"Wer macht mir die Lücke auf?" - kooperatives Fahrerassistenzsystem hilft beim Spurwechsel

Eine Situation, die wohl jeder Autofahrer kennt: Auf der Autobahn herrscht dichter und unübersichtlicher Verkehr. Jetzt die Spur zu wechseln und eine ausreichend große Lücke zwischen zwei Fahrzeugen zu finden, ist eine Herausforderung. Im EU-Projekt D3CoS (Designing Dynamic Distributed Cooperative Human Machine Systems) hat das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) einen kooperativen Spurwechselassistenten entwickelt, der den Fahrer beim Fahrstreifenwechsel auf der Autobahn unterstützt.
Assistenzsysteme, die den Autofahrer informieren oder vor gefährlichen Situationen warnen, gibt es bereits heute auf dem Markt. Fahrzeuge, die aktiv miteinander kommunizieren und kooperieren, sind jedoch noch reiner Forschungsgegenstand. Wie solche kooperativen Systeme funktionieren und wie sie aussehen könnten, daran arbeiten die Wissenschaftler des DLR-Instituts für Verkehrssystemtechnik. Im von der europäischen Union geförderten Projekt D3CoS entwickelten sie als Beispiel für die Erprobung wissenschaftlicher Methoden den Spurwechselassistenten "Gap Assist".
"Gap Assist" unterstützt Kooperation zwischen zwei Fahrzeugen
Der "Gap Assist" ist der Prototyp eines Fahrerassistenzsystems, das die Kommunikation zwischen zwei Fahrzeugen nutzt. Will ein Autofahrer von der rechten auf die linke Spur wechseln, aktiviert er das elektronische Assistenzsystem. Dieses sucht ein Fahrzeug auf der linken Spur, dessen Fahrer nur kurz vom Gaspedal gehen müsste, um eine passende Lücke zu schaffen. Es schickt eine Anfrage an das System des anderen Fahrzeugs, das die Machbarkeit der Lückenöffnung für sich überprüft, seinen Fahrer um Zustimmung bittet und dann seine Bereitschaft an das anfragende Fahrzeug kommuniziert. Das linke Fahrzeug reduziert die Geschwindigkeit. Wenn die Lücke geöffnet ist, informiert es das andere Fahrzeug, das schließlich die Spur wechselt.
Der Spurwechsel auf der Autobahn ist eine anspruchsvolle und komplexe Fahrsituation, bei der der Autofahrer viele Dinge beachten, einschätzen und umsetzen muss. "Der Spurwechselassistent unterstützt den Fahrer beim Fahrstreifenwechsel, indem er mit anderen Fahrzeugen 'spricht' – eine Möglichkeit, die der Autofahrer selbst nicht hat, die ihm aber ungemein helfen kann", erklärt Prof. Dr. Karsten Lemmer, Direktor des DLR-Instituts für Verkehrssystemtechnik. "Auf diese Weise sorgt der kooperative Spurwechselassistent für mehr Sicherheit und Komfort des Autofahrers. Durch die Kooperation der Fahrzeuge werden darüber hinaus Bremsungen und schnelle Beschleunigungen vermieden, was zu einem effizienteren Verkehrsfluss beitragen kann."
Im D3CoS-Projekt wurde außerdem die Mensch-Maschine-Schnittstelle des Spurwechselassistenten entwickelt. Um das Assistenzsystem für den Nutzer optimal verständlich und intuitiv bedienbar zu gestalten, wird dem Fahrer jeder einzelne Schritt des Spurwechselprozesses bildlich angezeigt. Im Head-Up-Display – einer im Sichtfeld des Fahrers projizierten Anzeige – erscheint eine schematische Darstellung mit neun möglichen Positionen für umgebende Fahrzeuge, in deren Zentrum das eigene Fahrzeug abgebildet ist. Die Anfrage für den Spurwechsel oder die Zusage, dass ein anderes Fahrzeug eine Lücke für den Spurwechsel öffnet, werden beiden Fahrern so durch eine Sprechblase angezeigt. Ein grünes Positionsfeld symbolisiert die geöffnete Lücke.
Im MoSAIC-Labor fahren drei Autofahrer gemeinsam in einer virtuellen Landschaft
Im Projekt wurde nicht nur die Interaktion der Fahrzeuge untereinander untersucht, sondern auch das Zusammenspiel von Fahrer und Fahrzeug sowie die Interaktion zwischen den zwei Fahrern. "Wie und wann kooperieren Fahrer?" lautete die zentrale Frage, der die Wissenschaftler nachgegangen sind. Dazu testeten sie den "Gap Assist" im MoSAIC-Labor (Modular and Scalable Application Platform for Intelligent Traffic System Components) des DLR-Instituts für Verkehrssystemtechnik. In diesem Labor können Probanden in drei gekoppelten Fahrsimulatoren in einer gemeinsamen virtuellen Landschaft fahren. "Wenn die Fahrer wissen, dass hinter dem Steuer des anderen Autos ein echter Mensch und nicht bloß ein computergesteuertes Programm sitzt, reagieren sie viel realistischer", erklärt Lemmer. Dabei fanden die Wissenschaftler zum Beispiel ihre Vermutung bestätigt, dass Fahrer eher bereit sind, eine Lücke für den Spurwechsel zu öffnen, wenn sie von einem anderen Autofahrer direkt angefragt werden. Lemmer räumt der kommenden Technologie gute Perspektiven ein: "Die direkte Kommunikation von Fahrzeugen eröffnet ganz neue Möglichkeiten für den Verkehr von morgen. Die Forschung hat dieses Potential erkannt, hier ist in den nächsten Jahren mit vielen neuen Ideen für kooperative Fahrerassistenz zu rechnen."