Raumfahrt | 29. April 2011

Ein langer Abschied

Endeavour auf der Startrampe
Endeavour auf der Startrampe

Der kleine Space Shop auf dem Gelände des Kennedy Space Center scheint einen Eindruck der Zeit zu vermitteln, die den Menschen am Cape nach dem Ende der Shuttleflüge bevorsteht. Es gibt auf alles Discount. Auch wenn viele hier an der Spacecoast mit unsicheren Gefühlen auf die nächsten Monate, auch Jahre schauen, so ist dennoch der Wille ungebrochen, an diesem für die Raumfahrt historischen Ort weiter ins All zu starten. Auch die einen Tag vor dem Start der STS-134-Mission stattfindenden Pressekonferenzen blicken nach vorn, nicht nur auf die bevorstehende Mission.

Vorallem die Firma Space-X, ein kommerzieller Anbieter von Raumtransportsystemen, lässt keine Chance aus, auf die Zukunft der Anlagen hier zu verweisen. Trotzdem, ein Astronaut den ich auf die Zukunft des Kennedy Space Center anspreche, wischt sich symbolisch eine Träne aus dem linken Auge. Mehr gibt es zur Zeit nicht zu sagen.

Das alles jedoch ist nicht der Grund für die Anwesenheit von mehr als 1500 Journalisten und erwarteten rund 500.000 Zaungästen, die die Straßen rund um das Space Center in den Stunden vor dem Start belagern werden. Die Endeavour ist es, das als letztes gebaute Space Shuttle tritt seinen letzten Flug an, geht auf seine letzte Mission - STS-134. Die "Geburt" des Orbiter Vehicle-105 (OV-105) Endeavour hat ihren Ursprung in der Challengerkatastrophe. Den Auftrag zum Bau der Endeavour vergab die NASA am 31. Juli 1987. STS-49 war 1992 ihr erster Flug. Nur 14 Jahre später wird sie nach einem vierzehntägigen Flug gegroundet, wie es in der Fliegersprache heißt. Beim 25. und letzten Flug dieses Shuttle ist das AMS-Experiment an Bord. Die Wissenschaft begibt sich nun auch an Bord der ISS auf die Suche nach den Dingen, die die Welt in ihrem Innersten zusammen halten. So jedenfalls die Theorie der Astrophysiker - auf die Suche nach dunkler Materie. Findet sich auch nur ein Teilchen Antimaterie, so der Nobelpreisträger Sam Ting, Vater von AMS, dann werden wir uns neue Gedanken machen müssen über das, was wir vom Kosmos wissen und was nicht.

Es ist der vorletzte Flug eines Shuttle mit der unspektakulären Bezeichnung ULF-6. Die Flotte einmal gebaut auch für die Versorgung von Infratsrukturen im erdnahen Raum hat erst das Ende des kalten Krieges zu dem gemacht, was sie sein sollte, eine Transportflotte. Die Flüge zur russischen Mir-Station und dann zur ISS haben ihr die Bestimmung gegeben. Mit dem Alpha-Magnet-Spektrometer fliegt an Bord der Endeavour das größte Experiment zur ISS, vier Meter lang, sieben Tonnen schwer. Bis zum Ende der ISS wird das Spektrometer kleinste Teilchen sammeln und uns vielleicht eine neue Sicht auf die Entstehung und die Existenz des Universums eröffnen. Ein Blick in die Vergangenheit, der einiges für die Zukunft bereit halten kann. Nach der letzten Landung werden 133 Astronauten an Bord der Endeavour gewesen sein. Mehr als 4600 mal hat sie dann die Erde umkreist und rund 120 Millionen Meilen zurück gelegt.

Ihre "letzte Ruhe" wird die Endeavour im California Science Center in Los Angeles finden. Unweit der Fabriken und Teststände aus denen die Shuttleflotte hervorgegangen ist.

Das Ende der Space Shuttle soll dann im Juni kommen. Dann wird die Atlantis zur Mission STS-135 starten. Ein letztes Mal für "the Beauty and the Beast" wie die Astroauten ehrfurchtsvoll das Shuttle bezeichnen. Der letzte Flug eines historischen Kapitels der technischen Menschheitsgeschichte. Nicht mehr bemannt ins All fliegen zu können, ist für viele Amerikaner nicht vorstellbar. Raumfahrt steht hier in den USA für Technologie am Rande des Machbaren und als Zeichen für Stärke und Stolz. Viele hier tragen kleine Schleifen mit der Aufschrift "Go Endeavour". Ein Zeichen der Hoffnung und Solidarität, so sagt es mir eine NASA-Kollegin, die seit Jahrzehnten hier im Pressezentrum arbeitet.

Alle haben sich versammelt, um Abschied zu nehmen. So meint man. Denn blickt man aus dem Pressezentrum hinüber zum VAB (Vehicle Assembly Building), einem der größten Gebäude der Welt, dann ist selbst der Horst einer kleinen Geierfamilie besetzt. Ein seltener Anblick. Noch seltener ist der Besuch von Seekühen und Delphinen, die sich heute in der kleinen Bucht vor der legendären Startuhr am Pressezentrum getummelt haben.

Die Vorbereitungen für den 134. Start eines Space Shuttle laufen ab wie immer, pünklich und präzise. Dies wird dann auch der Fall sein beim letzten Flug. Alle hier wollen beweisen, dass es ohne sie keinen Weg ins All gibt. Auf meine Frage, ob sie denn nach dem letzten Start ihren Schreibtisch räumen wird, antwortet mir die Pressekollegin kurz und bündig: "Warum denn? Es gibt noch viel zu tun." Das zeigt sich auch auf dem auf dem Weg von Cocoa Beach, der nächsten Stadt, zum Space Center, hier reihen sich einige Baustellen aneinander, die für die Zukunft bestimmt sind, so ein Innovationszentrum.

Als symbolisch kann man das Missionslogo von STS-134 betrachten. Im Zentrum ist der Urknall dargestellt, umgeben von Elektronen die einen Atomkern umkreisen. Das die Internationale Raumstation anfliegende Space Shuttle streift den Erdhorizont auf dem Weg, um ein neues Tor beim Verständnis unseres Universums aufzustoßen.

So ist der letzte Flug der Endeauvour irgendwie auch ein Blick in die Zukunft, wenn auch für den Moment ein etwas trauriger. Hier an der Space Coast, wo viels in der Raumfahrt seinen Anfang und sein Ende genommen hat, nicht nur die Geschichte des Space Shuttle.

Alle Bilder: NASA.

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