Raumfahrt | 19. November 2018 | von Ernst Hauber

Antarktisexpedition GANOVEX 13: Flechten, Tafoni und eine beeindruckende Forschungsstation - Teil 6

Quelle: DLR
Jean-Pierre und Ernst mit Dr. Geonhwa Jee (Leiter der Station) vor der koreanischen Jang-Bogo-Station.

14. November 2018: das Wetter sieht gut aus, und wir beratschlagen, wo wir heute arbeiten könnten. Schnell einigen wir uns auf den Mount Emison, den Jean-Pierre schon von GANOVEX 10 kennt. Auf dem mehr als 2000 Meter hohen Gipfel hatte er damals Flechten gefunden, in einer Höhe, in der dies nicht unbedingt zu erwarten war. Für mich wiederum sind die Eiskeilpolygone interessant, die laut einer früheren Publikation dort zu finden sein sollen. Allerdings warnt uns Hamish, da im Nordwesten dichtere Wolken sein sollten - genau dort liegt der Mount Emison. Als Ausweichziel wählen wir den Mount Keinath aus, den Jean-Pierre ebenfalls damals untersucht hatte.##markend##

Wir fliegen zunächst entlang des Campbell-Gletschers Richtung Nordosten. Schon bald wird klar, dass die Wolken tatsächlich einen Weiterflug zu unserem Primärziel unmöglich machen. Wir drehen also um und steuern den Mount Keinath an. Der ist viel näher gelegen und auch nur etwa halb so hoch. Nach einer Erkundungsrunde um den Gipfel landen wir in einer schneebedeckten Senke etwa 50 Meter unterhalb des höchsten Punkts.

Quelle: DLR (CC-BY 3.0)
Tafoni - erodierter Granit am Mount Keinath.
Quelle: DLR (CC-BY 3.0)
Tafoni am Mount Keinath.

Hamish bleibt am Helikopter, und Raquelle, Jean-Pierre und ich laufen Richtung in Richtung des Felsgrats, der zum Gipfel hochzieht. Der Berg besteht hier oben aus Granit, der von einigen Pegmatitgängen durchzogen ist. Das Gestein ist auf spektakuläre Art verwittert und bildet überall kleine Höhlen, Brücken und bizarre Vorsprünge. Der geologische Fachbegriff für diese Formen kommt aus dem Italienischen und heißt "Tafoni". Diese Verwitterungsformen sind typisch für granitische Gesteinstypen, und man findet sie in verschiedenen Klimazonen. Auch Jean-Pierre kommt auf seine Kosten und kann Proben nehmen. Wie auf dem Mount Browning handelt es sich um Pleopsidium chlorophanum. Exemplare dieser Art sollen im Rahmen des BioSigN-Projekts sogar einmal zur ISS fliegen.

Die Sicht vom Mount Keinath bietet ein schönes 360-Grad-Panorama, weswegen wir auf dem Gipfel noch eine kleine Rast einlegen, bevor wir zum Helikopter hinuntersteigen. Nicht lange nach der Rückkehr nach Gondwana gibt es Abendessen - heute kam die lange ersehnte Lieferung der gefrorenen Lebensmittel mit einem Transportflug an, und Chris zaubert ein Festessen mit Steaks und Shrimps auf den Tisch. Besser könnte es auch auf den großen Stationen nicht schmecken!

Quelle: DLR (CC-BY 3.0)
Die BioSigN-relevante Flechte Pleopsidium chlorophanum am Mount Keinath.

15. November 2018: Besuch der koreanischen Forschungsstation Jang-Bogo

Die erste Nachricht des Tages ist schlecht: Die Hercules-Transportmaschine der neuseeländischen Luftwaffe wird heute nicht in der Terra Nova-Bay landen. Somit verschiebt sich unser Rückflug mindestens bis Samstag, den 17. November. Wieder müssen wir das Update dem Hotel in Christchurch mitteilen, diesmal per Mail. Wir bitten, unsere Reservierungen dem neuen Zeitplan anzupassen - mal sehen, wie kulant das Hotel mit unserem Ersuchen umgeht. Mit dem Fliegen wird es natürlich auch per Helikopter erstmal nichts, weswegen wir sehr erfreut sind, als Chris einen Besuch auf der koreanischen Station Jang-Bogo vermittelt.

Für 10:00 Uhr sind wir angemeldet. Obwohl Jang-Bogo vermeintlich gleich neben Gondwana liegt, dauert der Marsch doch fast eine halbe Stunde. Schon vor der Station erwartet uns der Leiter der Station und nimmt sich ausgiebig Zeit, um die verschiedenen Einrichtungen und Labore der Station zu zeigen. Zunächst besichtigen wir ein kleines Gebäude der Geophysiker, in dem sie Zugriff auf ein Seismometer und ein Gerät zur Messung der Erdanziehungskraft haben. Danach geht es zum Observatorium der Atmosphärenforscher, die durch fünf Glaskuppeln hindurch permanent den Himmel beobachten und beispielsweise die Ozonkonzentration messen. Auch die obere Atmosphäre wird untersucht. So wird etwa die Geschwindigkeit der neutralen Partikeln in einer Höhe von 250 Kilometer bestimmt. Ein besonders praktisches, wenn auch teures Gerät ist eine automatische Einrichtung zum Starten von Ballonen, die Wetterdaten bis in circa 30 Kilometer Höhe messen. Auch die Antennen für die Astrophysiker sind beeindruckend. Mit ihnen werden Eigenschaften der Ionosphäre gemessen. Es dauerte drei Jahre, um die Anlage fertigzustellen - immer wieder zerstörte der Wind die Antennen.

Quelle: DLR (CC-BY 3.0)
Die Stationen Gondwana (im Vordergrund) und Jang-Bogo.

Wir betreten das Stationsgebäude und ziehen die Schuhe aus. Wir waren gewarnt worden: In der Jang-Bogo-Station herrschten Temperaturen von 30 Grad Celsius, und man sollte im T-Shirt herumlaufen können. Es stellte sich aber heraus, dass die Temperaturen durchaus angenehm waren, und irgendwo sah Jean-Pierre einen Thermometer mit 23 Grad Celsius. Das ist natürlich etwas mehr, als wir im Durchschnitt von der Gondwana-Station gewohnt sind, aber überhitzt ist Jang-Bogo sicher nicht. Die Besichtigungstour geht weiter, und vor allem Jean-Pierre ist von dem modern und umfangreich ausgestatteten Biologie-Labor beeindruckt. Auch die Krankenstation überzeugt uns - von Röntgen bis zur Aufnahme eines EKG ist alles möglich. Sogar ein kleiner Operationssaal steht zur Verfügung. Nur die zahnmedizinische Versorgung ist weniger gut ausgebaut - einen Bohrer haben die Koreaner nicht in der Station.

Quelle: DLR (CC-BY 3.0)
Gewächshaus in der koreanischen Station Jang-Bogo.

Am meisten Zeit verbringen wir im Gespräch mit einem Kollegen, der an einem riesigen Projekt zur Entnahme von Eiskernen mitarbeitet. Bis zu 3000 Meter tief will man auf der ostantarktischen Eiskappe bohren, etwa 200 Kilometer von der französisch-italienischen Concordia-Station entfernt. An anderer Stelle soll ein subglazialer See angebohrt werden - für Planetologen von großem Interesse, sind doch die Seen tief unter der Eisoberfläche der Antarktis die bestmöglichen Analoge für die Ozeane im Untergrund der Eismonde wie Europa oder Enceladus. Gegenwärtig arbeiten die Koreaner an einer Landroute von Jang-Bogo an der Küste bis zu den Bohrgebieten. Es handelt sich um ein Langzeitprojekt mit internationalen Partnern (so wird etwa die Eisbohraustattung vom British Antarctic Survey gemietet), und wir vereinbaren, im Kontakt mit den Kollegen zu bleiben, denn auch das DLR hat an Techniken zur Erprobung subglazialer Seen großes Interesse.

Zuletzt zeigt man uns auch den "Tower" im obersten Stock der Station. Es handelt sich um einen Kontrollraum mit 360-Grad-Panoramasicht, in dem zahlreiche Monitore alle möglichen Parameter anzeigen, von den Wetterdaten bis zu den Funktionen der wichtigsten Anlagen der Station. Mindestens zwei Dutzend Kameras blenden ständig Bilder von besonders wichtigen Punkten im Gebäude ein.

Als wir Jang-Bogo verlassen, sind wir tief beeindruckt. Das koreanische Programm, das hier von KOPRI (dem Koreanischen Polar Research Institute) ermöglicht wird, ist vielfältig und anspruchsvoll. Wir können die koreanischen Forscher dazu nur beglückwünschen und hoffen auf mögliche Kooperationen. Auch an dieser Stelle möchten wir den Kollegen, vor allem dem Stationsleiter Dr. Geonhwa Jee, noch einmal herzlich für die freundlichen Empfang und die umfangreiche Besichtigung danken.

Weitere Bilder gibt es im Flickr-Album zur Expedition.

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Über den Autor

Ernst Hauber ist Geologe und untersucht die festen Oberflächen der terrestrischen Planeten. Sein Interesse gilt vor allem vulkanischen, tektonischen, und periglazialen Oberflächenformen, wobei er auch intensiv an terrestrischen Analogen arbeitet. Er ist Mitglied in verschiedenen Instrumententeams, die Mars, Merkur, und das Jupitersystem erforschen. Eine seiner Aufgaben ist es, eine sichere Landestelle für den ESA-Rover ExoMars auszuwählen. zur Autorenseite