Sonstiges | 16. Juli 2012 | von Jan Wörner

Was so ein Freitag der 13. bringen kann ...

Freitag der 13. In Paris. Ein Tag wie jeder andere? Nein, obwohl es nach einem ganz normalen ESA-Tag aussah, entwickelte sich die ESA-Sitzung in besonderer Weise. Die Bewertung, ob es sich nun um einen Unglückstag handelte oder es ein Tag des ganz normalen Chaos war, unterliegt einer persönlichen Beurteilung.

Es begann wie (fast) jeden Tag: Nachdem ich kurz nach Mitternacht aus München kommend das Hotel in Paris erreicht hatte, stand der erste Termin um 7.15 Uhr an. Vorher musste noch eine ganze Reihe von E-Mails verarbeitet und beantwortet werden. Um 7.15 Uhr holte mich mein Kollege Yannick d'Éscatha beim Hotel zu einem informellen aber sehr intensiven Arbeitsfrühstück ab. Es ging um den Abschluss der CNES-DLR-Arbeitsgruppe zu Raumfahrtfragen. Die Arbeitsgruppe war anlässlich der deutsch-französischen Konsultationen Anfang des Jahres eingerichtet worden.

Um 9 Uhr begann dann der ESA-Marathon: "Restricted Council", "Council Working Group", "Head of Delegation Lunch”, "ESA Council". Jede Sitzung hatte Themen, die von besonderer Brisanz waren. Im Restricted Council wurde die Aufnahme Polens in die ESA beschlossen. Die Council Working Group befasste sich mit den verschiedenen Planungen für die Ministerratskonferenz im November, das "Heads of Delegations"-Treffen konzentrierte sich auf die zukünftige Beziehung ESA-EU und im abschließenden Council wurden die so genannten Resolutionen zur Vorbereitung der ESA-Ministerkonferenz behandelt. Aus deutscher Sicht war eine der Resolutionen (nächste Trägergeneration) in der vorgelegten Form nicht akzeptabel. Um eine Änderung herbeizuführen, konnten wir die Tatsache benutzen, dass der Punkt erst nachträglich auf die Tagesordnung gesetzt wurde. In einer länglichen, zeitweise auch sehr heftigen Diskussionen über die formellen Gesichtspunkte der Annahme der Tagesordnung wurde der deutsche Vorschlag akzeptiert, den Punkt nicht als Entscheidungs- sondern Beratungspunkt zu behandeln.

An dieser Stelle verabschiedete sich der Vorsitzende und übergab dem deutschen Delegationsleiter, d.h. mir (!) als stellvertretendem Vorsitzenden des ESA-Rates die Sitzungsleitung. Eigentlich kein Problem, wenn man bei der Vorbereitung dabei war und kein Tagesordnungspunkt mit besonderer deutscher Brisanz vorliegt. Genau das war aber der Fall: Durch das Treffen mit d´Éscatha konnte ich nicht an der Vorbereitung teilnehmen und der Tagesordnungspunkt bezüglich der Nachfolge von Ariane 5 war ja schon bei der Annahme der Tagesordnung kritisch. Als Sitzungsleiter ist man natürlich zu Neutralität verpflichtet. Durch das Vertrauensverhältnis zu Herrn Gruppe und Herrn Densing, den beiden Vertretern Deutschlands, wurde alle "Probleme" konstruktiv gelöst.

Der letzte Punkt des Tages war eine Einladung des französischen Verteidigungsministers Le Drian zu einer Veranstaltung am Vorabend des Französischen Nationalfeiertags, bei der die französische Wissenschaftsministerin anwesend war und der französische Präsident Hollande einen Vortrag halten sollte. Das Programm verzögerte sich jedoch so massiv, dass ich vor dem Singen der Marseillaise den Veranstaltungsort bereits verlassen musste, um den letzten Flug nach Deutschland noch zu erreichen ...

Also doch Freitag der 13. ...

Bild oben: Dennis Skley (CC-BY-ND 2.0).

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Über den Autor

Im Jan-Wörner-Blog bloggte der ehemalige Vorstandsvorsitzende des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR), Prof. Dr.-Ing. Johann-Dietrich "Jan" Wörner, selbst. Seit dem 1. Juli 2015 ist er Generaldirektor der Europäischen Weltraumorganisation ESA. zur Autorenseite