24. Februar 2016

Re­gen­wald un­term Ra­dar

DO 228 nach einem Messflug
DO 228 nach ei­nem Mess­flug
Bild 1/3, Credit: DLR (CC-BY 3.0).

DO 228 nach einem Messflug

Die zwei­mo­to­ri­ge Tur­bo­pro­pel­ler-Ma­schi­ne DO 228-212 eig­net sich durch ih­re recht­e­cki­ge Ka­bi­ne und die großen Öff­nun­gen im Bo­den be­son­ders gut zur In­stal­la­ti­on von spe­zi­el­len Ka­me­ra- und Ra­dar­sys­te­men.
Ra­dar­auf­nah­me des F-SAR Sys­tems über dem Pon­ga­ra-Na­tio­nal­park süd­lich von Li­bre­ville, Ga­bun
Bild 2/3, Credit: DLR (CC-BY 3.0).

Radaraufnahme des F-SAR Systems über dem Pongara-Nationalpark südlich von Libreville, Gabun

Im Pon­ga­ra-Na­tio­nal­park gibt es noch große Flä­chen un­be­rühr­ten Man­gro­ven­walds, der wei­ter im Lan­des­in­ne­ren an dich­ten Re­gen­wald an­grenzt. Die Farb­ge­stal­tung spie­gelt un­ter­schied­li­che Ar­ten der Rückstreu­ung des Ra­dar­si­gnals wi­der. Wer­den die Si­gna­le im L-Band (23cm Wel­len­län­ge) vor­wie­gend von ve­ge­ta­ti­ons­frei­en Ober­flä­chen (z.B. Was­ser, freie Fel­der) re­flek­tiert, er­schei­nen sie im Bild blau. Ei­ne über­wie­gen­de zwei­fa­che Rückstreu­ung (z.B. an den ver­ti­ka­len Man­gro­ven­stäm­men und der Was­sero­ber­flä­che) wird rot an­ge­zeigt. Und ei­ne vor­herr­schend un­ge­rich­te­te Rückstreu­ung, ins­be­son­de­re aus dem Vo­lu­men der Baum­kro­ne des Re­gen­walds er­scheint grün.
Ra­dar­re­flek­tor
Bild 3/3, Credit: DLR (CC-BY 3.0).

Radarreflektor

Der Re­flek­tor mit sei­nen drei senk­recht auf­ein­an­der ste­hen­den Flä­chen sam­melt die ge­sam­te ein­fal­len­de Ener­gie und sen­det sie wie­der di­rekt in die Rich­tung zu­rück aus der sie kam - ana­log zu ei­nem Kat­zen­au­ge im sicht­ba­ren Be­reich. Die ge­sam­te Ener­gie scheint da­bei di­rekt aus der in­ne­ren Ecke des Re­flek­tors zu kom­men. Die­se hin­te­re Ecke wur­de sehr ge­nau mit GPS ver­mes­sen. So wur­de auf we­ni­ge Zen­ti­me­ter ge­nau be­stimmt, ob die Ra­dar­da­ten geo­me­trisch ex­akt sind. Even­tu­el­le Pro­ble­me in der Hard­ware kön­nen sich bei­spiels­wei­se in ei­ner schein­ba­ren Po­si­ti­ons­än­de­rung wi­der­spie­geln. Zum an­de­ren wird die Stär­ke und die Pha­sen­be­zie­hun­gen der ein­fal­len­den ho­ri­zon­tal bzw. ver­ti­kal po­la­ri­sier­ten Wel­len aus­ge­wer­tet, auch hier wie­der mit dem Ziel si­cher­zu­stel­len, dass die F-SAR Hard­ware im Flug­zeug kor­rekt funk­tio­niert.

Dichter Regenwald, ein zweimotoriges Forschungsflugzeug und hochmoderne Radartechnologie: Wissenschaftler des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) fliegen vom 01. bis zum 29. Februar im zentralafrikanischen Gabun zahlreiche Messflüge, um den Zustand des Regenwaldes zu bestimmen. Die gewonnenen Daten helfen dabei, Klimamodelle zu verbessern und die Erderwärmung besser zu verstehen. Die Kampagne wird in Kooperation mit der europäischen (Zur Web­si­te der Eu­ro­päi­schen Welt­rau­m­or­ga­ni­sa­ti­on ESA), der französischen (Of­fi­ce Na­tio­nal d'Etu­des et de Re­cher­ches Aéro­spa­tia­les (ONE­RA)), der gabunischen (AGEOS) und dem amerikanischen Raumfahrtzentrum (NASA) durchgeführt. ONERA führte bereits im Juli 2015 Messflüge zur Trockenzeit durch, während das DLR und die NASA mit insgesamt drei Flugzeugen den Regenwald zur Regenzeit erforschen. Die Ergebnisse dienen der für 2020 geplanten ESA-Satellitenmission BIO­MASS und dem deutschen Missionsvorschlag Tandem-L als Referenzdaten.

Biomasse: Kritische Größe untersuchen

Das Klimasystem der Erde ist hochkomplex und abhängig von einer Vielzahl von Faktoren. Eine hohe Ungewissheit in der globalen Zusammensetzung des Kohlenstoffs besteht derzeit (nach dem In­ter­go­ver­n­men­tal Pa­nel for Cli­ma­te Change, IP­CC) in der Land­nut­zungs­än­de­rung.

Circa ein Drittel der Landoberfläche der Welt ist mit Wald bedeckt. Da der Wald die Hälfte des gesamten gebundenen Kohlenstoffs in seiner Biomasse bindet, wirken sich Veränderungen (z.B. durch Windwurf oder Rodungen) besonders stark aus. Deshalb ist eine globale Bestandsaufnahme des Waldes sowie deren Änderung besonders entscheidend für eine genauere Bestimmung des gebundenen Kohlenstoffs.

Neben den anderen Waldformen spielt der Regenwald mit seinem hohen Anteil an Vegetationsmasse eine wichtige Rolle. Das Problem: Der Bestand an vorhandenem Regenwald ist bisher unzureichend erfasst und auch seine Veränderung, entweder durch Abholzung, aber auch durch Aufwuchs, kann bisher noch nicht regelmäßig beobachtet und quantifiziert werden. Es ist unklar, wie viel Kohlenstoff eigentlich in einem bestimmten Zeitraum gebunden bzw. wieder freigesetzt wird. Ein besseres Verständnis des Bestandes und dessen Veränderung würde die globale Kohlenstofferfassung enorm verbessern. Sie führen letztendlich zu nachhaltigeren Gegenmaßnahmen zur Erderwärmung.

Gabun besteht zu 88 Prozent aus Regenwald und ist deshalb ideal für die Messkampagne. Über dem Dschungel der zentralafrikanischen Westküste messen die Forscher des DLR-Instituts für Hochfrequenztechnik und Radarsysteme die oberirdisch gebundene Biomasse der üppigen Regenwald-Vegetation. Dazu haben die Wissenschaftler das DLR-Forschungsflugzeug DO 228-212 mit moderner Radartechnologie im L- und P-Band ausgerüstet.

Flickr
Weitere Bilder der Mission aus unserem Flickr-Al­bum.

Blick durch die Baumkronen

Mit herkömmlicher Radartechnik lässt sich lediglich die oberflächliche Struktur des Regenwald-Gebiets erfassen. Das deutsche Zwillingssatellitenpaar Tandem-X beispielsweise misst die Streuung des Radarsignals an der Baumkrone – dringt aber nicht durch diese hindurch. Mit Hilfe des am DLR entwickelten flugzeuggestützten Radarsystems "F-SAR" (SAR: Synthetic Aperture Radar) ist es möglich, gleichzeitig in mehreren Frequenzbereichen zu messen. Die neue Radartechnik basiert auf polarimetrischer SAR-Interferometrie (Pol-In­SAR). Sie ermöglicht ein breit gefächertes Messen von verschiedenen Parametern. "Dank der sehr langwelligen Radarsignale im L- und P-Band dringen wir mit unserem Radar bis zum Waldboden vor und können so den gesamten Bereich zwischen Boden und Krone erfassen", erklärt Prof. Irena Hajnsek, Projektleiterin der AfriSAR-Mission. Aus den gewonnenen Daten wird die Höhe des Waldes errechnet und ein vertikales 3D-Profil erstellt. "Anhand dieser Kenngrößen können wir ableiten, wie viel Kohlenstoff in der Regenwald-Biomasse gebunden ist", so Prof. Hajnsek weiter. Mit den ausgewerteten Daten lassen sich anschließend die bestehenden Klimamodelle erheblich verbessern. Als Nebenprodukt werden dank der Kartierung des Dschungels gerodete und abgeholzte Gebiete deutlich sichtbar, was mit optischen Sensoren aufgrund der ständigen Wolkenbedeckung nur sehr schwer möglich ist.

20.000 Fuß über dem Wald

Die zweimotorige Dornier DO 228-212 eignet sich durch ihre rechteckige Kabine und die großen Öffnungen im Boden besonders gut zur Installation von speziellen Kamera- und Radarsystemen. Da sie keine Druckkabine besitzt und die Messungen in 20.000 Fuß (6.100 Meter) über dem Meeresspiegel stattfinden, fliegen die Piloten mit Höhen-Atemsauerstoff. "In diesen Höhen bekommt das Gehirn schon nach kurzer Zeit nicht mehr genug Sauerstoff. Das Tragen einer Sauerstoffmaske ist deshalb Pflicht", betont Oliver Brieger, Leiter des DLR-Forschungsflugbetriebs.

Eine der großen Herausforderungen beim Fliegen: Das Wetter. In der innertropischen Konvergenzzone, in der sich das äquatoriale Gabun befindet, sind ganztägig hochreichende Wolken mit Turbulenzen, heftige Gewitter vor allem am Abend und Dunst mit schlechter Sicht keine Seltenheit. Für die Radarmessungen auf den insgesamt 15 Messflügen muss die Maschine sehr ruhig geflogen werden, die Piloten versuchen, möglichst nicht mehr als ein bis zwei Meter vom geplanten Flugpfad abzuweichen. Diese Genauigkeit ist erforderlich, um später aus den Radardaten mehrerer paralleler Flugpfade einen tomographischen Datensatz zu erzeugen, aus dem sich später das 3D-Modell des Waldes ableiten lässt.

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    Kom­mu­ni­ka­ti­on, Re­dak­ti­on Luft­fahrt
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  • Oliver Brieger
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