Energie | 09. April 2014 | von Jan Oliver Löfken

Energieabhängigkeit: Welche Alternativen gibt es zum russischen Gas?

Eine Betrachtung von Jan Oliver Löfken, Wissenschaftsjournalist und DLR-Energieblogger

Mit der Krim-Krise wächst in Deutschland das Unbehagen, zu sehr von russischen Energieimporten abhängig zu sein. Dank neuer Pipelines wuchs 2013 der Anteil russischen Gases am deutschen Bedarf sogar auf 38 Prozent. Zusammen mit ebenfalls hohen Importanteilen an Erdöl (34 %) und Steinkohle (23 %) machen Energieträger von jenseits des Urals fast ein Viertel (23 %) der deutschen Energieversorgung aus. Gibt es überhaupt Alternativen zu diesen Importen? Und wie viel Zeit wäre für eine umfassende Umstellung auf andere Energielieferanten nötig?

Vor allem für Erdgas ist das Szenario eines plötzlichen Lieferstopps von heute auf morgen allein wegen langfristiger Lieferverträge bis teils über das Jahr 2030 hinaus sehr unwahrscheinlich. Selbst wenn es zu einer solchen Eskalation käme, würde Deutschland nicht direkt frieren. Gut gefüllt sind die 43 unterirdischen Gasspeicher mit etwa 20 Milliarden Kubikmetern Erdgas. Eine Menge, die für gut zwei Monate beim derzeitigen Verbrauch ausreichen würde. Vor einem Zugriff auf diese Notreserve rücken jedoch noch andere Alternativen ins Blickfeld:

Importe aus Norwegen, Nordafrika und den Niederlanden

So ließe sich der Import aus anderen Staaten wie Norwegen, Nordafrika oder den Niederlanden steigern. Wegen einer erhöhten Nachfrage müsste jedoch mit höheren Gaspreisen gerechnet werden. Ebenfalls teurer als russisches Gas würde der Import via Flüssiggastanker (LNG) aus dem Nahen Osten oder gar von den Schiefergasvorkommen aus den USA ausfallen. Einige europäische Häfen sind für diese Tanker bereits ausgelegt, doch müsste diese Infrastruktur stark ausgebaut werden.

Heimische Gasvorkommen in der Diskussion

Auch heimische Gasvorkommen werden in der nächsten Zeit wieder stärker diskutiert werden. Zwar sinkt die Förderung konventionellen Erdgases in Deutschland stetig, doch steigt damit das Interesse an der Ausbeutung von Schiefergasvorkommen. Jedoch birgt das dazu nötige Fracking-Verfahren ein Risiko für das Grundwasser. So verbietet Nordrhein-Westfalen diese Methode der Gasgewinnung, zumindest so lange wie Umweltschäden nicht ausgeschlossen werden können. Niedersachen bereitet einen Erlass vor, der Fracking unter sehr strengen Auflagen ermöglichen könnte. Und in Mecklenburg-Vorpommern ist bereits eine erste Fracking-Bohrung in einer konventionellen Lagerstätte für dieses Jahr geplant. Doch in der Bevölkerung besteht wegen der Umweltrisiken eine große Skepsis vor Fracking-Bohrungen. Dazu kommt die Gefahr von Gaslecks, wodurch größere Mengen des sehr effektiven Treibhausgases Methan in die Atmosphäre gelangen könnte. So ist es heute nicht absehbar, ob Fracking in Deutschland überhaupt durchsetzbar sein wird. Energieanalysten gehen ohnehin davon aus, dass die vorhandenen Vorkommen auf längere Zeit kaum die derzeitigen Importe komplett ersetzen können.

Einsparpotentiale nutzen

Interessanter und vor allem nachhaltiger ist es, den Bedarf an fossilem Erdgas deutlich zu senken. Besonders der Bereich der Wärmenutzung – vom Heizen einer Wohnung bis zur Prozesswärme für industrielle Produktionsprozesse – bietet noch viel Einsparpotenzial. Denn der Großteil des importierten Erdgases – etwa 85 Prozent – wird für diese Zwecke verfeuert. Vor allem eine bessere Wärmedämmung der Häuser könnte dabei helfen. Doch auch die Erzeugung von Warmwasser mit Sonnenlicht könnte zumindest einen kleinen Beitrag liefern. Laut einer Studie des Bundesverbands Solarwirtschaft ließen sich so jährlich rund 3,5 Milliarden Kubikmeter Erdgas einsparen. Das entspricht heute allerdings weniger als einem halben Prozent des in Deutschland verfeuerten Erdgases.

Power-to-Gas: Wasserstoff aus erneuerbarer Energie

Am DLR-Institut für Technische Thermodynamik in Stuttgart wird derweil intensiv an einer weiteren, viel versprechenden Quelle für Gas gearbeitet. Bei der sogenannten Power-to-Gas-Technologie wird nicht genutzter Strom aus Wind- und Solaranlagen in Wasserstoff umgewandelt. Die dazu nötigen Elektrolyse-Anlagen, die mit Strom Wassermoleküle in ihre Bestandteile Wasserstoff und Sauerstoff zerlegen, arbeiten mit einem hohen Wirkungsgrad von etwa 80 Prozent. Und noch in diesem Jahr wird in Stuttgart eine Pilotanlage für die PEM-Elektrolyse mit optimierten Protonenaustauchmembranen gestartet. Eine weitere, industriell genutzte Elektrolyse soll kurz danach in Hamburg ihren Betrieb aufnehmen. "Ziel dieser Entwicklung, die wir wissenschaftlich begleiten, ist es, die PEM-Elektrolyse von ihrer bisherigen Nischenanwendung zu einem großtechnischen und wirtschaftlicheren Prozess zu führen", sagt Josef Kallo, DLR-Projektleiter Elektrolyse für die Power-to-Gas-Technologie.

Dieser aus Wind- und Solarstrom erzeugte Wasserstoff könnte bis zu einem Anteil von mindestens fünf Prozent in das deutsche Erdgasnetz eingespeist werden. Damit ließen sich nicht nur Erdgasimporte reduzieren, sondern auch die für das Stromnetz dringend benötigten Speicherkapazitäten ausbauen. "Der Bedarf an effizienten Elektrolyse-Anlagen für die Verknüpfung der Energieträger Strom, Gas und Treibstoffe wird in den kommenden Jahren wachsen", sagt Kallo. Nicht nur die Betreiber von Gasturbinen und stationären Brennstoffzellenkraftwerken, die aus Wasserstoff wieder Strom erzeugen, sieht Kallo als dankbare Abnehmer. Denn der hochreine Wasserstoff lässt sich auch sehr gut für Produktionsprozesse der Industrie und als Treibstoff für Wasserstoff-Autos nutzen.

Nicht von der Hand zu weisen bleibt, dass Deutschland kurzfristig nicht ohne Gas, Öl und Steinkohle aus Russland auskommen wird. Doch bereits im kommenden Jahrzehnt könnten, wenn heute die entsprechenden Wege von Wirtschaft und Politik eingeschlagen werden, die zur Verfügung stehenden Alternativen an Bedeutung gewinnen.

Quelle: Fahrplan Solarwärme, Bundesverband Solarwirtschaft

Bild: Pipelines im Sonnenuntergang, Quelle: clipdealer

 

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Über den Autor

Der Energiejournalist Jan Oliver Löfken schreibt unter anderem für Technologie Review, Wissenschaft aktuell, Tagesspiegel, Berliner Zeitung und das P.M. Magazin. Derzeit diskutiert er im DLR-Energieblog aktuelle Themen rund um die Energiewende. zur Autorenseite