ILA Berlin und Start von Alexander Gerst
Eine Woche Internationale Luft- und Raumfahrtausstellung ILA in Berlin bedeutet für das DLR nicht nur eine sehr lange und intensive Vorbereitungszeit, minutengenaue Planung und Durchführung vor Ort, sondern zugleich die Bereitschaft, auf immer wieder auftretende unvorhergesehene und unvorhersehbare Situationen zu reagieren. Viele Menschen müssen an einem Strang ziehen, damit die Gesamtveranstaltung zum Erfolg wird. Darüber hinaus ist man ständig auch auf andere angewiesen. Insofern ähnelt die ILA durchaus einer Raumfahrtmission, wenn auch sehr viel bodenständiger.
Ab dem 19. Mai hielt ich mich eine Woche lang in Berlin auf. Ausgangspunkt war die diesjährige ILA, die aber durch weitere wichtige Aktivitäten ergänzt wurde. Am ersten Tag waren bereits mehrere Treffen des NASA-Administrators Charles Bolden mit Staatssekretärin Brigitte Zypries und Bundestagsabgeordneten vorgesehen, die insgesamt sehr erfreulich und mit guten Perspektiven für die weitere Zusammenarbeit verliefen. Abends wurde in großem Rahmen der 50. Geburtstag der ESA gefeiert, in dessen Anschluss ein weiteres Treffen der für die Raumfahrt zuständigen Regierungsmitglieder Frankreichs und Deutschlands, Frau Fioraso und Frau Zypries, stattfand. Zentrales Thema war die Frage der zukünftigen Trägerraketenpolitik. Man vereinbarte, dass unbedingt ein gemeinsamer Weg gegangen werden soll und beauftragte CNES und DLR eine entsprechende Entscheidungsvorlage zu unterbreiten. Am Dienstag lief dann der ganz normale Wahnsinn der ILA ab: viele Einzelgespräche, Standbesuche und Vertragsunterzeichnungen. Die dabei von den DLR-Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern geleistete Arbeit vor und während der Ausstellungstage ist bewundernswert und kann wohl nur von direkt Beteiligten angemessen beurteilt werden. Ich erhielt so viele positive Rückmeldungen, die mich wirklich berührt haben. Mein Versuch, dies bei der „Standparty“ in Worte zu fassen, konnte nur unzureichend sein.
Wenige Tage nach der ILA ging es dann nach Baikonur, um dem Start von Alexander Gerst zur Internationalen Raumstation beizuwohnen. Es gilt aber - gerade in den jetzigen Zeiten politischer Entwicklungen - die Raumfahrt als nationenübergreifende Aufgabe der Menschheit herauszustellen und durch persönliche Positionierung ein Zeichen zu setzen.
Nach einem problemlosen Flug von Frankfurt nach Moskau sollten wir am nächsten Morgen mit einem kleineren Flugzeug (TU 134 A 3) weiter nach Baikonur fliegen. Der Flug verzögerte sich massiv, da entsprechende Genehmigungen seitens Kasachstans fehlten. Ob es nun unsere direkte Kontaktaufnahme mit unserem kasachischen Counterpart Kazkosmos oder andere Aktivitäten waren, die letztlich zum Erfolg führten, ist nicht klar. Jedenfalls hoben wir nach Stunden endlich von Moskau Richtung Baikonur ab. Am Abend in Baikonur angekommen, lief ein Programm ab, das der Struktur nach wohlgeplant war, aber zugleich für mich viele überraschende und sehr bewegende Momente beinhaltete: Da war das persönliche Treffen mit der Astronautencrew (Maxim Surajew, Reid Wiseman und Alexander Gerst) sowie der Ersatzcrew in dem Gebäude, in dem sie bis zu diesem Tag wohnten. Oder das Ritual des beidseitigen Handauflegens der Familien und Astronauten auf die Fensterscheiben des Busses, mit dem die Crew zum Startplatz transportiert wurde. Später hatte ich Gelegenheit mit der Crew, jetzt interessanterweise durch eine Glaswand getrennt, über die bevorstehende Mission und die Signalwirkung zu sprechen, die eine Zusammensetzung der Crew mit Astronauten aus drei verschiedenen Nationen hat.
Besonders bewegend war die Situation direkt am Fuße der Sojus-Trägerrakete. Hier konnte ich Alex in seinem Raumanzug noch einmal herzlich umarmen und ihn bis zur Leiter, die hinauf in die winzige Kapsel führt, begleiten. Dabei entstand ein kurzer Videoclip, der für mich eine besondere Note hat.
Nach einem Bilderbuchstart, den wir aus ungewohnter Nähe von etwas mehr als 1,5 Kilometern (im Vergleich zu Kourou oder Cape Canaveral) sehen, hören und fühlen konnten, erlebte ich nach zwei Stunden Schlaf das erfolgreiche Andockmanöver und wiederum etwas später das Öffnen der Verbindungsschleuse und das Umsteigen der Astronauten in die ISS. Zum ersten Mal durfte ich in einer Live-Schaltung, die eigentlich insbesondere den Familienmitgliedern zur persönlichen Kontaktaufnahme gewidmet ist, mit den Crewmitgliedern in der ISS reden und ihnen meine, insbesondere durch die persönliche Erfahrung geprägten Gedanken mitteilen:
"You are ambassadors not only for science, technology but also for peace on Earth!"
Tatsächlich fühlte und fühle ich eine besondere Verantwortung für Alex, der zwei Jahre nach meinem Amtsantritt beim DLR für das Astronautencorps der ESA ausgewählt worden war und den ich seitdem immer wieder treffen konnte. Diese jahrelange persönliche Erfahrung wurde jetzt durch den Start aber auch durch das Treffen mit den Familien der Crewmitglieder, den Mitgliedern der Ersatzcrew und den aufschlussreichen Treffen mit den Vertretern der Raumfahrtagenturen (NASA, Roscosmos und ESA) in besonderer Weise intensiviert.
Noch am selben Tag erfolgte dann die Rückkehr aus der weiten, menschenleere Steppe Kasachstans (am besten ohne eigenen Besuch durch Lesen des Buchs "Der Tag zieht den Jahrhundertweg" von Dchingis Aitmatov 'erlern- und erlebbar') über die extrem geschäftige Großstadt Moskau nach Frankfurt...insgesamt ein ganz besonderer "Vatertag".
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