Sonstiges | 02. März 2012 | von Jan Wörner

Rede beim Ostasiatischen Verein in Bremen

Bremen ist immer wieder eine Reise wert und gut für überraschende Aktivitäten. Neben der überregional bekannten Schaffermahlzeit zelebriert Bremen weitere Traditionen, die auf eine lange Geschichte zurückblicken und trotzdem oder gerade desghalb eine besondere Aktualität haben. Ein Beispiel hierfür ist das Stiftungsfest des Ostasiatischen Vereins, das seit seiner Gründung vor 111 Jahren nach immer denselben Regeln wiederholt wird. Dieses Jahr hatte ich die Ehre und Freude, nicht nur als Gast eingeladen zu sein, sondern auch eine Rede halten zu dürfen.

Die 111-jährige Tradition in Verbindung mit Ostasien deutet auf eine sehr spannende Geschichte hin. Die alte Kanonenbootpolitik, die noch 1854 durch Commodore Perry mithilfe der sogenannten Schwarzen Schiffe die Öffnung Japans für den Handel erzwang, wurde auch im zwanzigsten Jahrhundert zeitweise gefeiert und fortgeführt: 1945 zwangen die USA mit ihrer Flotte und Admiral Decker Ostasien westliche Vorstellungen auf und sahen sich in der Tradition von Commodore Perry. Das Selbstverständnis dokumentierte Admiral Decker in seinem 1978 veröffentlichten  Buch "Return of the Black Ships". Er beschrieb den Sinn seiner Mission 1945 mit den knappen Worten "We open the door" und argumentierte, dass er der Nachfolger Perrys sei, schließlich habe er Demokratie nach Japan gebracht.

Heute sind wir, jedenfalls hoffe ich das, ein wenig moderner in der Vorstellung globaler Interaktionen, auch wenn immer wieder militärisches Eingreifen mit durchaus fragwürdigen Argumenten jenseits von Frieden und Freiheit gerechtfertigt wird.

Mein persönlichster und nachhaltigster Kontakt zu Asien war mein einjähriger Aufenthalt in Japan von 1982 bis 1983. Zu dieser Zeit arbeitete ich in einem Bauingenieurbüro in Frankfurt. Mein Chef fragte mich eines Morgens: "Wir haben da ein Forschungsprojekt betreffend die Erdbebensicherheit von Kernkraftwerken, haben Sie Lust, ein Jahr nach Japan zu gehen?" Ich sagte spontan zu und habe es bis heute nie bereut. Bis zu jenem Tag war ein Auslandsaufenthalt für mich außerhalb jeder Überlegung. Meine Frau - Französisch- und Englischlehrerin - hatte immer und immer wieder gefragt, ob denn ein Bauingenieur nie Gelegenheit bekäme, ins Ausland zu gehen. Also sagte ich unmittelbar zu, mein Chef war verblüfft, meine Frau freudig überrascht.

Wenige Wochen später reiste ich nach Japan, leider allein, da meine Frau zunächst noch ihr Referendariat abschließen musste. So zog ich los, ohne japanische Sprachkenntnisse und mit nur schlechtem Schulenglisch. Auch hier hatte mein Chef, der selbst ein humanistisches Gymnasium besucht hatte, einen Tipp parat: "Kein Problem, ich bezahle Ihnen einen vierwöchigen Japanischkurs, den Rest bringen Sie sich selbst bei, habe ich für Englisch auch so gemacht." Der Tipp wurde zum Befehl.  Ich flog also nach Japan, besuchte eine Intensivsprachschule und - oh Wunder - nach vier Wochen konnte ich mich auf japanisch verständigen. Da die Lehrer natürlich kein Deutsch konnten, verbesserte ich gleichzeitig mein Englisch.

Die Feinheiten der japanischen Sprache sind nicht nur eine Herausforderung, sondern eröffnen - auch wenn es nur sehr oberflächlich gelingen mag - ein besseres Verständnis der asiatischen Kultur. In meiner Rede in Bremen sprach ich die persönlichen Erfahrungen und aktuellen Verbindungen des DLR zu den asiatischen Ländern gleichermaßen an und schloss mit den Worten:

"In einer Zeit, in der die Kommunikation längst weltumfassend ist, in der wir mit Satelliten jeden Winkel der Erdoberfläche auch grenzüberschreitend beobachten können, aber eben auch die Herausforderungen wie beispielsweise den Klimawandel und das Thema Sicherheit längst globale Größenordnungen angenommen haben, ist die internationale Zusammenarbeit mehr als wirtschaftlich oder kulturell begründete Aktivität, sie ist selbstverständliche Verantwortung für unsere Welt. Schwarze Schiffe sind keine Antwort auf Forderungen nach Kooperation."

Das Stiftungsfest war nicht nur Gelegenheit, neue Bekanntschaften zu machen, sondern durch die Einladung zum Vortrag zugleich auch Aufforderung, die eigenen Vorstellungen zu reflektieren. Ein wertvoller Abend.

Bild oben: Ostasien bei Nacht. Credit: NASA/DLR.

 

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Über den Autor

Im Jan-Wörner-Blog bloggte der ehemalige Vorstandsvorsitzende des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR), Prof. Dr.-Ing. Johann-Dietrich "Jan" Wörner, selbst. Seit dem 1. Juli 2015 ist er Generaldirektor der Europäischen Weltraumorganisation ESA. zur Autorenseite