Raumfahrt | 03. Februar 2023 | von Dirk Heinen

TRIPLE-IceCraft-Expedition in die Antarktis: Der lange Weg nach Süden - Teil 1

Quelle: DLR/RWTH Aachen/Dirk Heinen
Blick auf die Eisschelfkante

Manche Regionen auf der Erde sind ebenso geheimnisvoll wie ferne Himmelskörper – aber auch genauso wenig erforscht. Hierzu gehören die sogenannten subglazialen Seen in der Antarktis. Diese Seen liegen unter einer permanenten dicken Eisschicht, vielfach mit einer Mächtigkeit von mehreren Kilometern, und bilden mitunter ein seit etwa einer Million Jahren abgeschlossenes Ökosystem. Es ist als sicher anzunehmen, dass sich in ihnen mikrobielles Leben befindet, das sich an diese extremen Umweltbedingungen angepasst hat. Um solches Leben untersuchen zu können, muss die Entnahme von Proben aber kontaminationsfrei geschehen, um keine Mikroorganismen von der Oberfläche einzubringen. Dies ist eine besondere technische und methodische Herausforderung. Im Jahr 2018 startete die Deutsche Raumfahrtagentur im DLR das TRIPLE-Projekt (Technologies for Rapid Ice Penetration and subglacial Lake Exploration) zur Entwicklung eines autonomen, robotischen Systems zur kontaminationsfreien Erforschung dieser Seen und perspektivisch zur Exploration der Ozeane unterhalb der Eiskruste der Eismonde Europa und Enceladus. 28 Entwicklerteams aus Deutschland sind aktuell an dem Projekt beteiligt. Das TRIPLE-Gesamtsystem besteht aus einer Einschmelzsonde, einem autonomen Unterwasserfahrzeug und einem astrobiologischen Labor, in dem die Proben vor Ort untersucht werden können. Die Einschmelzsonde TRIPLE-IceCraft wird nun von einem Team der RWTH Aachen und der GSI GmbH aus Aachen, die die Sonde konstruiert haben, in der Antarktis getestet. An der Neumayer-Station III des Alfred-Wegener-Instituts (AWI) soll TRIPLE-IceCraft das Ekström-Eisschelf durchdringen und in den darunterliegenden Ozean eintauchen. TRIPLE-IceCraft wurde als vollständig rückführbare Schmelzsonde für mehrere hundert Meter Bohrtiefe entwickelt.##markend##

Tag 1 - Aachen 24.01.2023 – 7:00 Uhr (UTC)

Die Reise beginnt für uns (Fabian Schöttler von der GSI GmbH, Jan Audehm, Simon Zierke und ich von der RWTH Aachen) in Aachen. Nach einer PKW-Fahrt nach Frankfurt geht es per Linienflug nach Oslo. Von dort aus organisiert das Norwegische Polar Institut (NPI) die Reise bis zur Forschungsstation Troll in der Antarktis.

Quelle: 2023 Google,INEGI
Die Flugroute: Frankfurt – Oslo – Prag – N’Djamena – Kapstadt – Troll – Neumayer III

Bereits fünf Tage vor dem Abflug müssen wir unsere Kontakte stark einschränken und uns regelmäßig auf Corona testen, um keinen Ausbruch auf der Neumayer-Station III zu verursachen. In Oslo geht's direkt in ein Flughafenhotel zur weiteren Isolierung. Abends wird noch das Hauptgepäck eingesammelt und das Abendessen gab es per Room Service.

Tag 2 – Oslo, Norwegen – 1:50 Uhr (UTC)

Frühmorgens treffen wir uns in der Lobby und es geht zum Charterterminal am Osloer Flughafen. Dort wird gerade unser Gepäck eingeladen und das Flugzeug vorbereitet. Die meisten der Reisenden sind norwegische Wissenschaftler. Aus Deutschland sind es zehn Personen, die über die Organisation des Alfred-Wegener-Instituts (AWI) mitreisen. Nach einer kurzen Einweisung geht's dann auch schon an Bord. Die Fluglinie „smartwings“ führt die Flüge für das NPI durch. Wie geplant startet das Flugzeug Richtung Prag.

Tag 2 – Prag, Tschechien – 3:50 Uhr (UTC)

Dort machen wir einen kurzen Zwischenstopp, um die Crew zu wechseln, aufzutanken und frisches Essen einzuladen. Danach geht es nach N’Djamena im Tschad. Die kurze Tankpause dauert ein Stündchen länger als geplant, da der Tanklaster nicht genug Kerosin geladen hat und zwischendurch sich selbst nochmal auftanken muss.

Tag 2 – Kapstadt, Südafrika 21:30 Uhr (UTC)

In Kapstadt gibt's noch ein Auftanken, einen Crew-Wechsel und die Polarkleidung wird in den Passagierraum geladen. Die Wettervorhersage für die Forschungsstation Troll ist gut. Der nächste Flugabschnitt kann beginnen! Wir fliegen über Nacht, es ist stockdunkel über dem Südpolarmeer. Für mich ist die Nacht kurz. Ich werde von meinem Kollegen Simon Zierke aufgeweckt. In 30 Minuten werden wir landen. Das Wetter ist super, die Sonne strahlt, und der Himmel ist tiefblau. In alle Richtungen ist weiterhin nur der Ozean zu sehen. Während ich wach werde, krame ich mich durch die Polarkleidung, suche mir den Polar-Overall, dicke Socken, Polarstiefel, Sonnenbrille, Mütze und Handschuhe raus. Der Overall passt gut über die normale Kleidung. Die restlichen Sachen werden erstmals zur Seite gelegt, während wir die ersten vereinzelt über den Ozean schwimmenden Mini-Eisberge sehen.

Quelle: DLR/RWTH Aachen/Dirk Heinen
Im Anflug auf Troll wird die Eisschelfkante sichtbar.

Die Eisschelfkante am Horizont wird sichtbar! Das ewige Eis kommt schnell auf uns zu. Das Flugzeug startet den Anflug. Alle bitte anschnallen! Wir sind inzwischen über dem Eis und der Bergkamm nahe der Forschungsstation Troll wird sichtbar. Während das Flugzeug eine kleine Kurve fliegt, sehen wir die Landebahn mit einigen aufgereihten Containern, einem weiteren Flugzeug und einigen Fahrzeugen. Das Flugzeug sinkt weiter, setzt auf und bremst.

Quelle: DLR/RWTH Aachen/Dirk Heinen
Umsteigen in Troll

Tag 3 – Forschungsstation Troll, Antarktis 4:40 Uhr (UTC)

Wir sind gelandet! Antarktis, wir sind da! Noch kurz warten, den Rest der Polarkleidung anziehen und raus! Es ist leicht windig. Die Luft ist frisch und eiskalt!

Nach einer kurzen Kaffeepause in einem Zelt neben der Landebahn wird von der Crew der Polar 5, einem Forschungsflugzeug des AWI schon das Wetter an der Neumayer-Station III abgefragt. Trotz Wind vor Ort soll es direkt nach Abflug des großen Flugzeugs auch für uns weiter gehen. Die Polar 5 ist vom Typ Basler BT-67 und basiert auf der berühmten Douglas DC-3, die auch als „Rosinenbomber“ bekannt ist. Das Flugzeug startet die Motoren, und die Propeller drehen immer schneller und schneller. Die Sitze sind nicht so komfortabel wie beim Flug davor und auch die Lautstärke ist viel höher. Das Gefühl wird stärker, dass wir uns immer weiter von der Zivilisation entfernen.

Quelle: DLR/RWTH Aachen/Dirk Heinen
Gut gerüstet für eisige Temperaturen - wir in Polarkleidung.

Wir rollen langsam auf die Startbahn und es geht weiter. Wir fliegen die Eisschelfe entlang und genießen den Ausblick über das Eis, die Gebirge und das gute Wetter. Nach knapp anderthalb Stunden beginnt wieder der Sinkflug. Gleichzeitig verschlechtert sich auch das Wetter. Es ist wolkig und böig. Wir fliegen durch Wolken, und dann wird die Sicht wieder besser. Wir können die Neumayer-Station III erkennen, sinken weiter und setzen auf. Wir sind da! Ein großes Team von Bewohnern der Neumayer heißt uns schon an der Landebahn willkommen.

Tag 3 – Neumayer-Station III, Antarktis 10:00 (UTC)

Wir steigen aus. Das Wetter ist deutlich ungemütlicher und viel windiger als an der Troll Station. Die Polaranzüge halten uns jedoch warm. Zusammen bilden wir eine Kette zwischen Flugzeug und einer Schneeraupe, um das gesamte Gepäck und die Fracht auszuladen. Wir stapfen die einigen hundert Meter bis zur Neumayer-Station über den festen Schnee und sind da! Endlich! Jetzt können wir „ankommen“ und mit den Tests beginnen.

Quelle: DLR/RWTH Aachen/Dirk Heinen
Willkommensteam der Neumeyer-Station

 

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Über den Autor

Dr. Dirk Heinen erforscht Schmelzsonden und Navigationssysteme für diese Sonden. Schmelzsonden werden genutzt, um Gletscher und Eisschelfe zu durchdringen, zu explorieren und darunterliegende subglaziale Seen zu erreichen. Seit 2010 forscht er am III. Physikalischen Institut B der RWTH Aachen. In seiner Promotion arbeitete er an einem akustischen Lokalisierungssytem für die Schmelzsonde EnEx-IceMole, die im Rahmen der Enceladus-Explorer-Initiative "EnEx" der Deutschen Raumfahrtagentur im DLR in Zusammenarbeit von sechs Hochschulen entwickelt wurde. zur Autorenseite