1. Juni 2015

Mit Sonnenenergie und Batterien um die Welt: Solar Impulse und die Perspektiven regenerativer Energien in der Luftfahrt

Einmal in der Luft um die Welt und das einzig mit der Kraft der Sonne. Die Schweizer Bertrand Piccard und André Borschberg haben sich auf diese abenteuerliche Reise mit ihrem Leichtbauflugzeug Solar Impulse 2 begeben. Auf ihrem Weg um den Globus in zwölf Etappen sind ihre größte Herausforderung die Ozeane. Insbesondere der Flug von Nanjing in China nach Hawaii ist eine echte Bewährungsprobe. Der ähnlich einem Linienjet große Solarflieger soll dabei mit nur einem Piloten fünf Tage und fünf Nächte in der Luft bleiben. Am Tag werden die vier elektrischen Propeller von der Sonne angetrieben, in der Nacht durch die tagsüber geladenen Batterien. Ein Projekt ganz in der Tradition erster fliegerischer Pioniertaten, das die Perspektive regenerativer Energien für die Luftfahrt ins Licht der öffentlichen Wahrnehmung rückt. Schon die filigrane Konstruktion, die kaum mehr wiegt als ein schwerer Mittelklassewagen und die Spannweite eines Jumbos überbietet, ist ein Wagnis. Das DLR hat sie getestet. Drei DLR-Wissenschaftler geben Antworten zum Schwingungsverhalten dieses außergewöhnlichen Solarflugzeugs, zur Perspektive des elektrischen Fliegens und zur Bedeutung alternativer Treibstoffe für die zukünftige Luftfahrt.

Interviews von Falk Dambowsky

Dr.-Ing Yves Govers vom DLR-Institut für Aeroelastik leitete 2014 die Standschwingungsversuche am neuen Flugzeug von Solar Impulse, das jetzt auf der Reise um den Globus ist, und testete schon 2010 den ersten Solar-Flieger des Schweizer Projekts.

Herr Govers, die Solar Impulse 2 hat eine Spannweite, die die Tragflächen eines Jumbojets überbietet und wiegt dabei kaum mehr als ein großer PKW. Ist solch ein Fluggerät nicht sehr empfindlich gegenüber jeglichen Belastungen in der Luft wie etwa starken Winden?

Ohne extremen Leichtbau wäre dieses Projekt nicht möglich und hier bewegt man sich tatsächlich am Rande des technisch Machbaren. Aerodynamische Belastungen etwa infolge von Böen sicher zu tolerieren, war von Beginn an ein Treiber für die Entwicklungen von Solar Impulse. Dennoch wird das Projekt von Meteorologen begleitet, die eine optimale und gefährdungsarme Route bei der Weltumrundung bestimmen. So versucht man Unwettern aus dem Weg zu gehen.

Sich verstärkende Schwingungen haben schon ganze Brücken zum Einsturz gebracht. Wie lässt sich sicher vor dem ersten Flug ausschließen, dass es nicht zum gefürchteten Flattern bei solch einem sensiblen Flugzeug kommt?

Wir haben vergangenes Jahr die SolarImpulse 2 in einem Standschwingungsversuch ausführlich getestet. Anschließend wurde auf Grundlage der Testdaten eine numerische Simulation durchgeführt, die das Flatterproblem behandelt und eine genaue Beurteilung der Flattergefährdung zulässt. Theoretisch können danach noch strukturelle Veränderungen am Flugzeug nötig sein. Danach kann das Flattern ausgeschlossen werden.

Wie hat die Solar Impulse 2 die anspruchsvollen Tests bestanden?

Die Schwingungstests sind nach Plan verlaufen. Die Ingenieure bei SolarImpulse haben da wirklich erstklassige Arbeit geleistet. Die SolarImpulse 2 ist ein außergewöhnliches Flugzeug, ebenso außergewöhnlich waren für uns die Standschwingungsversuche. Die extreme Leichtbauweise des Solarfliegers führt gewollt zu sehr langsamen Schwingungen mit großen Auslenkungen, die man mit bloßem Auge deutlich sehen kann. Das ist ein einzigartiger Anblick.

DLR testet Solarflugzeug für Weltumrundung
Einmal mit der Kraft der Sonne um die Erde fliegen und dabei Kontinente und Ozeane überwinden. Diesem bisher unerreichten Ziel stellt sich das Projekt SolarImpulse. Mit einem extrem leichten Flugzeug bedeckt von Solarzellen und angetrieben von vier Elektropropellern soll dieses fliegerische Wagnis 2015 gelingen. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) hat in einem rund zweiwöchigen Standschwingungsversuch bis Anfang April das Strukturverhalten des Leichtbaufliegers untersucht. Damit erhalten die Solarflugpioniere aus der Schweiz wertvolle Informationen über das zukünftige Flugverhalten ihres Prototyps. Ein wichtiger Schritt für den Flug um die Welt.

Dr.-Ing Josef Kallo ist Leiter des Fachgebiets Elektrochemische Systeme am DLR-Institut für Technische Thermodynamik. Als Projektleiter hat er das DLR-Brennstoffzellenflugzeug Antares DLR-H2 in die Luft gebracht und forscht an neuen Technologien für das elektrische Fliegen von morgen.

Herr Kallo, mit der Weltumrundung von Solar Impulse wird der Traum vom emissionsfreien Fliegen in den Blickpunkt der Öffentlichkeit gerückt. Wie weit sind wir davon noch im regulären Flugbetrieb entfernt?

Einen Menschen emissionsfrei um die Welt fliegen zu lassen ist tatsächlich eine besondere Leistung. Das Konzept vereint eine Vielzahl hochoptimierter Systeme für diesen besonderen Einsatz. Im regulären, alltäglichen Flugbetrieb ist der Einsatz dieses Konzeptes jedoch aufgrund der geringen Antriebsleistung und der niedrigen Fluggeschwindigkeit von nur rund 70 Kilometern pro Stunde nicht absehbar.

Ist die Nutzung von Solarzellen als Energielieferant der wahrscheinlichste Weg für das elektrische Fliegen der Zukunft?

Für unbemannte hochfliegende Plattformen sind Solarzellen in der Tat ein vielversprechendes Energieumwandlungssystem, um ausreichend elektrische Energie für den Flugantrieb bereit zu stellen. Für bemannte elektrische Flugzeuge mit einigen Passagieren ist das allerdings nicht der günstigste Weg. Hier stellt ein Hybrid aus Wasserstoffbrennstoffzellen und Hochleistungsbatterie eine sehr vielversprechende Energiequelle für den Antrieb dar. Wenn der Wasserstoff mithilfe erneuerbaren Energiequellen als Treibstoff produziert wird, so ist dieses Konzept ebenso wie bei der Nutzung der Sonnenenergie mit Solarzellen eine CO2- und schadstofffreie Antriebstechnik.

Die Solar Impulse 2 ist ja nicht gerade schnell mit gut 70 Kilometern pro Stunde unterwegs, allerdings bei einer theoretisch unbegrenzten Reichweite. Wie leistungsfähig können elektrische Flugzeuge noch werden?

Elektrische Flugzeuge mit Batterie und Wasserstoffbrennstoffzellen-Antrieb fliegen bereits heute mit Geschwindigkeiten bis zu 200 Kilometern pro Stunde und mit einer Reichweite von bis zu 700 Kilometern. In naher Zukunft sind mit heutiger Technologie viersitzige Flugzeuge mit bis zu 1500 Kilometern Reichweite realisierbar. Ein 40-60 sitziges Flugzeug mit elektrischem Hybridantrieb ist zukünftig denkbar, wobei es noch einiger Entwicklungs- und Integrationsarbeit bedarf, speziell um den Energiespeicher und den Antrieb für den Flugzeugeinsatz zu optimieren. Im Langstreckenlinienverkehr bleibt die Nutzung eines elektrischen Antriebs wohl auf längere Sicht noch ein Traum.

Dr. Patrick Le Clercq vom DLR-Institut für Verbrennungstechnik leitet das Forschungsprojekt ECLIF (Emission and Climate Impact of Alternative Fuels), in dessen Rahmen sowohl die Verbrennung im Triebwerk als auch die resultierenden Emissionen alternativer Treibstoffe bei Flugversuchen im Herbst 2015 untersucht werden. 2014 war er bereits bei ähnlichen Flugversuchen beteiligt, die das DLR gemeinsam mit der NASA durchführte.

Herr Le Clercq, im Langstreckenbereich werden Elektroflugzeuge auf lange Sicht nicht mit konventionellen Flugzeugen konkurrieren können. Welche Möglichkeiten gibt es im Bereich alternative Treibstoffe auf regenerative Energien zu setzen?

Man muss sich vor Augen führen, dass es ein gewaltiger Schritt ist, ein vollständig neues Antriebssystem in der Luftfahrt einzuführen. Für den Lang- und Mittelstreckenluftverkehr ist es deshalb ein konsequenter Weg, den heutigen Verbrennungsantrieb von Flugzeugen hinsichtlich einer nachhaltigen Nutzung weiterzuentwickeln. Technisch ist die Verwendung alternativer Treibstoffe, die nicht aus Rohöl gewonnen werden, möglich und nachgewiesen. Entscheidend ist für die Zukunft, wie möglichst regenerativ, gesellschaftsverträglich und kosteneffizient alternative Treibstoffe für die Luftfahrt bereitgestellt werden können. Kerosingewinnung aus Biomasse, die nicht in Konkurrenz zu Nahrungsmitteln steht wie etwa durch Algenzüchtung, wird dabei sicher ein wichtiges Thema sein. Besonders interessant für die weitere Zukunft ist die Gewinnung von Kerosin aus CO2, Wasser und Sonnenenergie, wie es im EU-Projekt Solar-Jet, an dem wir beteiligt waren, bereits im Labor untersucht wurde. Wird diese Treibstoffgewinnung eines Tages alltagstauglich, hätten wir einen nachhaltigen Wandel im Lang- und Mittelstreckenverkehr ohne die Antriebstechnik neu zu erfinden.

Lassen sich die Emissionen und deren Klimawirkung anhand des Treibstoffs beeinflussen?

Vorneweg ist hier festzuhalten, dass der Ausstoß von CO2 nicht anhand der Zusammensetzung des Treibstoffs reduziert werden kann sondern nur indirekt wie gerade benannt über die CO2-neutrale Herstellung. Die Energie für die Fortbewegung eines Flugzeugs kommt aus der Verbrennung der Kohlenwasserstoffe im Kerosin und diese wird weiter benötigt. Doch es gibt weitere Emissionen wie Stickoxide, Schwefeloxide und Ruß auf die sehr wohl im Rahmen der Zusammensetzung alternativer Treibstoffe Einfluss genommen werden kann. Ein Thema sind schwefelarme Treibstoffe. Hierzu hat das DLR im vergangenen Jahr eine Flugversuchskampagne gemeinsam mit der NASA durchgeführt mit vielversprechenden Ergebnissen in Hinblick auf die klimarelevanten Nicht-CO2-Emissionen. In diesem Jahr planen wir DLR-Flugversuche zu alternativen Treibstoffen bei denen die Variation der ringförmigen Kohlenwasserstoffe, sogenannter Aromaten, und deren resultierende Emissionen im Mittelpunkt stehen. Diese haben Einfluss auf die Rußbildung, die wiederum die Kondensstreifen Bildung beeinflusst und damit die Klimawirkung des Luftverkehrs.

Welche Perspektive sehen Sie für alternative Treibstoffe in der Luftfahrt für die kommenden Jahre?

Kurzfristig folgt das Interesse an alternativen Kraftstoffen dem Ölpreis, der zurzeit ja recht niedrig ist. Langfristig kann das aber nicht die entscheidende Rolle spielen, denn es gibt von vielen Seiten ambitionierte Ziele. Beispielsweise hat der internationale Dachverband der Fluggesellschaften IATA (International Air Transport Association) als Ziel formuliert, dass der Luftverkehr im Jahr 2050 eine Halbierung seines CO2-Ausstoßes im Vergleich zum Jahr 2005 erreichen soll. In der europäischen Luftfahrtvision, dem Flightpath 2050, steht das beschlossene Ziel den CO2-Ausstoß des Luftverkehrs bis zur Mitte des Jahrhunderts sogar um 75 Prozent gegenüber dem Jahr 2000 zu senken. Zu diesen Zielen können die regenerativen Treibstoffe für die Luftfahrt einen entscheidenden Beitrag leisten. Es zeichnet sich ein schrittweiser Transformationsprozess ab, der weitere umfangreiche Forschungsarbeiten beinhaltet.

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Kontakt

Falk Dambowsky

Leitung Media Relations, Presseredaktion
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Kommunikation
Linder Höhe, 51147 Köln
Tel: +49 2203 601-3959

Dr.-Ing. Yves Govers

stellv. Abteilungsleiter Strukturdynamik und Systemidentifikation
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Institut für Aeroelastik
Strukturdynamik und Systemidentifikation
Bunsenstr. 10, 37073 Göttingen

Prof. Dr.-Ing. Josef Kallo

Koordinator Gruppe Energiesystemintegration
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Institut für Technische Thermodynamik

Dr. Patrick Le Clercq

Mehrphasenströmung und Alternative Treibstoffe
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Institut für Verbrennungstechnik
Pfaffenwaldring 38-40, 70569 Stuttgart