Energie | 31. Mai 2010 | von Jan Oliver Löfken

Energie-Frage der Woche: Gibt es Strom auch geschenkt?

Wenn wir unsere Stromrechnung begleichen, bezahlen wir weit mehr als den Betrieb von Windrädern oder Kernkraftwerken. Mit Miete für den Stromzähler, Kosten für die Nutzung der Stromnetze, Mehrwert- und Stromsteuer und einem Aufschlag für die bevorzugte Einspeisung von Ökostrom verdoppeln sich fast die Endpreise. Gibt es dennoch am immer lebhafteren Markt Strom zum Nulltarif?

Gibt es, es gibt sogar Strom, für den die Netzbetreiber zahlen müssen, damit sie ihn loswerden. Möglich macht dies die Strombörse in Leipzig (EEX). Allein im vergangenen Jahr trieben kurzfristige Stromüberschüsse die Preise 18 Mal ins Minus. Wegen mangelnder Regelmöglichkeiten träger Kohle- und Kernkraftwerke lag in Phasen mit niedriger Nachfrage und guten Wetterverhältnissen für die Produktion von Windstrom ein Überangebot vor. Da aber das Netz Strom nicht speichern kann, musste er für einen stabilen Betrieb dennoch abgenommen werden. Die Folge: Die Netzbetreiber legten bis zu 13 Cent pro Kilowattstunde drauf, damit Großkunden aus der Industrie den Strom verbrauchten.

Handeslraum in der Strombörse in Leipzig, Bild: EEX, Bild oben: Wikipedia CommonsNegative Strompreise sind Zeichen für einen funktionierenden Markt

Ein gutes Geschäft war das vor allem für die Betreiber von Pumpspeicherkraftwerken, beispielsweise in Österreich. Mit dem geschenkten Strom pumpten sie Wasser in ihre Stauseen, um dieses zu Hochpreiszeiten wieder durch die Generator-Turbinen rauschen zu lassen. Obwohl die Kosten dafür beim deutschen Stromkunden hängen blieben, ist Strom zum Nulltarif kein Drama. "Negative Strompreise sind die logische Konsequenz des Marktgeschehens", sagt Kurt Rohrig vom Fraunhofer-Institut für Windenergie und Energiesystemtechnik IWES in Kassel.

Da seit Beginn dieses Jahres Wind- und Solarstrom vermehrt an der Leipziger Strombörse vermarktet werden, könnten solche Minuspreisphasen 2010 noch öfter eintreten – ein untrügliches Indiz dafür, dass die heutigen Stromleitungen mit den gestiegenen Anforderungen nicht mehr zurechtkommen. Aber Minuspreise schaffen auch Anreize. Um sie zu vermeiden, muss das Stromnetz über die Grenzen der europäischen Staaten hinweg ausgebaut werden. Denn über neue Fernleitungen könnte ein regionaler Überschuss leichter mit einem Mangel in einem anderen europäischen Staat ausgeglichen werden.

Über 42.000 Kilometer neue Fernleitungen bis 2020 nötig

Dieser Ausbau zu einem engmaschigen europäischen Stromnetze nimmt derzeit bereits Gestalt an. Zumindest auf dem Papier. Laut dem europäischen Verband der Netzbetreiber (ENTSO-E) seien, so Kurt Rohrig, allein bis 2020 über 42.000 neue Leitungskilometer nötig. In diesem verbesserten Fernübertragungsnetz liegt zusammen mit der intelligenteren Regelung von Erzeugern und Verbrauchern in Gemeinden und Städten der Schlüssel für einen freieren Strommarkt, auf dem möglichst faire Preise selbst in Starkwindphasen erzielt werden können.

Strombörse Leipzig: European Energy Exchange

Die DLR-Energiefrage der Woche im Wissenschaftsjahr "Die Zukunft der Energie"

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) hat das Wissenschaftsjahr 2010 unter das Motto "Die Zukunft der Energie" gestellt. Aus diesem Anlass beantwortet der Wissenschaftsjournalist Jan Oliver Löfken in diesem Jahr jede Woche eine Frage zum Thema Energie in diesem Blog. Haben Sie Fragen, wie unsere Energieversorgung in Zukunft aussehen könnte? Oder wollen Sie wissen, wie beispielsweise ein Wellenkraftwerk funktioniert und wie effizient damit Strom erzeugt werden kann? Dann schicken Sie uns Ihre Fragen. Wissenschaftsjournalist Jan Oliver Löfken recherchiert die Antworten und veröffentlicht sie jede Woche in diesem Blog.

 

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Über den Autor

Der Energiejournalist Jan Oliver Löfken schreibt unter anderem für Technologie Review, Wissenschaft aktuell, Tagesspiegel, Berliner Zeitung und das P.M. Magazin. Derzeit diskutiert er im DLR-Energieblog aktuelle Themen rund um die Energiewende. zur Autorenseite