28. September 2023 | Spaniens erster Brennstoffzellenzug geht auf Probefahrt

Mit Wasserstoff auf steilen Schienen in die Pyrenäen

  • Spaniens erster Wasserstoffzug geht auf Probefahrt durch Nordspanien – mit an Bord: DLR-Know-how.
  • Der FCH2Rail-Triebzug besitzt einen neuartigen Bi-Mode-Hybridantrieb mit Brennstoffzellen. Damit ist der Zug auch auf Stecken ohne Oberleitung elektrisch unterwegs.
  • Unter Leitung des DLR testen die Beteiligten des Forschungsprojekts FCH2Rail den klimafreundlichen Antrieb unter verschiedenen Einsatzbedingungen.
  • Schwerpunkte: Verkehr, Energie, Energiespeicher, nachhaltiger Bahnverkehr, Wasserstoff

Im Bahnhof von Canfranc, mitten in den Pyrenäen, hat er nach über 220 Kilometern das Ziel seiner ersten Fernfahrt erreicht – Spaniens erster Wasserstoffzug. Unter Leitung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) haben Industrieunternehmen und Forschungseinrichtungen für den Triebzug gemeinsam einen sogenannten Bi-Mode-Hybridantrieb entwickelt und aufgebaut.

Den Strom zum Fahren bezieht der Wasserstoffzug entweder aus der Oberleitung oder aus seinem Brennstoffzellensystem. Damit kann der im Verbundprojekt FCH2Rail (Fuel Cell Hybrid Power Pack für Schienenanwendungen) realisierte Triebzug auch auf Bahnstrecken ohne Oberleitung elektrisch fahren.

Strom statt Diesel

Bahnstrecken mit Oberleitung zu bauen und zu unterhalten ist aufwändig und daher teuer – ebenso Fahrleitungen nachträglich zu installieren. Deswegen sind weniger frequentierte Überland- und Nebenstrecken oft gar nicht oder nur teilweise mit Oberleitungen ausgebaut.

Auch auf solchen Strecken ist der FCH2Rail-Triebzug mit seinem neuartigen Bi-Mode-Hybridantrieb elektrisch unterwegs – mit Wasserstoff. Dazu wechselt der Zug von der Stromversorgung über den Fahrdraht auf das bordeigene Batterie-Brennstoffzellensystem, dem sogenannten Fuel Cell Hybrid Power Pack. Die Batterien dienen als Pufferspeicher für hohe Antriebsleistungen zum Beispiel beim Beschleunigen und bei Steigungsfahrten. Für die Brennstoffzellen kommt im Projekt regenerativ erzeugter grüner Wasserstoff zum Einsatz.

„Vor allem auf teilweise elektrifizierten Strecken ermöglicht die Technologie einen klimafreundlichen durchgehenden Bahnverkehr zwischen Stadt und Umland, den bisher Dieselfahrzeuge bedienen“, erklärt Holger Dittus vom DLR-Institut für Fahrzeugkonzepte, der das FCH2Rail-Projekt leitet. „Der FCH2Rail-Zug ist ein Demonstrator des innovativen Antriebskonzepts. Wir wollen zeigen, dass der Bi-Mode-Hybridantrieb eine wettbewerbsfähige Alternative zur Dieseltraktion ist.“

Für das FCH2Rail-Projekt hat das staatliche spanische Eisenbahnunternehmen Renfe einen dreiteiligen Elektrotriebzug der Baureihe CIVIA bereitgestellt: 170 Sitzplätze, 65 Meter lang, 100 Tonnen schwer, 120 Kilometer pro Stunde schnell. Im Werk des spanischen Schienenfahrzeugherstellers CAF haben die Projektbeteiligten den Zug mit Brennstoffzellen von Toyota ausgerüstet.

Auf Probefahrt durch Spanien

Eine Besonderheit für das FCH2Rail-Team ist, den Wasserstoffzug in Spaniens öffentlichem Eisenbahnnetz zu erproben. „Auf der ersten Überlandfahrt von Zaragossa nach Canfranc waren wir mit gemischter Stromversorgung unterwegs. Beim Wechsel von Streckenabschnitten mit und ohne Oberleitung konnten wir das Umschalten der Stromversorgung zwischen Fahrdraht und Batterie-Brennstoffzellensystem optimieren“, erläutert Holger Dittus. „Wasserstofftechnologie und Oberleitungsbetrieb müssen hier jederzeit sicher zusammenspielen“.

Auf dieser Fahrt musste der FCH2Rail-Zug gut 1.000 Höhenmeter überwinden. Der letzte Abschnitt ist eine steile Gebirgsstrecke mit engen Kurvenradien und bis zu 20 Promille Steigung – ohne Oberleitung. „Auf diesem Teilstück lief das Batterie-Brennstoffzellensystem auf Hochleistung. Wir konnten Leistungen von über 1.000 Kilowatt am Rad erreichen“, betont Holger Dittus.

Das Schienennetz der iberischen Halbinsel bietet ein breites Einsatzspektrum, um den Hybridantrieb unter verschiedenen Betriebsbedingungen zu erproben – von Flachland- bis zu Gebirgsstrecken, vom Nah- bis zum Fernverkehr. Aktuell wird der Hybrid-Triebzug für weitere Testfahrten auf ausgewählten Strecken in Aragonien, Madrid und Galicien vorbereitet.

Jedes Einsatzszenario bedeutet für die Brennstoffzellen einen anderen Betriebszustand

Mit DLR-Know-how erprobt das FCH2Rail-Team die neue Technologie unter verschiedenen klimatischen Bedingungen und simuliert unterschiedliche kommerzielle Fahrdienste im Nah- und Fernverkehr. „Die umfassenden Testfahrten helfen uns die Energieversorgung für den Zug ganzheitlich zu charakterisieren und zu verbessern“, betont Holger Dittus. „Hier können wir unsere jahrzehntelange Erfahrung im Bereich nachhaltiger Mobilität einbringen.“

Dazu zählt das Energiemanagement der Brennstoffzellen. Unterschiedliche Einsätze des Wasserstoffzugs bedeuten für die Brennstoffzellenantriebe jeweils andere Betriebszustände. Beim Betrieb als S-Bahn muss der Zug ständig anfahren und bremsen, auf flachen Überlandstrecken ist der Energiebedarf geringer als im Bergland. Auf Gefällstrecken helfen die Fahrmotoren mit, wie ein Dynamo, durch Rekuperation die Batterien wieder aufzuladen. „Je nach Leistungsbedarf können wir mit der Kombination aus Brennstoffzellen und Batterien die elektrischen Ströme so aufteilen, dass die Brennstoffzellen immer in ihrem idealen Betriebsbereich arbeiten“, erklärt Holger Dittus.

Sicher ist sicher – Testphase bevor es auf Strecke geht

Bevor der FCH2Rail-Zug auf Strecke ging, hat das Projektteam den Hybridantrieb zunächst beim spanischen Projektbeteiligten CNH2 im Labor getestet. Hier passten die Ingenieurinnen und Ingenieure das elektrische und thermische Energiemanagement sowie die Betriebsarten des neuen Antriebssystems für den Einbau in den Zug an. Dabei hat der Hybridantrieb alle Risikoanalysen und Sicherheitsvalidierungen durchlaufen. Dazu gehört auch das Betanken mit Wasserstoff.

Gleichzeitig wurden Triebfahrzeugführerinnen und -führer des Eisenbahnunternehmens Renfe für Fahrten mit dem bimodalen Wasserstoffzug ausgebildet. Mitte 2022 begannen die Tests des Demonstrationszuges auf geschlossenen Strecken.

Europaweiter Bahnverkehr mit Wasserstoff

Der Hybridantrieb des FCH2Rail-Zugs eignet sich besonders für Bahnen in Regionen, in denen Wasserstoff aus erneuerbaren Energien leicht verfügbar ist. Für die europaweite Zulassung von Wasserstoffzügen erarbeiten das DLR-Institut für Verkehrssystemtechnik und das FCH2Rail-Projektteam Vorschläge und ergänzende Hinweise für Regelwerke, Normen und Standards für den Einsatz von Wasserstoff im Bahnverkehr.

Video einbinden: https://youtu.be/s4JfnDbrLW8

Über FCH2Rail: Erster Wasserstoffzug auf dem spanischen Schienennetz

An dem Forschungsprojekt FCH2Rail sind unter Leitung des DLR sieben weitere Industrieunternehmen und Forschungseinrichtungen beteiligt: der Schienenfahrzeughersteller CAF, Toyota Motor Europe als Lieferant der Brennstoffzellen, die spanischen Eisenbahnunternehmen und -betreiber Renfe und Adif, das spanische Forschungszentrum für Wasserstoff CNH2, das portugiesische Bahnunternehmen Infraestruturas de Portugal sowie Stemmann-Technik.

Die Agentur Clean Hydrogen Partnership der Europäischen Kommission zur Förderung der Entwicklung von Wasserstoff und Brennstoffzellen unterstützt das über vier Jahre laufende Projekt mit zehn Millionen Euro. Die beteiligten Industriepartner haben weitere vier Millionen Euro inverstiert.

Kontakt

Dr. Jens Mende

Kommunikation Stuttgart und Ulm
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Kommunikation
Pfaffenwaldring 38-40, 70569 Stuttgart
Tel: +49 711 6862-229

Holger Dittus

Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Institut für Fahrzeugkonzepte
Strategische Funktionen Straße und Schiene
Pfaffenwaldring 38-40, 70569 Stuttgart