Raumfahrt | 20. Januar 2017 | von Ulrich Köhler

Gene Cernan (1934-2017) - Idol meiner Kindheit und Jugend

Quelle: NASA
Erschöpft, aber sichtlich zufrieden: Gene Cernan im Mondlandemodul nach seiner zweiten, siebeneinhalbstündigen und offensichtlich reichlich staubigen Exkursion auf dem Mond.

Am Montag dieser Woche ist jener Mann gestorben, der als letzter auf dem Mond war: Eugene "Gene" Andrew Cernan. Mit 82 Jahren, irgendwie doch viel zu früh, zumal wir vom DLR-Institut für Planetenforschung ihn von seinem Besuch 2013 noch als turbo-vital, fit und voller Energie in Erinnerung haben.

Quelle: DLR (Manuela Köhler)
Eugene Andrew Cernan, Kommandant von Apollo 17 und letzter Mann auf dem Mond (1934-2017), bei seinem Besuch im DLR 2013.

Cernan war der Kommandant der Mission Apollo 17 und als solcher war er der letzte, der eine Spur im Mondstaub hinterlassen hat. Nach drei Tagen auf dem Mond kehrte er am 14. Dezember 1972 mit dem Landemodul Challenger wieder zum Servicemodul zurück.##markend##

Die letzten Worte auf dem Mond

Bevor er aber die Leiter zur Landefähre heraufkletterte - noch im Mondstaub stehend - richtete er diese Worte an die Bodenstation, seine amerikanischen Landsleute und eigentlich auch an die ganze Menschheit:

"Bob*, this is Gene, and I'm on the surface; and, as I take man's last step from the surface, back home for some time to come - but we believe not too long into the future - I'd like to just (say) what I believe history will record: that America's challenge of today has forged man's destiny of tomorrow. And, as we leave the Moon at Taurus-Littrow, we leave as we came and, God willing, as we shall return, with peace and hope for all mankind. Godspeed the crew of Apollo 17."
*
Dr. Robert "Bob" A Parker war der Missionswissenschaftler für Apollo 17, ein Astronom und Astronaut, der die wissenschaftlichen Experimente auf dem Mond und bei den drei Rover-Exkursionen vom Kontrollzentrum in Houston begleitete.

Quelle: NASA
Diese Plakette war an einem der Beine des Landegestells angebracht. Eigentlich sollten da noch Apollo 18, 19 und 20 kommen. Doch der - neben den drei Astronauten Gene Cernan, Ron Evans und Jack Schmitt- vierte Unterzeichnende hatte da aus Kostengründen leider etwas dagegen und strich das Apollo-Restprogramm zusammen.


Der vorletzte Satz dieses bewegenden, ultimativen Statements von der Mondoberfläche war auf eine Plakette graviert, die an einem der Beine des Landegestells der Mondfähre angebracht war und von Cernan vor dem Einstieg enthüllt wurde. Wenig später starteten Cernan und Harrison "Jack" Schmitt aus dem Taurus-Littrow-Tal am Rande des Mare Serenitatis zurück zum Kommando- und Servicemodul America. Übrigens: Der Film "For all Mankind", der die Apollo-Missionen in Interviews und Originalaufnahmen dokumentiert, ist ein großartiges Zeugnis jenes Jahrzehnts, das die Landung eines Menschen auf dem Mond 1969 sehen sollte und der noch fünf weitere - und die Beinahe-Katastrophe von Apollo 13 - folgen sollten.

Cernan schoss auch eines der bekanntesten Fotos der sechs Apollo-Landemissionen zwischen 1969 und 1972: Das von Jack Schmitt, der als Geologe der erste Wissenschaftsastronaut der NASA war, an einem großen Felsbrocken nahe der Landestelle. "Tracy's Rock" wurde nach Cernans Tochter benannt. "Eigentlich wollte ich noch in den Staub auf dem Felsen mit dem Finger 'Tracy' drauf schreiben", erzählte er uns 2013 in Berlin, "habe aber dann leider vergessen, es auch wirklich zu tun!", obwohl er mit dem Handschuh schon im Staub auf dem Felsensims gewischt hatte, wie auf dem Bild zu erkennen ist.

Quelle: NASA
Eines der berühmtesten Fotos aus der Apollo-Ära: Gene Cernan fotografierte Wissenschaftsastronaut Jack Schmitt an "Tracy's Rock".

Beindruckte Studenten, persönliche Gespräche und ein virtueller Flug über den Mars

Quelle: DLR (Ulrich Köhler)
Abschluss eines unvergesslichen Besuchs im DLR: Gene Cernan mit Nachwuchswissenschaftlern, Institutsdirektor Tilman Spohn (l.) und Gerhard Daum von der Raumfahrtausstellung im Technik Museum Speyer nach einem lebhaften Abend am Berliner Gendarmenmarkt.

Hier im DLR-Institut für Planetenforschung erinnern sich alle noch gerne an den Besuch von Gene Cernan. Ganz besonders einige der Studenten und jungen Wissenschaftler, die mit Cernan einen wirklich inspirierenden Abend in der Stadt verbracht haben. Er war fröhlich, ausgelassen und bei allen Themen der Raumfahrt bestens informiert. Cernan hat mit uns diskutiert, gelacht und bei manchen Themen mit uns und dem Institutsdirektor auch ein wenig gestritten.

Quelle: DLR (Manuela Köhler)
Da hing sein Leben am seidenen Faden, fast wortwörtlich: der zweistündige Außenbordeinsatz bei Gemini 9 war, so Cernan, ein "Weltraumspaziergang durch die Hölle".

Beeindruckend war auch sein Auftritt im überfüllten Audimax der TU Berlin, als er vor tausend mucksmäuschenstillen Studenten erzählt hat - und zwar überhaupt nicht von irgendwelchen Heldentaten bei seinen drei Raumflügen; neben Apollo 17 waren dies im Februar 1966 die Mission Gemini 9 (mit dem "Angry Alligator"-Raumschiff, Vorbild für das Raumschiff im James Bond-Film "Man lebt nur zweimal") und vor allem Apollo 10 im Frühjahr 1969, die große Generalprobe zur ersten Mondlandung, als der Abstieg schon mal getestet wurde und Cernan der Mondoberfläche bis auf 15 Kilometer nahe kam. Nein, er erzählte, wie er als junger Mensch für eine Sache "gebrannt" hatte, und wenn man diesen Enthusiasmus in sich trägt, diese eben "mit Feuer und Flamme" verfolgen sollte. Dann wird auch was daraus! "The dreamers of today are the doers of tomorrow!“ Cernan war ein Mensch, dem man gerne zuhörte. Für mich neben Buzz Aldrin der charismatischste von allen zwölf Moonwalkern.

Quelle: NASA
James Bond-Kennern wird diese Szene vermutlich bekannt vorkommen: Die NASA versuchte mit Gemini 9 ein Andockmanöver an eine Agena-Raketenstufe zu testen, mit dem in der Raumfahrt berühmt gewordenen "wütenden Alligator", der sich gegen das Manöver zu sträuben schien, denn es misslang. Buzz Aldrin schlug vor, Cernan soll das Manöver durch Handanlegen bei einem Außenbordeinsatz zu Ende bringen, was aber als zu großes Risiko galt und unterlassen wurde.
Quelle: DLR (Manuela Köhler)
Ich freute mich, ein Idol meiner Jugend im DLR-Institut für Planetenforschung begrüßen zu dürfen - dass ich dabei zielsicher mit Anlauf in einen Fettnapf sprang, wurde vom prominenten Gast mit Humor gekontert.

Ich selbst hatte die große Ehre, ihn zweieinhalb Tage durch Berlin begleiten zu dürfen und erinnere mich auch an einen sehr nachdenklichen und ernsten Gene Cernan in der Gedenkstätte am Mauerpark beispielsweise, als auch Sätze fielen wie: "That's why I became a naval aviator: to defend our western values. And because I was a good naval aviator I became an astronaut. So when, at the end, I was walking and driving with Jack through Taurus-Littrow: this maybe had a bit of its beginning here in Berlin where the communists built the wall in 1961."

Das mit dem "Naval Aviator" hat mir dann leider einen sehr peinlichen Moment beschert, als ich ihn vor dem versammelten Institut als Air Force-Piloten vorstellte. Ein Naval Aviator (Marinepilot) muss bis Windstärke 5 auf einem Flugzeugträger landen können, "but Air Force pilots have plenty of meadow on both sides of the runway, hey, that’s damned easy!“ (siehe auch Buzz Aldrins Nachruf unten). Es beruhigte mich dann ein wenig, dass der Naval Aviator Gene Cernan bei einem virtuellen 3D-Flug über den Mars durchaus so seine Schwierigkeiten hatte …

Quelle: DLR (Manuela Köhler)
Apollo 17-Spezialisten unter sich: Commander Eugene Cernan tauscht sich mit der von DLR-Planetenforscher Prof. Oberst betreuten Doktorandin Isabel Haase zu den Feinheiten der Mondauto-Traversen an der Landestelle im Taurus-Littrow-Tal aus.

Eine sehr nette Geste von Gene war auch, als er sich mit unserer Doktorandin Isabel Haase lange über ihr Dissertationsthema zu den Apollo-Landestellen anhand einer Bildkarte der Apollo 17-Umgebung austauschte, wo und wie er mit Schmitt seine EVAs, ("extravehicular activities") durchführte. Denn inzwischen gibt es ja auch Bilder vom Lunar Reconnaissance-Orbiter aus der Mondumlaufbahn, auf denen die Reifen- und Fußspuren an der Landestelle gut zu erkennen sind - und was damals, 1972, auf den Apollo-Bildern eingezeichnet wurde, stimmt eben nicht haargenau mit dem überein, was heute auf den Fotos zu erkennen ist (Achtung! Verschwörungstheorie!).

2019 werden wir "50 Jahre erste Mondlandung mit Menschen" feiern; zwölf Männer waren mit Apollo da oben, sechs von ihnen leben noch: Neil Armstrong (11, †), Buzz Aldrin (11), Charles Conrad (12, †), Alan Bean (12), Alan Shepard (14, †), Edgar Mitchel (14, †), Dave Scott (15), Jim Irwin (15, †), John Young (16), Charly Duke (16), Gene Cernan (17, †), Jack Schmitt (17). Nicht zu vergessen die "forgotten heroes" im Command and Service Module im Mondorbit: Michael Collins (11), Dick Gordon (12), Stuart Roosa (14), †), Al Worden (15), Tom Mattingly (16) und Ron Evans (17, †).

Quelle: NASA
Mit einer Dauer von über zwei Stunden setzte Gene Cernans zweiter amerikanischer Außenbordeinsatz einen neuen Rekord - den er aber beinahe mit dem Leben bezahlte. Kommandant Tom Stafford überkamen in der Gemini 9-Kapsel schon Ängste, die "Nabelschnur" zu Cernan kappen und alleine zur Erde zurück fliegen zu müssen.

Hört sich vielleicht etwas gefühlsduselig an: Aber als Kind jener aufregenden Mond-Zeit, 1963 geboren und 1969 bei der ersten Mondlandung nachts aus dem Bett geholt, weil die Eltern der Auffassung waren, gleich müsste ich mit meinen drei älteren Brüdern etwas Epochales im Fernsehen sehen, nämlich Armstrongs giant leap, bin ich tatsächlich von Apollo für den Rest meines Lebens "geimpft" worden (für einen ESA-Direktor war es angeblich die Fernsehserie Raumpatrouille Orion mit einem Bügeleisen als Steuerrad und Badewanneneinläufen als Mikrofonen - aber das hier war echt!). Als Kind kannte ich fast alle Namen der Apollo-Astronauten, und die drei Forschungsmissionen Apollo 15, 16 und 17 mit dem Mondauto - das gab mir im positiven Sinne den Rest.

Gene Cernan hatte dafür einen wunderschönen Satz: "Always shoot for the Moon - even if you miss you will land somewhere among the Stars". Da ist er jetzt. Godspeed Gene Cernan!

P.S.:
Aus fremder und sehr viel berufenerer Feder dieser Nachruf von Buzz Aldrin, einer von Cernans Astronautenkollegen:

"Today we lost yet another hero. Gene Cernan and I met for the first time when we were selected for the third group of astronauts in November of 1963. We started our training together in January of 1964 and eventually worked together as the backup crew of Gemini 9. He was a Navy guy and I was Air Force so there was always a friendly dose of ribbing and trying to one up each other that continued to this day. We had the very interesting task of training together on the maneuvering unit - a jet pack like George Clooney used in the movie "Gravity", which was a fascinating project and was quite complicated. Unfortunately, NASA felt it was too risky so we weren't able to use it dur-ing our Gemini missions.

I left NASA before Gene's mission to the Moon on Apollo 17 but of course followed it closely with the rest of the world. He served the nation extremely well on his mission with Ron Evans and the first scientist astronaut, Jack Schmitt. It was the final mission to the Moon but our hopes had been that we would press forward and eventually be on Mars as the next destination. Unfortunately, that hasn't happened and Gene is the last person to step foot on another celestial body. He was the last man on the moon and he wasn't happy about that and continually stressed that he didn't want to be the last.

Gene was probably the strongest spokesman for astronauts for lunar travel and advo-cating a return to the moon. He made multiple trips to Washington to give testimony along with Neil Armstrong and Jim Lovell to promote NASA and not losing our pioneering spirit. He wasn't really a Mars guy like me, but he cared deeply about continuing manned space exploration.

Us astronauts will always remember his cheerful and smiling approach to everything. With the passing of the First Man - Neil Armstrong, and the passing of the Last Man - Gene Cernan, it is up to us Middle Men to carry on spirit of Apollo into the future for our Nation and the world.

BUZZ"

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Über den Autor

Ulrich Köhler ist Planetengeologe am DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin-Adlershof. Dort gehört er - kaum, dass er über 30 Jahre beim DLR ist - mittlerweile auch schon zum "spätmittelalterlichen" Eisen und kann mit Begriffen wie Apollo, Viking oder Voyager im Gegensatz zu manchem Masterstudenten noch etwas anfangen. zur Autorenseite