Mensch vs. Technik: Warum besser nicht immer zielführender ist

Straßenbahn an Haltestelle
Straßenbahn an Haltestelle
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DLR

Welche Ansprüche stellen Gesellschaft, Experten und auch Entwickler an die Gestaltung und die Leistungsfähigkeit automatisierter Fahrzeuge? Wie leistungsfähig müssen automatisierte Fahrzeuge tatsächlich sein?

Die zweite ethische Regel für den automatisierten und vernetzen Fahrzeugverkehr (BMVI Bericht der Ethikkommission Automatisiertes und Vernetztes Fahren, Juni 2017) gibt hier eine Antwort: Sie besagt, dass die Zulassung von automatisierten Systemen nur vertretbar ist, wenn die Systeme eine Verringerung von Schäden im Sinne einer positiven Risikobilanz im Vergleich zur menschlichen Fahrleistung versprechen. Dies führt  in der Entwicklung, in der Bewertung, im Test und in der Freigabe automatisierter Fahrfunktionen unter anderem zur Notwendigkeit, Methoden und Werkzeuge zur Quantifizierung menschlicher und maschineller Leistungsfähigkeit zu entwickeln und diese zu erproben. Im Rahmen des vom BMWI geförderten Verbundprojektes PEGASUS wird unter anderem dieses Forschungsfeld bearbeitet. Die menschliche Leistungsfähigkeit stellt ein Gütekriterium dar, an welchem sich die technische Leistungsfähigkeit orientiert. Wenn man die menschliche Leistungsfähigkeit modelliert und der technischen Leistungsfähigkeit der Automation im Rahmen eines Testkonzeptes gegenüberstellt, könnten Grundlagen zur Freigabe und Zulassung automatisierter Systeme geschaffen werden.

Weiterführend besagt die fünfte ethische Regel für den automatisierten und vernetzen Fahrzeugverkehr, die automatisierte und vernetzte Technik solle Unfälle so gut wie praktisch möglich vermeiden und die Technik müsse nach ihrem jeweiligen Stand so ausgelegt sein, dass kritische Situationen gar nicht erst entstünden (BMVI, 2017). Durch Einhaltung dieser Regel würde somit die Basis dafür gelegt werden, dass durch die Automatisierung die Vision Zero der Regierung erreicht wird.

Wichtig ist hier allerdings, dass Mensch und Technik gemeinsam miteinander funktionieren müssen. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Automatisierung aller Fahrzeuge noch nicht die höchste Automatisierungsstufe erreicht hat. Diese höchste Automatisierungsstufe ist das sogenannte Fahrerlose Fahren. Beim hochautomatisierten Fahren müssen Fahrer gegebenenfalls die Fahraufgabe wieder übernehmen. Insbesondere in diesem Fall kann es bei einer Fahrt von A nach B mitunter zu einem Wechsel von technischer und menschlicher Fahrleistung kommen. Mensch und Technik erbringen dann nämlich die Transportleistung gemeinsam und die jeweiligen Leistungsfähigkeiten können sich durchaus auf die des jeweils anderen Transportpartners auswirken. So ist zum Beispiel in der Luftfahrt der Complacency-Effekt bekannt, der besagt, dass die menschliche Leistungsfähigkeit sinkt, wenn die technische Leistungsfähigkeit steigt und anders herum. Sofern sich dieser Effekt auch auf den bodengebundenen Verkehr übertragen ließe, wäre „besser“ also nicht unbedingt zielführender! Im Gegenteil: Eine sehr gute technische Leistungsfähigkeit kann dazu führen, dass sich die menschliche Leistungsfähigkeit verringert.

Die Leistungsfähigkeit des Gesamtsystems, also von Mensch und Technik muss also gemeinsam, bewertet und das technische System so ausgelegt werden, dass es mit dem Menschen optimal harmoniert, vor allem wenn es wie beim hochautomatisierten Fahren eine enge Kooperation der beiden gibt. Es geht jetzt also darum, einerseits die Interaktion zwischen Menschen im Fahrzeug und dem hochautomatisierten Fahrzeug so zu gestalten, dass die Kooperation zwischen Mensch und Technik funktioniert. Andererseits ist es wichtig, die Fahrzeuge in den Verkehrskontext einzubetten und auch dadurch die Leistungsfähigkeit dieses Gesamtsystems zu erhöhen. Erst wenn dies gelingt, resultiert daraus sicherlich auch Vertrauen in hochautomatisierte Fahrzeuge. Dieses Vertrauen wird wesentlich dazu beitragen, ob und wie schnell diese Systeme in der Gesellschaft akzeptiert und somit auch gerne genutzt werden.

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