Wenn das automatisierte Fahrzeug so fährt, wie ich will

Für Forschung, Politik und Automobilhersteller ist es DAS Thema: automatisiertes Fahren.
Der Traum vom Zeitunglesen hinter dem Steuer, während mein Auto mich zum nächsten Termin bringt, liegt längst nicht mehr in weiter Ferne. Das automatisierte Fahren hat an Tempo und Dynamik gewonnen – jetzt ist die Phase der Weichenstellungen für die Realisierung angebrochen. Doch mit den neuen Technologien, die für weniger Staus, weniger Emissionen und weniger Unfälle sorgen sollen, werden auch kritische Stimmen laut: Viele Autofahrer fühlen sich zum passiven Beifahrer degradiert. Sie haben Angst vor Kontrollverlust und fürchten den Spaß am Fahren zu verlieren.
Das Fahrzeug übernimmt den Fahrstil
Genau an diesem Punkt setzt die Forschung des DLR-Instituts für Verkehrssystemtechnik in dem EU-Projekt HoliDes (Holistic Human Factors and System Design of Adaptive Cooperative Human-Machine-Systems) an: Wie kann das automatisierte Auto den persönlichen Fahrstil des Fahrers übernehmen und möglichst „natürlich“ fahren? Seit 2013 befassen sich 31 Partner aus sieben Ländern mit der Entwicklung und Qualifikation von sogenannten Adaptiven kooperativen Mensch-Maschine Systemen (AdCoS) in denen mehrere Menschen und Maschinen in hoch effizienter und adaptiver Weise miteinander agieren. Dazu gehören sicherheitskritische Anwendungen aus den Bereichen Automotive, Aeronautics, Control Rooms und Health.
Kein Frust im Auto der Zukunft
Die Wissenschaftler des Instituts für Verkehrssystemtechnik entwickeln in diesem Projekt eine Funktionalität, mit der ein hochautomatisiertes Fahrzeug seine Manöver und Geschwindigkeiten so auswählt, dass sie für den Fahrer besonders angenehm sind. Das automatisierte Fahren passt sich also an die Gewohnheiten des Fahrers an und verschafft ihm so etwas wie ein „Mitspracherecht“. Das Frustpotenzial über die „unnatürliche“ Fahrweise eines Roboterautos würde dadurch gesenkt und die Individualität und die Freude am Fahren dem einzelnen Fahrer erhalten bleiben.
Doch wie kann das Auto von mir lernen und wie erkennt es, wenn plötzlich ein anderer Fahrer am selben Steuer sitzt, der beispielsweise lieber defensiv möchte? Um sich überhaupt erst einmal im klaren darüber zu werden, was einen Fahrstil eigentlich ausmacht, haben die Braunschweiger Wissenschaftler in zwei Studien in einem Fahrsimulator die manuellen Fahrdaten von insgesamt 60 Probanden gesammelt, die Aussagen über deren Präferenzen liefern können. Nach der Simulatorstudie haben die Forscher solche Fahrdaten auch mit einem Versuchsfahrzeug im realen Straßenverkehr gesammelt.
Der Mensch darf nicht vergessen werden
Mit diesen Daten soll das Fahrzeug zukünftig beispielsweise zwischen eher defensivem und offensivem Fahrverhalten unterscheiden können. Anhand eines Knopfes, der sich am Lenkrad befindet, wählt der Fahrer zwischen verschiedenen Fahrstilen.
Mit der Technologie, die die Wissenschaftler hierfür in dem durch das Joint Undertaking ARTEMIS geförderte Projekt HoliDes entwickeln, wären zukünftig noch weitere Forschungsansätze denkbar: Wenn wir nun einzelne Fahrverhalten beschreiben können, dann können diese Informationen auch für die Entwicklung weiterer Assistenzsysteme genutzt werden. Auch das Verhalten des Fahrers auf bestimmte bereits verbaute Assistenzsysteme könnte so gemessen werden: Überfordert zu viel Assistenz den Fahrer oder hilft es ihm? Bei all der Automation sind gerade diese psychologischen Aspekte in der Forschung hin zum automatisierten Fahren nicht außer Acht zu lassen: Ob assistiert oder nicht - hinter dem Steuer sitzt immer noch der Mensch. Das Auto der Zukunft muss auf ihn abgestimmt sein, damit er gerne einsteigt und sich fahren lässt.