Luftfahrt | 01. September 2021 | von Bernd Kärcher

Ruß im Flugzeug-Abgas und die Klimawirkung des Luftverkehrs

Kondensstreifen am Himmel
Quelle:DLR (CC BY-NC-ND 3.0)
Flugzeugtriebwerke stoßen Rußpartikel aus, die als „Kondensationskeime“ wirken. Kleine kalte Wassertropfen gefrieren sofort zu Eiskristallen und werden als Kondensstreifen am Himmel sichtbar.

Flugzeugemissionen sind mit zahlreichen Umweltproblemen verbunden. In der Forschung werden seit langem die verschiedenen Arten der Emissionen untersucht, um zu verstehen, wie der Luftverkehr die Zusammensetzung der Atmosphäre, die Bewölkung und das Klima verändert. Flugzeugkondensstreifen sind vom Menschen geschaffene Eiswolken. Meine Arbeit zeigte in den 1990er Jahren, dass die physikalischen Eigenschaften der weißen, hauchdünnen Spuren, die Flugzeuge in den Himmel malen, am besten durch ihre Rußemissionen erklärt werden können – Partikel aus schwarzem Kohlenstoff und kondensierbaren Substanzen wie etwa Schwefelsäure, die bei der Verbrennung von fossilem Treibstoff wie Kerosin entstehen.##markend##

Eiskristalle in Kondensstreifen bilden sich um die winzigen Rußpartikel, die von Flugzeugtriebwerken ausgestoßen werden. Sie sind kleiner als ein Tausendstel einer Haaresbreite. In Gebieten mit hohem Verkehrsaufkommen und bei günstigen Wetterbedingungen bleiben Kondensstreifen bestehen, breiten sich aus und bilden schließlich ausgedehnte Kondensstreifen-Zirren in Reiseflughöhe, wo die Luft typischerweise kälter als minus 40 Grad Celsius und manchmal feucht genug ist, um Eiswolken für einen Großteil des Tages zu erhalten. Während „junge“ Kondensstreifen linienförmig sind, weisen „gealterte“ Kondensstreifen-Zirren eine Vielzahl von Formen auf und können schwer zu identifizieren oder von anderen, natürlichen Zirruswolken zu unterscheiden sein.

Man weiß, dass die direkte atmosphärische Erwärmung durch Flugzeug-Rußemissionen nur eine sehr kleine Rolle spielt. Die Masse an Ruß ist insgesamt zu gering. In den letzten Jahren quantifizierten Klimamodelle erstmals den signifikanten Einfluss von Kondensstreifen-Zirren auf die Energiebilanz der Erde. Beobachtungen bestätigten den Zusammenhang zwischen der Anzahl der emittierten Rußpartikel und der Eiskristallanzahl in den Kondensstreifen. Allerdings wurden nicht alle Fragen rund um den Rußausstoß von Flugzeugen und das Thema Wolkenbildung beantwortet - einige Felddaten deuteten auf Wechselwirkungen zwischen Ruß und natürlichen Zirren hin. Dies lässt darauf schließen, dass sich durch Rußpartikel nicht nur Kondensstreifen-Zirren bilden, sondern dass sie auch andere, natürlich bestehende Eiswolken beeinflussen könnten.

Während das wissenschaftliche Verständnis der Kondensstreifenbildung auf emittierten Rußpartikeln wuchs, blieb die  Ruß-zu-Kondensstreifen-zu-Zirruswolken-Verbindung bis heute auf der Liste der drängenden Forschungsfragen, da ein Verständnis der genauen Abläufe und direkte Beobachtungsnachweise fehlten. Einige Klimamodelle prognostizierten ein sehr großes globales Strahlungsungleichgewicht (Strahlungsantrieb) durch von Flugzeug-Ruß verursachten Zirrusveränderungen. Als Strahlungsantrieb wird ein Maß zur Bezifferung menschgemachter Klimaeffekte bezeichnet. Je höher der Wert, desto größer die Wirkung eines Faktors – wie hier der Rußemissionen von Flugzeugen – auf das Klima. Ihr Strahlungsantrieb würde den aller anderen Komponenten des Luftfahrtantriebs zusammen in den Schatten stellen.

Um Veränderungen der Bewölkung durch den Flugverkehr zu quantifizieren, das heißt in Zahlen auszudrücken, müssen wir verstehen, wie sich Eiswolken bilden. Nach mehr als zwei Jahrzehnten Arbeit zum besseren Verständnis der Zirrus- und Kondensstreifenbildung und ihrer Darstellung in globalen Klimamodellen schloss sich der Kreis meiner wissenschaftlichen Forschung, als ich erfuhr, dass Labormessungen einen entscheidenden Schritt zur Lösung eines noch offenen Rätsels darstellten: Wie und unter welchen Bedingungen bilden Rußpartikel Wolkeneiskristalle? Ich habe mich mit Fabian Mahrt in Kanada und Claudia Marcolli in der Schweiz zusammengetan. Sie haben die Labordaten erhoben und analysiert. Diese Messungen belegen, dass die Eisbildungsfähigkeit von Rußpartikeln von ihrer Verweildauer in der Atmosphäre abhängt und mit ihrer Größe stark abnimmt. Ich habe die neuartige Darstellung der durch Ruß verursachten Eisbildung in ein detailliertes, hochauflösendes Zirrusmodell integriert. Gemeinsam haben wir das schwer fassbare Ruß-Zirrus-Problem – im Gegensatz zu bisherigen Ansätzen – in unserer jüngsten Publikation aus einem radikal anderen Blickwinkel in Angriff genommen.  

Die Vorhersage, wie Rußemissionen von Flugzeugen das Klima durch Wechselwirkungen mit Zirren beeinflussen, ist mit Hilfe von Wolkenmodellen nur eingeschränkt möglich. Das liegt zum Teil an der großen Variabilität der atmosphärischen Faktoren, die die Wolkenbildung steuern. Unsere Strategie war daher, den Einfluss von Flugzeug-Ruß in unserem Modell absichtlich sehr hoch abzuschätzen, um den maximal denkbaren Effekt auf die Zirrusbildung zu bestimmen.

Unsere Arbeit stellt eine weitverbreitete Meinung auf den Kopf: Nur die von Flugzeugen ausgestoßenen Rußpartikel, die zuvor Kondensstreifen gebildet haben, üben einen begrenzten Effekt auf Zirruswolken aus. Das liegt vor allem an ihrer geringen Größe. Weniger als eines von hundert Rußpartikeln weist eine signifikante Eisaktivität auf. Es ist erstaunlich, dass bereits nur eine Handvoll eisaktiver Rußpartikel in einem Liter Luft in Reiseflughöhe ausreicht, um die Gesamtzahl und mittlere Größe der Eiskristalle in einer Zirruswolke zu verändern. Wir stellen fest, dass die Rußpartikel die optische Dicke der Wolke nicht wesentlich verändern. Dies schränkt den Strahlungsantrieb von Flugzeug-Ruß-Zirrus-Wechselwirkungen, also deren Wirkung auf das Klima, stark ein.

Die wissenschaftliche Gemeinschaft ist nun am Zug, spezielle Feldmessungen zu entwickeln, den begrenzten Effekt von Flugzeug-Rußemissionen auf Zirren zu bestätigen und die in globalen Klimamodellen programmierten Wolkenschemata zu verbessern. Solche Modelle werden benötigt, um die Klimaauswirkungen aufgrund der indirekten, durch Rußpartikel verursachten Zirrusveränderungen zu quantifizieren, von denen wir jetzt erwarten, dass sie viel kleiner als die direkten Auswirkungen aufgrund von anhaltenden Kondensstreifen und Kondensstreifen-Zirren ausfallen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass von Flugzeugen emittierte Rußpartikel Kondensstreifen-Zirren bilden und dass sie  Zirren verändern können. Dies sind zwei unterschiedliche Sachverhalte, da wir wissen, dass Eiskristalle durch Ruß aus Düsentriebwerken auf eine andere Art und Weise entstehen als sie sich natürlich in der Atmosphäre bilden. Die beiden Themen sind dennoch miteinander verbunden, denn es sind nur die Rußrückstände, die von sich auflösenden Kondensstreifen freigesetzt werden und die unter atmosphärischen Bedingungen die Fähigkeit zur Eisbildung entwickeln. Unsere Studie zeigt jedoch, dass diese Fähigkeit und der Effekt, den sie auf die optische Dicke von Zirren haben, selbst unter den günstigsten Bedingungen viel schwächer sind als bisher angenommen.

Die Zukunft der Luftfahrt – alternative Treibstoffe reduzieren Rußemissionen und Kondensstreifen

Jüngste Messungen mit Forschungsflugzeugen untersuchten systematisch, wie Kerosin, dem alternative Flugzeugtreibstoffe beigemischt werden, die Anzahl der Eiskristalle in Kondensstreifen reduziert – geleitet von einem theoretischen Verständnis des durch Ruß verursachten Eisbildungsprozesses. Um die Eiskristallmenge in Kondensstreifen deutlich zu senken, sind große Reduzierungen der Rußpartikelanzahl erforderlich. Die niedrigen Rußemissionen, die nötig sind, um den Einfluss der Kondensstreifen auf das Klima signifikant zu reduzieren, erfordern die Verwendung von reinen alternativen Treibstoffen. Die Bemühungen, die Rußemissionen von Flugzeugen deutlich zu senken, können durch die Einführung neuer Antriebstechnologien ergänzt werden, die auf einem besseren Verständnis der Rußbildungsprozesse in den Brennkammern von Flugzeugtriebwerken basieren.

Dieser Blogbeitrag beruht auf meinem behind-the-paper-Artikel, der in der Nature Sustainability Community veröffentlicht wurde. Das Original finden Sie hier.

 

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Über den Autor

Bernd Kärcher arbeitet seit 1997 am DLR-Institut für Physik der Atmosphäre und hat seit 2006 eine außerplanmäßige Professur an der Fakultät für Physik der Ludwig-Maximilians-Universität München inne. Er leitete eine Reihe von forschungsbereichsübergreifenden DLR-Projekten zum Thema Luftverkehr und Klima. zur Autorenseite