Mensch-Maschine-Design: Auto, gib mir ein Zeichen!

Ein alltägliches Szenario: Ein Fußgänger will auf einem Zebrastreifen die Straße überqueren. in Fahrzeug nähert sich. Der Fußgänger sucht Blickkontakt. Sieht der Fahrer ihn und bremst ab? Innerhalb von wenigen Sekunden muss der Fußgänger einschätzen, ob er über den Zebrastreifen gehen kann. Doch was ist, wenn der Mensch im Straßenverkehr auf ein automatisiert fahrendes Fahrzeug trifft? Wie erkennt er, ob das Fahrzeug ihn wahrgenommen hat? Und was muss die Maschine dem Menschen signalisieren, damit dieser der Technik vertraut? Mit diesen komplexen Fragen beschäftigen sich die Wissenschaftler des DLR-Instituts für Verkehrssystemtechnik in dem von der Europäischen Kommission geförderten Projekt interACT.
Blinken, Handzeichen, akustische Signale, Kopfbewegungen – Menschen im Straßenverkehr kommunizieren miteinander. Insbesondere in städtischen Umgebungen oder auf Parkplätzen verständigen sich Verkehrsteilnehmer untereinander, um unklare Situationen kooperativ zu lösen. „Wenn die Kommunikation zwischen Mensch und Maschine funktionieren soll, muss der Mensch langfristig Vertrauen aufbauen und gegebenenfalls auch wissen, wozu das automatisiert fahrende Fahrzeug in der Lage ist“, erklärt die Koordinatorin des Gesamtprojekts interACT, Anna Schieben vom DLR. Acht Industrie- und Forschungspartner aus vier europäischen Ländern arbeiten gemeinsam mit den DLR-Wissenschaftlern daran, die Sicherheit und die Akzeptanz der automatisiert fahrenden Fahrzeuge zu erhöhen. Die DLR-Forscher entwickeln in interACT ein Mensch-Maschine-Design sowohl für den Nutzer an Bord als auch für umgebende Verkehrsteilnehmer. Zudem erarbeiten sie ein zentrales Softwaremodul, das es dem automatisiert fahrenden Fahrzeug ermöglicht, in Echtzeit zu reagieren und sich ohne Zeitverzögerung zu bewegen. Die Wissenschaftler konzentrieren sich dabei auf sogenannte geteilte Verkehrsumgebungen, in denen sowohl automatisierte als auch nicht automatisierte Fahrzeuge, Fußgänger und Radfahrer miteinander kooperieren.
Von besonderem Interesse sind dabei Zebrastreifen, Rechts-vor-links-Kreuzungen oder Parkplätze. Grundlage für die Entwicklungen in dem Projekt bildet die Beobachtung menschlichen Interaktionsverhaltens in den Metropolen Athen, München und Leeds. Mit den Ergebnissen wird ein Katalog von menschlichen Kommunikationsanforderungen und -modellen erarbeitet, denen die automatisiert fahrenden Fahrzeuge genügen müssen. Zudem entwickeln die Projektpartner Algorithmen und Sensor-Lösungen, um das Verhalten von Verkehrsteilnehmern vorauszusagen und Intentionen im Verkehr zu erkennen. „All die Arbeiten der verschiedenen Partner in interACT dienen als Basis für die Entwicklung der zukünftigen technologischen Lösungen, die dann eines Tages zuverlässige und verständliche Interaktionen zwischen automatisiert fahrenden Fahrzeugen und menschlichen Verkehrsteilnehmern ermöglichen sollen“, erklärt Schieben.
Doch da automatisiert fahrende Fahrzeuge nicht mit dem Kopf nicken oder Handzeichen geben können, entwickeln die Wissenschaftler spezielle, universell verständliche Mensch-Maschine-Designs. Dafür führen sie Probanden mittels Virtual-Reality-Brille durch eine simulierte Stadt. Diese treffen dort auf automatisiert fahrende Fahrzeuge und müssen eine Straße überqueren. Von links nähern sich Autos ohne Fahrer. Allein eine Lichtleiste an der Windschutzscheibe gibt dem Fußgänger zusätzliche Informationen über das Fahrzeugverhalten. „In unserer Studie wollen wir herausfinden, wie die Fußgänger auf bestimmte Informationen reagieren, die am Äußeren des Fahrzeugs angebracht sind“, erläutert Anna Schieben.
Die Fahrzeuge in der Simulation haben farbige LED-Leisten; mal pulsieren sie, leuchten an definierten Positionen auf oder ändern die Blinkfrequenz. „Für uns ist es jetzt wichtig, was die Probanden in die diversen Lichtsignale hineininterpretieren“, so Schieben weiter. „Nehmen sie ein pulsierendes Licht als Signal zum Stehenbleiben wahr oder interpretieren sie es als Zeichen dafür, dass das Fahrzeug wartet? Die Ergebnisse geben den Wissenschaftlern Aufschluss darüber, welche Design-Konzepte bei einem zukünftigen Kommunikationssignal an automatisiert fahrenden Fahrzeugen besser nicht genutzt werden sollten.
Noch gibt es keine konkreten Lösungen, wie automatisierte Fahrzeuge mit den anderen Verkehrsteilnehmern auf die beste und vor allem sicherste Weise kommunizieren können. Es werden bei allen beteiligten Projektpartnern Tests mit Probanden durchgeführt, um am Ende einen Vorschlag zu machen, der eine zuverlässige Kommunikation zwischen Fahrzeug und Mensch ermöglicht. Die aus der virtuellen Realität heraus entwickelten Kommunikationslösungen werden dann in Forschungsfahrzeugen umgesetzt und mit Hilfe von Fußgängersimulatoren, Fahrsimulatoren sowie Testfahrzeugen erprobt und bewertet. Kriterien sind neben der Sicherheit auch die Akzeptanz und die Praxistauglichkeit für alle Verkehrsteilnehmer. „Automatisiert fahrende Fahrzeuge werden irgendwann ein alltägliches Bild auf unseren Straßen sein“, so Schieben. „Wir arbeiten daran, dass sich alle Verkehrsteilnehmer dann auch sicher fühlen und kein mulmiges Gefühl entsteht, wenn sich ihnen ein Auto ohne Fahrer nähert.

Für die Wiedergabe dieses Videos auf Youtube.com ist Ihre Zustimmung zur Speicherung von Daten ('Cookies') erforderlich. Unter Datenschutz-Einstellungen können Sie Ihre Wahl einsehen und verändern.