DLR macht hoch automatisiertes Fahren zukunftsfähig

Unfälle im Straßenverkehr entstehen häufig durch Fehler von unaufmerksamen, überlasteten oder müden Fahrern. Die Zahl solcher Unfälle zu minimieren, war Aufgabe des EU-Projekts HAVEit (Highly Automated Vehicles for Intelligent Transport), an dem auch Verkehrsforscher des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) beteiligt waren. Bei der Abschlussveranstaltung in Borås (Schweden) werden am 21. und 22. Juni 2011 die Ergebnisse präsentiert.

Insgesamt sieben Fahrzeuge, vier Pkw, zwei Lkw und ein Bus, zeigten in Schweden auf einer Teststrecke ihr Können. Aus dem Braunschweiger DLR-Institut für Verkehrssystemtechnik reiste das FASCar II als Versuchsfahrzeug an. Mit ihm und dem Fahrsimulator des DLR zeigten die Wissenschaftler, wie Assistenz und Automation den Fahrer optimal unterstützen können.

"Hände weg vom Lenkrad"

Der Fahrer kann künftig zwischen drei Unterstützungs-Arten wählen: Per Tastendruck entscheidet er, ob ihm sein Wagen lediglich "assistiert", ob er "semi-automatisiert" oder sogar "hoch automatisiert" fährt.

Wählt der Fahrer die Option "Assistent", erhält er nur Hilfestellungen. Beispielsweise warnt ihn das Lenkrad mit einem kleinen Ruck, wenn er die Spur zu verlassen droht. Lenken muss er selbst. In der Stufe "semi-automatisiert" nimmt das Auto dem Fahrer einzelne Aufgaben ab. Dazu gehört zum Beispiel, dass das Auto mit Hilfe des intelligenten Abstandsregel-Tempomaten ACC (Adaptive Cruise Control) automatisch die gewünschte Geschwindigkeit fährt und dabei genügend Abstand zu einem langsamer vorausfahrenden Fahrzeug einhält. Hierbei kann der Fahrer allerdings jederzeit seine Fahraufgabe wieder übernehmen. "Hände weg vom Lenkrad" ist dagegen in der Stufe "hoch automatisiert" möglich: Geschwindigkeit, Abstandsanpassung und Spurhaltung führt das Auto jetzt automatisch durch.

Der Fahrer entscheidet selbst, wie viel und was er an das Auto übergeben möchte und kann eine Fahraufgabe auch jederzeit wieder vollständig übernehmen. So bietet das System mehr Sicherheit und ermöglicht ein angenehmeres Fahren.

Doch auch, wenn das Auto allein fährt, muss der Fahrer immer aufmerksam und bei der Sache sein. Daher überwacht eine Kamera an Bord seinen Aufmerksamkeitsgrad. Passt der Fahrer einmal nicht auf, kann das System ihn rechtzeitig warnen oder im Notfall eingreifen. Die Verantwortung aber bleibt immer beim Fahrer, der sich in jeder Situation für oder gegen das automatisierte Fahren entscheiden und die Systeme "überstimmen" kann.

Wie ist das möglich?

Damit ein Auto das alles kann, ist eine besondere Ausstattung nötig. Das FASCar II, eines der Versuchsfahrzeuge des DLR, ist dementsprechend mit Umfeldsensoren und einem präzisen Ortungssystem ausgestattet. So kann es Hindernisse und Objekte erkennen und die Fahrspur genau erfassen. Zusätzlich hat das FASCar II eine so genannte Steer-by-Wire-Lenkung: Anstelle einer mechanischen Lenkstange, die Lenkrad und -achse miteinander verbindet, werden die Lenkeingaben elektronisch ("by wire") übertragen. "Während sich das Lenkrad in heutigen Autos bei Lenkbewegungen entsprechend mit bewegt, kann es im FASCar II beim autonomen Fahren einfach stillstehen oder beim normalen Fahren den Fahrer mit Hinweisen unterstützen", erklärt Prof. Dr. Karsten Lemmer, Direktor des DLR-Instituts für Verkehrssystemtechnik. "Das Fahrzeug kann dem Fahrer dadurch spürbare Rückmeldungen geben, während die Lenkachse völlig unabhängig davon gesteuert werden kann", so Lemmer weiter.

Der in Borås demonstrierte Forschungsstand des hoch automatisierten Fahrens ist zurzeit in einigen Aspekten einzigartig, zum Beispiel in Bezug auf das Interaktionskonzept zwischen Fahrer und Automation, und wird auch in Zukunft stetig weiterentwickelt. So ist HAVEit bislang auf Autobahnen ausgelegt, soll aber in einem nächsten Schritt auf komplexere Umgebungen – wie den Stadtverkehr - ausgeweitet werden. Das DLR baut derzeit die Anwendungsplattform Intelligente Mobilität (AIM) auf, mit der die Stadt Braunschweig zu einem flexiblen Testgebiet für die Verkehrsforschung wird. So wird es dort beispielsweise Ampeln geben, die mit dem Auto kommunizieren – ebenfalls eine Aufgabe für das FASCar II.