und die Position des Rovers sind bereits ziemlich genau bekannt. Die Landestelle liegt nur wenige Meter entfernt vom berechneten Landepunkt in der Landeellipse, die JPL-Ingenieure haben eine grandiose Arbeit geleistet! Ein britischer Kollege witzelt: "Parken können sie!". Wir vergleichen, was wir sehen, mit dem, was wir von den Orbiterdaten wissen. Es gibt erste wissenschaftliche Diskussionen über mögliche geologische Interpretationen. Unter anderem wird intensiv über die Textur der Gesteine in der unmittelbaren Umgebung des Rovers diskutiert: Die Fotos zeigen viele kleine Löcher im Gestein, die sowohl durch sedimentäre als auch vulkanische Prozesse entstanden sein könnten.

Quelle: NASA/JPL-Caltech/University of Arizona
Abstiegsstufe des NASA-Rovers Perseverance mit dem Fallschirm während des Falls durch die Marsatmosphäre. Dieses Bild wurde am 18. Februar 2021 von der Kamera des High Resolution Imaging Experiment (HiRISE) an Bord des Mars Reconnaissance Orbiters aus 700 Kilometer Entfernung aufgenommen. Das alte Flussdelta im Jezero-Krater, das Hauptziel der Mission, liegt links der Bildmitte.

Jetzt, in den Tagen nach der Landung, passiert viel. Der Rover wird System für System, Instrument für Instrument in Betrieb genommen. Die anderen Kameras auf dem Rover liefern noch bessere, noch höher aufgelöste Bilder aus verschiedenen Perspektiven. Der Abgleich mit Kartenmaterial aus dem Orbit (u.a. Daten der HiRISE-Kamera auf dem Mars Reconnaissance Orbiter und den digitalen Geländemodellen, die mit dem DLR-Kamerasystem HRSC auf der ESA-Raumsonde Mars Express berechnet wurden ), und mit Aufnahmen der Rover-Kameras während der Landung ermöglicht die genauere Lokalisierung der Landestelle. Markante Geländepunkte wie Gesteinsformationen oder der mehrere hundert Meter hohe Rand des Kraters Jezero sind auf den Fotos zu sehen, und so kann das Mapping Team genau sagen, wo sich der Rover befindet und in welche Richtung er ausgerichtet ist.

Am Sonntag, dem 22. Februar, wurde schließlich auch der Mast des Rovers aufgerichtet, der während des Flugs zum Mars sicher auf dem Roverdeck verstaut war. Das ermöglicht erste Aufnahmen mit den Navigationskameras und - endlich! - auch mit der Mastcam-Z, dem Experiment, an dem auch ich beteiligt bin. Aus zwei Metern Höhe über der Oberfläche bekommen wir ein erstes 360-Grad-Panorama der Landestelle in Farbe. 

Quelle: NASA/JPL-Caltech
Eines der sechs Rover-Räder auf dem Mars, aufgenommen von einer der beiden Hazard Avoidance Cameras (HazCam).

Da steht Perseverance jetzt also, in der Ebene des Jezero-Kraters, im Nordwesten und Westen die Abhänge der Front des Flussdeltas in Sichtweite. Bilder und Daten der Instrumente und Roversysteme werden täglich vom Rover zu den diversen Sonden in der Umlaufbahn hochgeladen und von deren Sendeantennen zur Erde übertragen. Dort werden die Signale von den 70-Meter-Antennen des Deep Space Network der NASA (und zeitweise auch den ESA-Antennen) empfangen und ins Kontrollzentrum nach Pasadena weitergeleitet und schließlich den Teams zugeführt.

Es wird noch einige Tage dauern, bis alle Systeme und Instrumente durchgecheckt und betriebsbereit sind, und es gibt noch viel an Ort und Stelle zu tun, bis Perseverance seinen ersten Meter fährt. Es bleibt spannend!

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Über den Autor

Nicole Schmitz ist Planetenforscherin und Ingenieurin am Institut für Planetenforschung des DLR in Berlin, Deutschland. Die Forschungsgruppe konzentriert sich auf die Erforschung der planetaren Geologie mit Hilfe von Daten, die von Kameras, Spektrometern und anderen Instrumenten auf verschiedenen Raumfahrtmissionen gewonnen werden. Schmitz war am Design und der Entwicklung von Instrumenten für planetare Erkundungsmissionen, an der Missionsplanung und -durchführung sowie an wissenschaftlichen Aktivitäten für Mars-, Jupiter-, Mond- und Asteroidenmissionen beteiligt. zur Autorenseite