Raumfahrt | 16. September 2014 | von Tom Uhlig

Was eine Astronautenfamilie über das Leben auf der Raumstation wissen sollte

Da waren's nur noch drei! Nachdem das Sojus-Raumschiff 38S von der Raumstation abgelegt hat, gibt es in diesem Universum nach "offizieller Zählart" nur noch drei Außerirdische, die in einer Höhe von etwas über 400 Kilometern die Erde umkreisen - unter ihnen der Deutsche Alexander Gerst.##markend##

Von diesen dreien stammen die nicht ganz ernst gemeinten Tipps, die mir der Kollege aus der Nachtschicht, Albert Schencking, in die Hand gedrückt hat und die sie an die Familien ihrer gerade frisch auf die Erde zurückgekehrten Kollegen gerichtet haben. Sie sind sicher das Ergebnis eines lustigen gemeinsamen Sonntagabends auf der ISS, und an diesem Spaß wollten sie auch uns in den Kontrollzentren teilhaben lassen.

Die Liste der Tipps soll den Erdlingen die teils befremdlichen Angewohnheiten der ehemaligen Raumstationsbewohner erklären, denn während des sechsmonatigen Aufenthaltes auf der ISS kann sich so manches seltsame Verhalten entwickeln. Und uns gibt sie interessante Einblicke in das Leben im Weltraum. Schauen wir also, wie sich Ex-Astronauten nach ihrer Rückkehr benehmen.

Gerst und Co. warnen in ihrer "Liste der Symptome" davor, dass die Angehörigen damit rechnen müssen, zukünftig jeden Tag mit einem fröhlichen "Good Morning, Houston, Huntsville, Munich, Tsukuba and Moskva, Station is ready for the morning DPC" geweckt zu werden. Dieser erste Funkspruch des Tages, der zu Beginn der morgendlichen Planungskonferenz (Daily Planning Conference - DPC) mit allen fünf ISS-Kontrollzentren gemacht wird, ist den Astronauten sicher in Fleisch und Blut übergegangen.

Quelle: ESA/NASA
Eindrucksvolle Aufnahmen von Alex Gerst gibt es zuhauf. Ob ein heimgekehrter Astronaut wohl auch
noch hunderte von Fotos am Tag macht?

Genauso bereitet die Liste die Angehörigen darauf vor, in den nächsten Tagen verschiedene Müllbeutel an der Garagenwand hängend zu finden - und zwar immer zwei ineinander. Und in der Tat gibt es keine Mülltonnen in der Raumstation, sondern aufgehängte "Jettison Stowage Bags", die zu allem Überfluss auch noch beschriftet und nummeriert sind, um in der komplizierten ISS-Bürokratie entsprechend prozessiert werden zu können. Und warum zwei ineinander? Nun, das ist ein Resultat der scharfen Sicherheitsvorschriften für die ISS: Sollten Teile des Mülls nicht ganz harmlos sein, dann besagen die Regeln, dass die Verpackung so beschaffen sein muss, dass ein einzelner "Störfall" den Inhalt nicht freisetzt. Also: Sollte eine Tüte reißen, hat man besser noch eine zweite Tüte außen herum - und nichts kann passieren...

Die "RRAFMs" (steht laut unseren Astronauten für "Recently Returned Astronaut Family Members") neigen wohl auch dazu, beim Verlassen des Hauses um einen "Buddy Check" zu bitten. Wer taucht, weiß, was gemeint ist: Wie beim Tauchen ist man auch beim Außenbordeinsatz im Weltall immer nur zu zweit unterwegs und überprüft sich immer gegenseitig, um Problemen vorzubeugen. Wieder auf der Erde, werden die RRAFMs dieses Verhalten wohl auch auf dem täglichen Spaziergang anwenden.

Von Alex Gerst, der immer wieder atemberaubende Fotos aus der ISS auf den Social Media-Kanälen veröffentlicht, stammt sehr wahrscheinlich dieser Hinweis auf der Liste: "Es ist durchaus üblich, dass ein RRAFM jeden Tag hunderte von Fotos durchs Fenster schießt, wobei ihn auch absolute Dunkelheit nicht davon abhalten kann."

Oder: "Ihr russischer Nachbar kommt jeden Freitag bei Ihnen vorbei und erkundigt sich, ob Sie an einem Nahrungsmitteltausch interessiert sind" - anscheinend hatte Maxim Surajew Gefallen an einem der amerikanischen Gerichte gefunden.

Am besten gefällt mir aber dieser hier: "Unsere Rauchmelder auf der Station müssen permanent eingeschaltet sein - wenn wir sie einmal kurzzeitig auszuschalten haben, müssen wir die Crew informieren, dass sie sich in der entsprechenden Zeit selbst vergewissern, dass im dem betroffenen Modul kein Feuer auftritt. Und ausschalten müssen wir sie, wenn die Crew in der Nähe der Rauchmelder mit dem Staubsauger hantiert und die Gefahr besteht, dass es zu einem Fehlalarm durch eventuell verstärkt durch den Melder fliegende Partikel kommt."

Deshalb erkennt man den heimgekehrten Astronauten laut Liste auch hieran: "Vor dem Staubsaugen erklärt Ihnen ihr RRAFM: Liebling, Du bist kurz für das Rauchmelden im Wohnzimmer zuständig!'"

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Über den Autor

Als Kind wollte Tom Uhlig Astronaut werden. Beim DLR kam er dabei seinem Traum sehr nahe: Er arbeitete als Columbus-Flugdirektor an der Konsole und leitete sowohl das Col-CC-Trainingsteam als auch Gruppe für den Betrieb von geostationären Satelliten bis Dezember 2016. zur Autorenseite