Raumfahrt | 10. Dezember 2021 | von GSOC-Team

Training für den Ernstfall

Quelle: NASA
Kayla Barron und Matthias Maurer während des Emergency Trainings im Juni 2021 in Houston. Alle Notfälle werden im Rahmen der Missionsvorbereitung gründlichst auf der Erde geübt.

Letzte Woche hatten wir die jährliche Sicherheitsunterweisung hier bei uns im Kontrollzentrum – nicht besonders aufregend, aber doch wichtig. Ich wusste schon nicht mehr, wo der Sammelplatz wäre, wo sich der nächste Feuerlöscher befinden würde oder wer bei uns jetzt Ersthelfer wäre. Immer Konjunktiv, weil: Meistens braucht man diese Fakten ja glücklicherweise nicht – aber wenn es doch etwa zu einem Feuer käme, dann kann die Info überlebenswichtig sein.##markend##

Aus dem gleichen Grund üben wir mit den Astronautinnen und Astronauten auf der Internationalen Raumstation ISS zusammen auch immer wieder den Ernstfall – On-Board Training (OBT) nennt sich das. Ein Team von Trainern aus allen ISS-Kontrollzentren stellt ein oder zwei Übungsszenarien zusammen, die dann – über „green cards“ choreographiert und inszeniert – von den Flight Controllern an den Konsolen und den Astronautinnen und Astronauten zusammen durchgespielt werden.

Diesmal traf es bei uns Daria als Flugdirektorin, Alexander als STRATOS und Uwe als EUROCOM – und zwar gleich richtig: Weil das Feuer – denn für diesen Notfall hatten sich die Trainer entschieden – wurde im Columbus-Modul vermutet, und zwar innerhalb unseres European Physiology Modules (EPM)!

Quelle: DLR
Für alles gibt es Prozeduren auf der ISS, um für jegliche Szenarien vorbereitet zu sein - auch für Brandfälle.

Aber der Reihe nach: Nach einem Briefing durch die Trainer für uns und die Crew der ISS, bei dem nochmals darauf hingewiesen wurde, dass Notfallknöpfe nicht wirklich gedrückt und Notfallkommandos nicht wirklich geschickt werden sollten, dass jeder Funkspruch im Rahmen der Übung mit „For the training exercise“ begonnen werden sollte, und dass die Übung abzubrechen sei, wenn sich eine wirkliche Notlage entwickeln sollte, begaben sich die Astronautinnen und Astronauten zu der Stelle in der Raumstation, an der sie laut Drehbuch gerade arbeiten sollten.

Dann der – ebenfalls im „Bord-Drehbuch“ geskriptete Notruf der ISS an uns: „Wir sehen Rauch im Node 2!!“. Zeitgleich bekam auch unser STRATOS die Regieanweisung, dass die Werte des Rauchmelders in EPM erhöhte Werte zeigten.

Für die Besatzung der Raumstation läuft jetzt erstmal ein Standardprogramm los: „Warn, gather, fight“: Als erstes sicherstellen, dass jeder an Bord und auch wir am Boden die Notlage mitbekommen haben, dann ein Versammeln am jeweiligen Rettungsraumschiff und schließlich der Entschluss, dass ein Bekämpfen des Feuers mit vertretbarem Risiko versucht werden solle. Mit Feuerlöscher und Atemschutz machen sich zwei Crewmitglieder dann auf den Weg zum Brandherd. Diesen hat Alexander an der STRATOS-Konsole inzwischen lokalisiert, außerdem hat er sichergestellt, dass die Energiezufuhr zu diesem Bereich unterbrochen wurde. Weiterhin hat er die genaue ID des „fire ports“ für die Astronautinnen und Astronauten parat.

In Absprache mit COL FLIGHT Daria dirigiert Uwe sie zu unserem EPM-Rack und bittet darum, dass CSA-CP-Readings an besagtem fire port genommen werden. Das bedeutet, dass die Astronautinnen und Astronauten anhand eines Messgeräts, dem „Compound Specific Analyzer for Combustion Products“ (CSA-CP), das vorne eine dünne, rohrförmige Sonde aufweist, messen sollen, ob im Rack die chemischen Signaturen einer stattgefundenen Verbrennung vorhanden sind. Dazu durchstoßen sie mit der rohrförmigen Sonde einen dünnen Aufkleber auf dem Rack und schieben die Sonde durch das dahinterliegende, extra hierfür vorgesehene Loch – eben den „fire port“ - in das Innere des Racks hinein. Sollte das Feuer durch das Abschalten der Energieversorgung nicht bereits erloschen sein, so kann über den „fire port“ auch der Feuerlöscher mittels eines ebenfalls rohrförmigen „nozzles“ ins Innere des Racks entladen werden. Hierfür würde sich die Crew aber nur im äußersten Notfall entscheiden – dann, wenn nach mehreren CSA-CP-Readings die kritischen Messwerte weiter ansteigen würden. Hier haben die Trainer aber diesmal Erbarmen mit uns: Die Messwerte sinken per Drehbuch langsam ab, wir können das Feuer für gelöscht betrachten, und uns bleibt eine Reihe von Eskalationsstufen erspart: Neben dem Einsatz des Feuerlöschers könnten wir als äußerste Maßnahme Columbus auch komplett stromlos schalten oder über das Schließen der Luke isolieren.

Für dieses Mal sind die Trainer zufrieden mit Daria, Alexander und Uwe – und freilich auch mit den Astronautinnen und Astronauten an Bord. In einer Feedbackrunde werden noch Verbesserungsvorschläge besprochen, langsam geht das Adrenalin wieder runter und bei der nächsten geplanten Unterbrechung der Funkverbindung ist dann auch ein „Belohnungskaffee“ drin.

Gerne bis zum nächsten OBT – aber bitte, bitte nie ein Ernstfall!!

Quelle: DLR
Alexander Gerst (November 2018 während seiner Blue Dot Mission) mit Emergency Equipment. Unter dem Arm ein CO2 basierter Feuerlöscher (Portable Fire Extinguisher) und in der Hand eine Sauerstoffatemmaske (Portable Breathing Apparatus).
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