22. Januar 2015

Die Gräben des Nils: Beobachtungsziel von Marssonden in der Nähe des Landeplatzes von "Beagle 2"

Die Nili Fossae, (lat.: Gräben des Nils), fielen den Astronomen bereits im vergangenen Jahrhundert auf, als der Mars nur mit Teleskopen von der Erde aus beobachtet werden konnte. Am Ostrand des großen Isidis-Einschlagsbeckens mit der Vulkanregion Syrtis Major bilden die mehrere hundert Kilometer langen Grabenbrüche von Nili Fossae ein konzentrisches, parallel zum Rand des Beckens verlaufendes Muster. Instrumente an Bord der aktuellen Marsorbiter haben gezeigt, dass die Mineralogie in dieser Gegend sehr vielseitig und ungewöhnlich ist. Die vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) betriebene Stereokamera HRSC auf Mars Express fotografierte die Nili Fossae am 16. Oktober 2014.

Das Gebiet befindet sich bei 75 Grad östlicher Länge und 24 Grad nördlicher Breite, nordwestlich von Isidis Planitia, einem Becken von etwa 1500 Kilometern Durchmesser. Isidis war als Landestelle für die Mars Express-Landesonde Beagle 2 vorgesehen, deren Verbleib seit dem Abtrennen vom Orbiter am 19. Dezember 2003 ungewiss war: Beagle 2 hätte am 25. Dezember 2003 landen sollen, hat sich aber nie mehr mit einem Funksignal bei der Muttersonde gemeldet. Erst jetzt wurde der verschollene Lander auf Bildern des Mars Reconnaissance-Orbiters der NASA wieder entdeckt. Auf diesen Bildern ist zu erkennen, dass Beagle 2 zumindest nicht auf dem Boden zerschellt ist, da zwei oder sogar drei seiner Sonnensegel ausgeklappt sind. Vermutlich war die Antenne aber nicht einsatzfähig.

Isidis Planitia ist zum einen von intensivem Vulkanismus aus der Frühzeit des Mars geprägt, zum anderen dürften dort aus ehemaligen Flusstälern abgelagerte Sedimente anzutreffen sein, die von fließendem Wasser in die Niederungen des Beckens transportiert wurden. Das Grabensystem der Nili Fossae zeichnet durch ihre halbkreisförmige Krümmung den Rand des Einschlagsbeckens nach (siehe Bild 5). Es handelt sich also um Brüche in der Marskruste, die durch Dehnungsspannung als Folge der Setzungsbewegungen in der Marskruste nach dem Isidis-Einschlag entstanden sind. Als das mehrere Kilometer tiefe Becken durch die Auflast von schweren, eisenreichen Laven weiter abgesenkt wurde, kam es im Kraterrand zu starken Dehnungsspannungen und einem Aufbrechen der Kruste. Ähnliche Spannungsbrüche sind auf der gegenüberliegenden Seite des Einschlagsbeckens in Form der Amenthes Fossae, sozusagen als Pendant zu Nili Fossae, identifizierbar.

Außergewöhnlich vielseitige Mineralogie und Spuren von Methan

Auf den hier veröffentlichten Bildern ist der am weitesten im Osten gelegene bogenförmige Graben mit einer Breite von etwa 20 Kilometern und tausend Metern Tiefe teilweise zu sehen. Die Abhänge, die das Tal begrenzen, sind auffallend steil und geben ihm ein kastenförmiges Profil. Stellenweise erkennt man in den Abhängen Schichtungen im Gestein. Interessant ist das Gebiet der Nili Fossae nicht nur wegen seiner abwechslungsreichen Mineralogie, darunter Tonminerale (sogenannte Phyllosilikate, in deren Kristallstruktur Wassermoleküle eingebaut sind), mit Kalken vergleichbare Karbonate und opalartige, also amorphe Silikate, sondern auch wegen erhöhter Konzentrationen des Spurengases Methan, das mit Teleskopbeobachtungen von der Erde nachgewiesen wurde.

Methan ist ein nur für kurze Zeit stabiles Kohlenwasserstoff-Molekül. Tritt es in erhöhter Konzentration auf, sollte dies ein Hinweis darauf sein, dass das Gas eine "Quelle" hat, die frisches Methan an die Atmosphäre abgibt. Denkbar sind hier zum einen Reste vulkanischer Aktivität in der Marskruste. Methan entsteht aber auch auf biologischem Weg, als Stoffwechselprodukt von Organismen: Ein biologischer Ursprung für das Methan auf dem Mars ist zwar reine Spekulation, kann aber auch noch nicht endgültig ausgeschlossen werden.

Die vielen unterschiedlichen Minerale, die in dieser Landschaft identifiziert wurden, machten die Nili Fossae in den letzten Jahren zu einem wichtigen Ziel für Spektrometerbeobachtungen aus der Umlaufbahn: Neben Mars Express (OMEGA-Experiment) auch mit den beiden NASA-Satelliten Mars Odyssey (THEMIS) und dem Mars Reconnaissance Orbiter (CRISM). Im Laufe der Marsgeschichte wandelten sich die Minerale der ursprünglich dort vorhandenen Gesteine durch den Einfluss von Wasser immer wieder um. Dieses Wasser floss vermutlich nicht nur über den Mars, sondern wirkte in Form von vulkanisch erwärmten, hydrothermalen Lösungen auch in Hohlräumen unter der Oberfläche, wo es durch Spalten zirkulierte.

Explosionen mit unterirdischem Wasserdampf

Die Hochfläche ist von mehreren Senken geprägt, von denen manche in Verbindung mit dem Hauptgraben der Nili Fossae stehen. Sie erinnern an Täler mit rückschreitender Erosion (im Englischen als "sapping valleys" bezeichnet). Die rückschreitende Erosion wird in solchen Tälern durch Grundwasser verursacht, das unter der Geländekante am hinteren Talende austritt. Die dadurch entstehenden Hohlräume stürzen ein, und das erodierte Material wird durch fließendes Wasser entlang des Talverlaufs abtransportiert. So schneidet sich die Wasserquelle mit dem immer länger werdenden Tal langsam in das bestehende Plateau ein.

In der rechten Bildhälfte der Bilder 1, 3 und 4 ist ein großer Einschlagskrater mit einem Durchmesser von 55 Kilometern zu sehen, in dessen Mitte sich eine zweihundert Meter tiefe Kuhle befindet. Sie ist umgeben von einem Ring aus Material, das offensichtlich aus dieser Vertiefung stammt. Die Wissenschaftler nehmen an, dass Wasser oder Eis in der Marskruste durch die große Energie des Asteroiden-Einschlags (die an diesem Punkt ihren höchsten Wert erreichte) schlagartig erhitzt und verdampft wurde. Der erhitzte Wasserdampf dehnte sich aus, und es kam zu einer unterirdischen Explosion, die sich nach oben Bahn brach. Dabei wurde die Kruste zerrüttet, teilweise sogar durchbrochen und ein solches Loch verursacht. Eine große Menge des durchstoßenen Gesteins wurde nach oben geschleudert und anschließend in der Umgebung wieder abgelagert.

  • Das HRSC-Experiment

    Die High Resolution Stereo Kamera (HRSC) wurde am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) entwickelt und in Kooperation mit industriellen Partnern gebaut (EADS Astrium, Lewicki Microelectronic GmbH und Jena-Optronik GmbH). Das Wissenschaftsteam unter Leitung des Principal Investigators (PI) Prof. Dr. Ralf Jaumann besteht aus 52 Co-Investigatoren, die aus 34 Institutionen und elf Nationen stammen. Die Kamera wird vom DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin-Adlershof betrieben.

  • Bildverarbeitung

    Die Aufnahmen mit der HRSC (High Resolution Stereo Camera) entstanden am 16. Dezember 2014 während Orbit 13.699 von Mars Express bei etwa 24 Grad nördlicher Länge und 75 Grad östlicher Breite. Die Bildauflösung beträgt etwa 18 Meter pro Bildpunkt (Pixel). Die Farbdraufsicht (Bild 1) wurde aus dem senkrecht auf die Marsoberfläche gerichteten Nadirkanal und den Farbkanälen der HRSC erstellt; die perspektivische Schrägansicht (Bild 2) wurde aus den Stereokanälen der HRSC berechnet. Das Anaglyphenbild (Bild 3), das bei Betrachtung mit einer Rot-Blau- oder Rot-Grün-Brille einen dreidimensionalen Eindruck der Landschaft vermittelt, wurde aus dem Nadirkanal und einem Stereokanal abgeleitet. Die in Regenbogenfarben kodierte Draufsicht (Bild 4) beruht auf einem digitalen Geländemodell der Region, von dem sich die Topographie der Landschaft ableiten lässt.

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Tel: +49 2203 601-1852

Prof. Dr. Ralf Jaumann

Freie Universität Berlin
Institut für Geologische Wissenschaften
Planetologie und Fernerkundung
Malteserstr. 74-100, 12249 Berlin

Ulrich Köhler

Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Institut für Planetenforschung
Rutherfordstraße 2, 12489 Berlin