Prüfen, damit HALO sicher über Brasiliens Regenwald fliegt

Sandrine Battesti
Sandrine Battesti von der DLR-Einrichtung Flugexperimente - ohne ihre akribische Prüfung der Modifikationen am Forschungsflugzeug HALO geht der Flieger nicht in die Luft.

Sandrine Battesti weiß, wo jeder Sitz, jedes Rack und jedes Instrument im Forschungsflugzeug HALO installiert ist, während das Flugzeug gerade für Messflüge der Klimakampagne CAFE-Brazil über dem Amazonas-Regenwald kreist. Sie kennt jeden Einlass und jeden Auslass, der die Außenluft durch die Instrumente der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler spült. Jede Veränderung, die notwendig war, um HALO für diese Kampagne anzupassen und auszurüsten. Alles, was mit der Struktur und der Kabinensicherheit von HALO zu tun hat, ist über den Schreibtisch der „Compliance Verification“-Ingenieurin gegangen, die die Nachweise und Tests ihrer Kolleginnen und Kollegen sorgfältig und akribisch prüft, damit die Zulassung für jede einzelne Modifikation erteilt werden kann. Das DLR ist ein vom Luftfahrt-Bundesamt und der EASA (European Union Aviation Safety Agency) anerkannter Entwicklungsbetrieb, der Modifikationen an der eigenen Flotte entwickeln und nach gesetzlich vorgeschriebenen Musterprüfungen zulassen darf. Das Ergebnis der Ingenieurin: fünf Aktenordner mit Unterlagen und ein Flugzeug in der Luft, das derzeit über dem Regenwald im Amazonasgebiet die Luftverschmutzung und die Rolle des Regenwalds im Erdsystem erforscht.

Das Recht und die Pflicht, jederzeit Nein zu sagen

Sandrine Battesti
Neben der Arbeit am Rechner gehört auch der Austausch mit der Crew der Forschungsflieger dazu.

Manche könnten vielleicht behaupten, Sandrine Battesti sei eine Pedantin, eine Erbsenzählerin, eine, die sich zu 100 Prozent an die Regeln hält und viele Blätter Papier füllt. Allerdings: Sie ist auch diejenige, die mit ihrer Unterschrift unter die Dokumente die Verantwortung dafür übernimmt, dass sie nach bestem Wissen und Gewissen die Sicherheit des Flugzeugs und seiner Passagiere gewährleistet. „Ich mach mich haftbar“, sagt sie. „Das ist auch eine psychische Sache.“ In Schulungen werden Mitarbeitende wie Sandrine Battesti daher auch gezielt auf diese verantwortungsvolle Aufgabe vorbereitet: „Ich weiß, dass ich immer Nein sagen kann und muss. Wenn man sich nicht gut mit etwas fühlt, einfach Nein sagen und ändern.“ Das ist nicht nur ihr Recht, sondern auch ihre Pflicht als Prüferin.

Manchmal, sagt sie, sind die Prozesse umständlich und die Papierarbeit kleinteilig - aber sie weiß auch, dass diese detailliert vorgeschriebenen Abläufe Sinn machen. „Wenn zum Beispiel mehrere Racks und einige Passagiersitze in HALO eingebaut werden, muss der Entwicklungsbetrieb prüfen, ob der Boden im Flugzeug diese Einbauten auch bei Erschütterungen, bei kräftigen Böen oder im schlimmsten Fall einem Absturz hält.“ Auch das Zusammenspiel aller Instrumente untereinander und mit dem Flugzeug muss so sein, dass keine gegenseitigen Störungen entstehen. Wo die Kampagne durchgeführt wird, hat ebenfalls eine Bedeutung: „Das Klima in Brasilien ist warm und feucht - dann muss bei der Modifikation von HALO vorab dafür gesorgt werden, dass es zum Beispiel in der Kabine weder für Piloten noch Instrumente zu heiß wird. Bei Flügen in anderen Regionen müssen mehr Schwimmwesten oder mehr Sauerstoff an Bord sein.“ So gibt es unter anderem für die Kabinensicherheit oder auch die Struktur jede Menge Berechnungen, Testergebnisse und Einbauanweisungen, die Kolleginnen oder Kollegen aus dem Entwicklungsbetrieb erstellen, und die die 36-Jährige dann prüft. „Wir arbeiten hier immer im Vier-Augen-Prinzip.“

Prüfen, entwickeln, planen

HALO
Seitdem HALO vom Flughafen in Oberpfaffenhofen abgehoben ist, ist Sandrine Battestis Arbeit für das Projekt CAFE-Brazil beendet.
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DLR

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Welche Aufgabe sie im Entwicklungsbetrieb der Einrichtung Flugexperimente übernimmt, wechselt von Projekt zu Projekt. Bei der Klimakampagne CAFE-Brazil mit HALO ist Sandrine Battesti diejenige, die Struktur und Kabinensicherheit prüft und genehmigt. Bei anderen Projekten entwickelt, berechnet und testet sie Ein- und Umbauten als Struktur-Ingenieurin, und ihre Ergebnisse werden von Kolleginnen und Kollegen im Entwicklungsbetrieb überprüft. Derzeit ist sie für einen geplanten Einsatz des Forschungsflugzeugs Cessna die federführende Entwicklungsingenieurin, die Abläufe und Aufgabenverteilung plant. Das Besondere an ihrer Arbeit im DLR: „Das Flugzeug und seine Mannschaft sind quasi nebenan. Ich kann direkt am Flugzeug messen, mit den Piloten sprechen und mir die Rückmeldungen der Mechanikerinnen und Mechaniker holen. Diesen Zugang zu allen anderen beteiligten Berufen hat man in der Luftfahrt sonst so nicht.“

Seit 2017 arbeitet sie beim DLR, vorher war sie nach einem Maschinenbau-Studium unter anderem bei einem Hersteller von Flugzeugkomponenten für die Strukturberechnungen der Gepäckaufbewahrung im A350 verantwortlich. „Beim letzten Urlaubsflug habe ich dann zum ersten Mal etwas gesehen, was ich einmal selbst entwickelt habe – ich habe mich wie ein kleines Kind gefreut.“ Bei der HALO-Kampagne sind es die Bilder und Berichte, die Kolleginnen und Kollegen vom erfolgreichen Aufenthalt in Brasilien ans Team in der Heimat schicken, denn während der eigentlichen Flugkampagne ist Sandrine Battesti nie vor Ort. Im Februar 2022 lag die aktuelle HALO-Kampagne zum ersten Mal auf ihrem Schreibtisch - sobald das Flugzeug am DLR Oberpfaffenhofen aus dem Hangar rollt und zur Mission startet, ist ihre Aufgabe erledigt. Landet HALO wieder sicher am DLR-Standort, sitzt Sandrine Battesti schon längst wieder an einem anderen Projekt mit einem anderen DLR-Forschungsflugzeug. „Da gilt dann schnell: Nach der Kampagne ist vor der Kampagne.“