6. April 2017

Satellitenkollisionen verhindern mit SMARTnet™

Das Deutsche Raumfahrtkontrollzentrum (GSOC) des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) hat zusammen mit dem Astronomischen Institut der Universität Bern die erste Teleskopstation in Südafrika in Betrieb genommen: Die Station dient zur permanenten Überwachung des geostationären Orbits und ist Teil des SMARTnet™-Netzwerkes (Small Aperture Robotic Telescope Networks). Ihre Sensoren liefern wichtige Informationen, um Kollisionen im täglichen Satellitenbetrieb zu verhindern. Mit Hilfe der gewonnenen Daten werden die vom GSOC betriebenen Satelliten in Zukunft noch sicherer gesteuert werden können.

Vorhersage ist alles

Das GSOCin Oberpfaffenhofen betreibt seit über 40 Jahren erfolgreich Satelliten, erdnah und geostationär. Die geostationären Satelliten werden hauptsächlich für Kommunikation genutzt und umkreisen die Erde in rund 36.000 Kilometer Höhe. Orbits, in denen sie Weltraumschrott ausgesetzt sind. Bei einer Kollision zwischen Weltraumschrott und einem Satelliten könnte dieser beschädigt oder sogar zerstört werden. Die entstehenden Fragmente können auch alle anderen geostationären Satelliten gefährden. Um das zu verhindern, müssen die Bahnen jedes Schrotteilchens möglichst genau vermessen und dem Satellitenbetreiber bekannt sein. Im Fall einer möglichen Kollision führt das Kontrollzentrum ein Ausweichmanöver durch und bewegt den Satelliten auf eine entsprechend andere Bahn.

Die Hauptaufgabe des Small Aperture Robotic Telescope Networks "SMARTnet™" ist es nun, Daten zu sammeln, die genauere Vorhersagen ermöglichen. Die beiden ersten Stationen befinden sich in Zimmerwald in der Schweiz und nun in der Nähe von Sutherland in Südafrika. Mit diesen beiden Stationen werden Objekte mit einer Größe von mehr als 30 Zentimeter im geostationären Orbit beobachtet, detektiert und verfolgt. Aus den gewonnenen Daten werden Bahndaten berechnet, die eine Vorhersage der Bahnen für knapp eine Woche erlauben.

Bislang erhält das Deutsche Raumfahrtkontrollzentrum die Warnungen vom amerikanischen Joint Space Operation Center, das über mehrere Kataloge von Weltraumschrott verfügt. In der Vergangenheit hat sich jedoch gezeigt, dass die Aufstellungen von geostationären Objekten nicht vollständig sind. Das vom DLR und der Universität Bern betriebene Netzwerk SMARTnet™ versucht diese Datenlücke zu schließen, um einen GSOC: Space Situational Awareness (SSA) zu gewährleisten.

"First Light" aus Südafrika

In Südafrika herrschen hervorragende Beobachtungsbedingungen, die an fast 300 Nächten im Jahr den Blick in den Weltraum erlauben. Die neue SMARTnet™-Station wurde mit tatkräftiger Unterstützung der südafrikanischen Raumfahrtagentur South African National Space Agency (SANSA) (South African Space Agency) auf dem Observationsgelände in Sutherland aufgebaut. Betrieben wird die Teleskopstation vollautomatisch von Deutschland und der Schweiz aus, mit einer Vorprozessierung der Bilder vor Ort. Die Infrastruktur dazu stellt das South African Astronomical Observatory (SAAO). Am 3. April 2017 erstellte die Station dann das erste offizielle Bild vom geostationären Orbit – ein "first light".

Das spezielle Teleskopsystem dazu wurde in den letzten vier Jahren vom GSOC zusammen mit Experten des Astronomischen Instituts der Universität Bern (AUIB) zusammengestellt: Das System besteht im Wesentlichen aus einem 20-Zentimeter-Teleskop und einem 50-Zentimeter-Teleskop, zwei Kameras, mehreren Computern sowie Software, um das System zu betreiben und die gewonnenen Daten auszuwerten. Die Auswertungssoftware wurde am AUIB entwickelt und ist bereits seit mehreren Jahren erfolgreich im Einsatz.

Das kleine Teleskop hat ein großes Gesichtsfeld zur schnellen Durchmusterung des Himmels, das große Teleskop dient zur präzisen Nachvermessung der gefundenen Objekte. Für eine Aufnahme wird ein Teleskop angehalten und eine Aufnahme mit circa acht Sekunden Belichtungszeit erstellt. Auf dieser Aufnahme erscheinen die geostationären Objekte als Punkte, die wandernden Sterne hingegen hinterlassen Strichspuren. Die Positionen der Sterne sind bekannt, so dass sich im Rückschluss die Position der Fremdobjekte in der Aufnahme bestimmen lässt. Vergleicht man mehrere Aufnahmen hintereinander, kann nun dasselbe Objekt auf mehreren Aufnahmen identifiziert und als sogenanntes "Tracklet" zusammengefasst werden. Abschließend werden mehrere Tracklets korreliert, daraus eine Bahn bestimmt und diese in einer Datenbank abgelegt.

Testkampagnen während der letzten zwei Jahre im Zimmerwald-Observatorium haben gezeigt, dass dadurch Satellitenbahnen mit einer Genauigkeit von mehr als 200 Meter bestimmt werden können – für eine Kollisionsanalyse mehr als ausreichend. Weiterhin ist die schwierige Aufgabe gelungen, mehrere eng beieinander liegende Satelliten in einer Aufnahme eindeutig zuzuordnen und Manöver von Satelliten auf knapp zehn Prozent genau abzuschätzen.

Nächste Station: Australien und Südamerika

Die Stationen in der Schweiz und Südafrika sind erst der Anfang. Um das Sichtfeld zu vervollständigen und alle Objekte im geostationären Orbit beobachten zu können, soll das Netzwerk von SMARTnet™ erweitert werden. Zwei neue Stationen sind bereits geplant, jeweils in Australien und Südamerika. Da die Daten mit der Anzahl der Stationen besser werden, sind weiterhin Kooperationen mit internationalen Teleskopbetreibern geplant. Alle Partner können dann gemeinsam auf sämtliche im Netwerk gewonnenen Daten zugreifen.

Die SMARTnet™-Daten dienen jedoch nicht nur der Kollisionsvermeidung. Vielmehr sollen die Daten wichtige Erkenntnisse über die physikalischen Hintergründe im geostationären Orbit liefern. Der Forschungscharakter der Aufgaben ist vielschichtig: Helligkeitsschwankungen, Bahnänderungen oder spektrale Beobachtungen liefern Hinweise auf die Physik der Umgebung. Mit Hilfe der Messdaten soll eine bessere Beschreibung der physikalischen Verhältnisse gelingen, um zukünftig Bahnen besser vorherzusagen und die dort herrschenden Verhältnisse besser zu charakterisieren. So können Satellitenkollisionen künftig besser vermieden werden.

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