14. November 2022
Manuela Braun
Die irdische Filiale des Mondes – die LUNA-Anlage

700 Quadratmeter, neun Meter hoch – das sind die Maße der Halle, in der voraussichtlich ab 2024 der Mond seine irdische Filiale haben wird. Eine kleine Filiale, wenn man bedenkt, dass der Mond eine Oberfläche von fast 38.000.000 Quadratkilometer hat, und dennoch wird die LUNA-Anlage europaweit der einzige Ort sein, an dem Forschende, Astronaut/innen und Rover sich zukünftig auf den Erdtrabanten versetzen lassen und umfassende Missionstrainings durchführen können. Der Mond selbst wird dabei das Vorbild sein – und diese außerirdische Welt aus feinem Staub und groben Gesteinsbrocken ist besonders: scharfkantige Steine, an denen Wind und Wetter nichts abschleifen, feine Staubteilchen, gerade einmal ein Sechstel der irdischen Schwerkraft, so gut wie keine Atmosphäre und Lichtverhältnisse zwischen zappenduster und taghell.

Der Mond auf Erden

Viele dieser harschen Bedingungen werden auch in der LUNA-Halle herrschen: Betreten Astronaut/innen und Wissenschaftler/innen die Halle, stehen sie mit den Füßen in mondähnlichem Regolithsand – frisch aus der Eifel angeliefert. Mächtige Scheinwerfer simulieren die ungebrochenen Sonnenstrahlen, tiefschwarze Wände sorgen dafür, dass wie auf dem Mond keine Reflexionen entstehen. Die gesamte Szenerie in der hohen Halle wird in Licht und Schatten getaucht, wie man es von den Fotoaufnahmen der Apollo-Missionen kennt. Ein Gravity-Off-Loading-System sorgt dafür, dass Astronautencrew und Rover die reduzierte Schwerkraft des Mondes erfahren und sie nur noch ein Sechstel des eigentlichen Gewichts verspüren. Landegeräte und Rover stehen und fahren dann wie an den Apollo-Landestellen auf dem Mond zwischen Gesteinsbrocken und Hügeln.

Entwickeln, testen, optimieren

Das Ziel der Mond-Filiale in Köln-Porz? „Wir wünschen uns, dass nationale und internationale Astronauten- und Wissenschaftsteams bei uns für ihre Mondmissionen trainieren und neue Technologien erproben, die auf dem Mond zum Einsatz kommen sollen“, sagt Petra Mittler. Die Physikerin arbeitet sowohl in der Geschäftsentwicklung für die DLR-Raumfahrt als auch im internationalen Betreuungsteam der europäischen Astronauten. Beides Tätigkeiten, die dazu geführt haben, dass sie gemeinsam in einem Team die Idee der LUNA-Anlage auf den Weg gebracht hat. Technologien, die für die astronautischen Missionen notwendig sind, Missionsabläufe und die Zusammenarbeit zwischen Mensch und Maschine, aber auch der Austausch zwischen irdischen Teams in den Kontrollräumen und einer Crew auf dem Mond – all das kann in der LUNA-Anlage entwickelt, getestet und optimiert werden.

Um Wissenschaftler/innen den Mond so nahe wie möglich zu bringen, wird die LUNA-Halle zudem über einen “Deep Floor“-Bereich verfügen, in dem bis in eine Tiefe von drei Metern gebohrt werden kann. Eine schiefe Ebene wird es ermöglichen, beispielsweise die Geländegängigkeit von Rovern zu erproben. Ein angebautes flexibles Habitat dient dazu, den Ein- und Ausstieg auf die Mondoberfläche zu simulieren. In weiteren Räumen siedeln DLR und ESA ein Gaslabor an, in dem beispielsweise die Gewinnung und Weiterverarbeitung von Gasen aus Mondstaub untersucht wird. In einer Staubkammer kann unter anderem der Schutz vor dem allgegenwärtigen Mondstaub erforscht werden. Der Kontakt zwischen dem Bodenteam und dem Team in der Trainingshalle kann aus Multifunktions-Konsolenräume vor Ort erfolgen, aber die LUNA-Halle wird – wie die Internationale Raumstation ISS im All – auch an die Kontrollräume im Kölner Microgravity User Support Center (MUSC) sowie im Oberpfaffenhofener German Space Operations Center (GSOC) beim DLR angebunden sein. Ein eigenständiges regeneratives Energiesystem wird externe LUNA-Module am Laufen halten. Mit dem DLR-Gewächshaus EDEN-ISS – in der Antarktis bereits erfolgreich betrieben – soll die Pflanzenzucht in einem geschlossenen Stoffkreislauf weiter erprobt und auf Mondmissionen ausgerichtet werden.  

Kooperation von Wissenschaft und Industrie

DLR und ESA führen für die Einrichtung viele Kompetenzen und Netzwerke zusammen, die bereits bestehen: Wissenschaftler/innen aus sieben DLR-Instituten und -Einrichtungen aus ganz Deutschland und das Europäische Astronautenzentrum der ESA mit seinen Astronauten- und Ausbildungsteams bringen ihre Kenntnisse und Forschungsthemen ein. Neben dem DLR-Raumflugbetrieb, dem DLR-Institut für Luft- und Raumfahrtmedizin, dem DLR-Institut für Robotik und Mechatronik, dem DLR-Institut für Raumfahrtsysteme und dem DLR-Institut für Materialphysik im Weltraum sind auch die DLR-Institute für Werkstoffforschung sowie für Future Fuels Teil des LUNA-Teams. Aber auch anderen nationalen und internationalen Forschungseinrichtungen, Raumfahrtagenturen, Start-ups und Industriepartnern wird die Möglichkeit gegeben, Experimente durchzuführen.

Im kommenden Jahr soll die Industriehalle auf dem Gelände des DLR entstehen und anschließend für die Nutzung ausgestattet werden. Ab 2024 könnten dann erste Projekte auf dem irdischen Mond stattfinden. „Wir können uns Themen vorstellen, die unter anderem von Umwelttechnologien über smarte Energiesysteme, künstliche Habitate, neue Baumaterialien, neue Bauverfahren bis hin zu Gesundheitsanwendungen und Telemedizin reichen“, sagt Petra Mittler. Und dabei wird auch eines deutlich: Entwicklungen, die für den Flug zum Mond und seine Erforschung und Nutzung taugen, finden oft eine Anwendung im Leben auf der Erde – und umgekehrt.

Über die Autorin
Manuela Braun macht seit 2010 Öffentlichkeitsarbeit für das DLR. Als ausgebildete Journalistin in Print und Online ist sie am liebsten dort vor Ort, wo Forschungsthemen zum Greifen nah sind. zur Autorinnenseite