Knapp 50 Jahre ist es her, dass Astronauten zum letzten Mal den Mond betreten haben (Apollo 17, Dezember 1972). Das soll sich noch in diesem Jahrzehnt ändern: Das Artemis-Programm der NASA sieht vor, wieder Menschen auf unserem Trabanten zu landen. Dieses Mal wird auch die erste Frau dabei sein, die zum Mond fliegt. Aber nicht nur das: Gemeinsam mit internationalen Partnern soll ein dauerhaftes Basislager auf dem Mond errichtet werden, und zusammen mit dem Lunar Gateway, einer Raumstation in der Mondumlaufbahn, die sowohl zur Forschung als auch als „Umsteigebahnhof“ zwischen Raumfähre und Mondoberfläche dient, wird der nächste große Schritt der Menschheit vorbereitet: der erste Flug von Astronautinnen und Astronauten zum Mars.
Für dieses gewaltige Unterfangen entwickelte die NASA eine neue Rakete, das sogenannte Space Launch System (SLS). Sie kann gleichzeitig ein Raumschiff, Astronautinnen und Astronauten sowie Fracht zum Mond transportieren. Ebenso neu konstruiert für die Missionen zum Mond wurde das Orion-Raumschiff, das Platz für eine vierköpfige Crew bietet. Ein zentraler Teil aller Orion-Raumschiffe ist das Europäische Servicemodul ESM. Die Antriebs- und Versorgungseinheit für das Raumschiff wurde im Auftrag der NASA von der Europäischen Weltraumagentur ESA mit deutscher Technologie hauptverantwortlich am Standort Bremen gebaut.
Allem voran gilt es aber, die größtmögliche Sicherheit für die Astronautinnen und Astronauten zu gewährleisten. Ein essentieller Baustein hierfür ist die Minimierung des Strahlenrisikos während Langzeitmissionen im All. Denn ohne das schützende Magnetfeld der Erde ist der Mensch einer sehr hohen Strahlung ausgesetzt. Die Strahlenbelastung auf dem Mond ist zum Beispiel rund 800 Mal höher als auf der Erde. Die kosmische Strahlung kann beispielsweise das Krebsrisiko erhöhen oder das Sehvermögen schädigen. Hinzu kommt die Gefahr durch solare Teilchenereignisse – diese werden durch Explosionen auf der Sonne hervorgerufen und setzen den Menschen in sehr kurzer Zeit einer extrem hohen Dosis Strahlung aus, was zur Strahlenkrankheit führen kann. Deshalb ist es für zukünftige Missionen entscheidend, das Strahlenrisiko zu kennen und Schutzmaßnahmen für die Astronautinnen und Astronauten zu entwickeln.
Die erste Artemis-Mission, die im Sommer 2022 starten soll, wird noch ohne eine Besatzung aus Fleisch und Blut stattfinden. Ganz „unbemannt“ ist der (maximal 42-tägige) Flug zum Mond und wieder zurück zur Erde aber nicht - an Bord werden sich zwei weibliche „Phantome“ befinden: Helga und Zohar. Sie sind mit speziellen Strahlungsdetektoren ausgestattete Messkörper, die den weiblichen Torso samt seinen Fortpflanzungsorganen nachbilden, sodass die Strahlungsdosis in den besonders strahlungsempfindlichen Organen gemessen werden kann. MARE (Matroshka AstroRad Radiation Experiment), so der Name des Experiments, das vom DLR-Institut für Luft- und Raumfahrtmedizin geleitet wird, erforscht, welche Strahlenbelastung auf die zukünftigen Artemis-Crews zukommen wird.
Mit MARE wird auch erstmals die Strahlenbelastung auf den weiblichen Organismus außerhalb der Umlaufbahn der Internationalen Raumstation ISS gemessen. Frauen haben ein allgemein höheres Risiko als Männer, an Krebs zu erkranken. Daher ist es wichtig, die Schutzmaßnahmen für die Besatzungen zukünftiger Langzeitmissionen auf Grundlage dieser Daten zu entwickeln. Die von der israelischen Raumfahrtagentur beigesteuerte Zohar wird mit einer Schutzweste (AstroRad) des israelischen Unternehmens StemRad zum Mond fliegen, Helga hingegen wir ohne jeglichen Schutz fliegen. So sammeln die baugleichen Modelle vergleichbare Datensätze. Insgesamt über 6000 passive Messsensoren sind jeweils auf der Oberfläche und im Innern der Körper angebracht. Nach dem Raumflug um den Mond werden die Strahlungswerte beider Modelle verglichen, um die Wirksamkeit der AstroRad-Schutzweste bewerten zu können.
Zum ersten Mal werden mit MARE auch kontinuierlich Messdaten erfasst, mit denen sich bestimmen lässt, wie hoch die Strahlungsbelastung zu bestimmten Zeitpunkten während des Flugs zum Mond innerhalb des Raumschiffs war. Dies wird unter anderem mit 16 vom DLR entwickelten Strahlungsmessgeräten, den sogenannten DLR M-42 erfolgen.
Die Strahlenbelastung, der die Astronautinnen und Astronauten an Bord der ISS ausgesetzt sind, wird seit Jahren vom DLR-Institut für Luft- und Raumfahrtmedizin untersucht. Ab 2004 war für eineinhalb Jahre eine „männliche“ Messpuppe (Matroshka) an der Außenwand der ISS angebracht, um zu ermitteln, wie hoch die Strahlenbelastung während eines Außenbordeinsatzes ist. Später wurde mit ihr auch im Inneren der ISS in verschiedenen Modulen die kosmische Strahlung erfasst. Seit 2012 misst das DLR-Experiment DOSIS 3D im Columbus-Labor der Raumstation. Mit den Ergebnissen wird ein 3D-Modell der Strahlenbelastung auf der Raumstation erstellt.
Während der Artemis-1-Mission wird sich das Orion-Raumschiff fast über eine halbe Million Kilometer weit von der Erde entfernen – das ist weiter als jemals zuvor ein Crew-Raumschiff geflogen ist. Beste Voraussetzungen, um mithilfe der Testpuppen jede Menge Daten zu sammeln, die die Reise für die zukünftigen „leibhaftigen“ Besatzungen sicher machen.