10. Oktober 2019 | Mission Mars Express

Das Flusstal Nirgal Vallis auf dem Mars

  • Im November 2018 konnte das vom DLR betriebene Kamerasystem HRSC an Bord der ESA-Raumsonde Mars Express einen etwa 75 Kilometer langen Abschnitt im westlichen Oberlauf des Tals Nirgal Vallis fotografieren.
  • Zeitweise strömte hier ein Fluss, der bis zu 4800 Kubikmeter Wasser pro Sekunde in das Uzboi Vallis entwässerte: Das ist mehr als doppelt so viel Wasser, als durch den Rhein bis in die Nordsee strömt.
  • Die Form des Tals deutet darauf hin, dass es durch aussickerndes Grundwasser entstanden sein könnte. Als Grundwasserquelle käme vor allem schmelzendes Bodeneis in Frage.

Über eine Länge von 700 Kilometern erstreckt sich das Tal Nirgal Vallis durch das südliche Marshochland. Die Form des Haupttals und seiner auffallend kurzen Nebentäler ist, verglichen mit der Morphologie der meisten Flusstälern auf der Erde, außergewöhnlich: Der Talquerschnitt ist markant u-förmig, mit sehr steilen, mehrere hundert Meter hohen Abhängen an den Seiten und einem flachen, breiten Talgrund. Die ESA-Raumsonde Mars Express fotografierte im November 2018 einen etwa 75 Kilometer langen Abschnitt im westlichen Oberlauf des Tals mit dem von Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) betriebenen Kamerasystem HRSC.

Nirgal Vallis mündet etwa 400 Kilometer weiter östlich in den großen, von Süden nach Norden verlaufenden Ausflusskanal von Uzboi Vallis. Wissenschaftler haben berechnet, dass der Fluss, der einst durch Nirgal Vallis floss, bis zu 4800 Kubikmeter Wasser pro Sekunde in das Uzboi Vallis entwässerte: Das ist mehr als doppelt so viel Wasser, als durch den Rhein bis in die Nordsee strömt. Zahlreiche Marsforscher nehmen an, dass diese großen, nach Norden abfließenden Wassermassen vor mehreren Milliarden Jahren den nordöstlich gelegenen, 150 Kilometer großen Krater Holden mit einem bis zu 250 Meter tiefen See angefüllt haben.

Das Tal Nirgal Vallis ist das Überbleibsel dieses Flusses, der einst über die Marsoberfläche strömte. Vermutlich tat er das aber nicht permanent, und er führte wohl auch nur sporadisch so große Mengen an Wasser. Das u-förmige Tal ist durch steile Hänge und ebene Talböden gekennzeichnet, wie man es auf der Erde eher als Spuren der Erosion von Gletschern kennt. „Nirgal“ ist in der babylonischen Mythologie die Entsprechung für den (Kriegs-) Gott Mars in der römischen Götterwelt der Antike.

Morphologie der Täler hat nur wenige Entsprechungen auf der Erde

Die kurzen Nebentäler haben die für diese Art von Tälern typischen halbrunden oder kesselförmigen Talanfänge, die den kreisrund angelegten Amphitheatern der Römer ähneln und deshalb auch so bezeichnet werden. Beispiele solcher „amphitheather-förmigen“ Flusstäler finden sich auf der Erde in der Atacamawüste in Chile, auf dem Coloradoplateau in den USA und auf den Hawaiianischen Inseln. Bekannte Beispiele auf dem Mars sind neben Nirgal Valles auch Nanedi Valles.

Das fast 700 Kilometer lange Nirgal Vallis durchschneidet mit seinen Nebentälern alte vulkanische Ebenen. Spuren ehemaliger Lavaströme sind beispielsweise anhand von sogenannten Runzelrücken zu sehen (Mitte Bild 1 zwischen den gegabelten Talarmen und oben Mitte-Rechts), die beim Erkalten und damit einhergehendem Schrumpfen dieser vulkanischen Ablagerungen entstehen.

Der flache Talboden von Nirgal Vallis ist weitgehend mit transversalen Rippeln (zu erkennen an kleinen, parallelen Linien) bedeckt, die eine vorherrschende Windrichtung entlang des Talverlaufs anzeigen. Eine Gruppe kleiner Sanddünen ist auf dem Boden des größeren, nördlich von Nirgal Vallis gelegenen Kraters zu erkennen (Bildrand unten Mitte-Rechts). Da diese Dünen, anders als die transversalen Rippel, aus alter vulkanischer Asche bestehen, erscheinen sie auf diesem Bild dunkel, fast bläulich.

Nirgal Vallis ähnelt Tälern auf der Erde, die durch rückschreitende Erosion infolge von aussickerndem Grundwasser gebildet wurden. Das Fehlen baumartig verzweigter Seitentäler, die das Haupttal speisen, deutet ebenfalls darauf hin. Eine solch lineare Talstruktur ist eher ein Anzeichen dafür, dass die Erosion des Tals nicht durch Niederschlag und Oberflächenabfluss verursacht worden ist.

Mithilfe analoger Laborexperimente konnten Forscher nachweisen, dass eine Bildung von Tälern wie Nirgal Vallis durch aussickerndes Grundwasser auf dem Mars möglich ist. Ein stetiger Sickerwasseraustritt kurz unter der Oberfläche führt zu einer Unterspülung der ohnehin steilen Talanfänge und schließlich zum Einstürzen der Wände. Auf dem Mars kommt vor allem schmelzendes Bodeneis aus Grundwasserquelle in Frage.

Weitere Bilder der HRSC finden Sie in der Mars Express-Bildergalerie auf flickr.

  • Bildverarbeitung
    Die systematische Verarbeitung der Kameradaten erfolgte am DLR-Institut für Planetenforschung. Mitarbeiter der Fachrichtung Planetologie und Fernerkundung der Freien Universität Berlin erstellten daraus die hier gezeigten Bildprodukte. Die Aufnahmen mit der HRSC (High Resolution Stereo Camera) entstanden am 16. November 2018 während Orbit 18.818 von Mars Express. Die Bildauflösung beträgt etwa 14 Meter pro Bildpunkt (Pixel). Die Bildmitte liegt bei etwa 315 Grad östlicher Länge und 27 Grad südlicher Breite. Die Farbaufsicht wurde aus dem senkrecht auf die Marsoberfläche gerichteten Nadirkanal und den Farbkanälen der HRSC erstellt, die perspektivische Schrägansicht wurde aus den Geländemodell-Daten, den Nadir- und Farbkanälen der HRSC berechnet. Das Anaglyphenbild, das bei Betrachtung mit einer Rot-Blau- oder Rot-Grün-Brille einen dreidimensionalen Eindruck der Landschaft vermittelt, wurde aus dem Nadirkanal und den Stereokanälen abgeleitet. Die in Regenbogenfarben kodierte Aufsicht beruht auf einem digitalen Geländemodell (DTM) der Region, von dem sich die Topographie der Landschaft ableiten lässt. Der Referenzkörper für das HRSC-DTM ist eine Äquipotentialfläche des Mars (Areoid).
  • Das HRSC-Experiment auf Mars Express
    Die High Resolution Stereo Camera, kurz HRSC, wurde am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) entwickelt und in Kooperation mit industriellen Partnern gebaut (EADS Astrium, Lewicki Microelectronic GmbH und Jena-Optronik GmbH). Das Wissenschaftsteam unter Leitung des Principal Investigators (PI) Prof. Dr. Ralf Jaumann besteht aus 50 Co-Investigatoren, die aus 35 Institutionen und 11 Nationen stammen. Die Kamera wird vom DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin-Adlershof betrieben. Seit 2004 liefert die Kamera hochauflösende Bilder vom Roten Planeten.

Kontakt

Elke Heinemann

Leitung Digitale Kommunikation
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Kommunikation
Linder Höhe, 51147 Köln
Tel: +49 2203 601-1852

Prof. Dr. Ralf Jaumann

Freie Universität Berlin
Institut für Geologische Wissenschaften
Planetologie und Fernerkundung
Malteserstr. 74-100, 12249 Berlin

Ulrich Köhler

Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Institut für Planetenforschung
Rutherfordstraße 2, 12489 Berlin

Dr. Daniela Tirsch

Principal Investigator HRSC
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Institut für Planetenforschung
Rutherfordstraße 2, 12489 Berlin