Messen, auch wenn die Nase manchmal verstopft ist

Christian Mallaun
Die Sensoren, mit denen Christian Mallaun Daten während des Flugs aufzeichnet, sitzen in der Nase von Forschungsflugzeug HALO.

Auf dem Bildschirm von Dr. Christian Mallaun ist eine Karte des Amazonasregenwalds zu sehen. Mittendrin: Manaus. Und eine gerade Linie, die von dort in Richtung Norden verläuft. Das ist die aktuelle Flugstrecke des DLR-Forschungsflugzeugs HALO, das an diesem Tag in die nördliche Region oberhalb der brasilianischen Stadt fliegt und dort kreist, während die Luft durch die Instrumente des Wissenschaftlerteams der Klimakampagne CAFE-Brazil strömt. Der studierte Meteorologe von der DLR-Einrichtung Flugexperimente hat ebenfalls Messsensoren an Bord. Sie sitzen vor allem in der Nase des Forschungsfliegers und zeichnen kontinuierlich während der Flüge Daten auf. „Unsere Messtechnik und unsere Produkte benötigen alle Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler - egal, ob sie für die Klimaforschung oder die Verbesserung von Wetterprognosen unterwegs sind“, sagt der 46-Jährige. Christian Mallaun arbeitet in der Gruppe Mess- und Sensortechnik und lieferte noch während der Kampagne vor Ort wichtige Umgebungsparameter wie Druck, Temperatur, Feuchte, Lage des Flugzeugs sowie die Windstärken an das wissenschaftliche Team. Basisdaten, die für die Einordnung der wissenschaftlichen Instrument-Messungen unerlässlich sind und die dafür sorgen, dass die späteren Forschungsergebnisse die Bedingungen der Messflüge berücksichtigen.

Aufzeichnungen auf über tausend Kanälen

Christian Mallaun bereitet die Geräte an Bord für den Flug vor

„Wir von der Mess- und Sensortechnik machen aus einem normalen Flugzeug ein Forschungsflugzeug“, sagt der Meteorologe. Bei HALO geschieht dies vor allem durch das BAHAMAS-System (Basic Halo Measurement and Sensor System), in dem alle Messsensoren und Geräte der Gruppe vereint sind. Wann der Arbeitstag in Brasilien beginnt und endet, bestimmt der Flugplan des Forschungsflugzeugs – dann fährt Christian Mallaun auch in der Nacht um 2 Uhr durch Manaus zum Flughafen, startet alle Messsensoren und bereitet die Aufzeichnung vor, bevor HALO ohne ihn an Bord abhebt. „Die Sitzplätze im Flugzeug sind überschaubar und handverlesen“. Über eine Chat-Anwendung ist er dennoch in Kontakt mit dem Team an Bord des Fliegers. Sollten Probleme mit den Messsensoren auftauchen, kann er vom Boden aus Hinweise geben, wie alles wieder ans Laufen kommen könnte. Umso wichtiger ist es daher, dass die etwa ein Dutzend Geräte, die alles in allem auf über tausend Messkanälen aufzeichnen, vor dem Flug sorgfältig gecheckt werden und operationell reibungslos und autonom funktionieren. Selbst die Klappenstellung des Flugzeugs oder die Kabinen-Innentemperatur kann das Wissenschaftsteam bei der Gruppe Mess- und Sensortechnik abfragen.

Datensätze für die Arbeit des Wissenschaftsteams

Kommt HALO vom acht- bis zehnstündigen Messflug zurück, wartet Christian Mallaun bereits am Hangar, um die Daten herunterzuladen, auf ihre Qualität hin zu prüfen und die ersten Auswertungen noch am selben Tag durchzuführen und an das Wissenschaftsteam weiterzugeben. „Unsere meteorologischen Messungen können im internationalen Vergleich sehr gut mithalten. Da sind wir enorm stolz darauf.“ Exakte Messungen und exakte Auswertungen – „das ist unser Beitrag zu den verschiedenen Messkampagnen.“ Dass Christian Mallaun Meteorologe ist, hilft ihm nicht nur bei der Interpretation und Korrektur der gemessenen Daten, sondern auch beim Verständnis der Forschungsthemen, für die die Flugzeuge in die Luft gehen.

Messen und Auswerten - nach jedem Flug begutachtet der Meteorologe die Daten

Neben diesem Wissen kommen noch andere Kompetenzen hinzu, die für die Arbeit im Mess- und Sensortechnikteam des DLR wichtig sind: „Wir haben eine Software für uns entwickelt, mit der die Daten schnell vor Ort konvertiert und auf ihre Qualität hin geprüft werden können.“ Ums Programmieren kommt er also nicht herum. Allerdings: Das menschliche Auge und der menschliche Verstand mit seiner Erfahrung haben damit nicht ausgedient bei der Qualitätskontrolle und der Auswertung. Manchmal, wenn die Umgebungsbedingungen zum Beispiel während des Flugs Wasser eindringen und im Nasenmast gefrieren lassen, muss Christian Mallaun die fehlende Datensätze bei seinen Auswertungen ausgleichen: „Dann war halt leider die Nase verstopft.“ Dass dies alles unter Zeitdruck geschieht, weil das Wissenschaftsteam mit den Daten des Messflugs auch Entscheidungen für den Ablauf der zukünftigen Messflüge trifft, ist für Christian Mallaun keine Belastung: „Ich finde das eher spannend!“

Vom Wetterdienst zur Messtechnik

Reisen wie hier ins Amazonasgebiet gehören zur Tätigkeit von Christian Mallaun dazu
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DLR

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Das liegt auch an der Erfahrung, die der Meteorologe seit 2007 im DLR gewonnen hat. Damals kam er vom Wetterdienst im italienischen Bozen, um am DLR die Datenauswertung für das Forschungsflugzeug Falcon zu übernehmen. 2010 begann er dann mit seiner Doktorarbeit, bei der er Messtechnik für den „Fliegenden Hörsaal“, die Cessna des DLR, erweiterte und umbaute. Das Messsystem musste dann noch meteorologisch beim Flug durch Schönwetter-Wolken seine Feuertaufe bestehen. Seitdem begleitet Christian Mallaun durchschnittlich zwei bis drei Messkampagnen im Jahr: „Ich reise furchtbar gerne, sehe unsere Einsatzorte dann gerne aus der Sicht des Naturwissenschaftlers - und zugleich muss sich die Reisetätigkeit natürlich auch mit dem Familienleben vertragen.“ Im Team für Mess- und Sensortechnik wird daher abgewechselt und bei langen Kampagnen im Ausland auch das Personal zwischendurch ausgetauscht. Im gesamten Jahr beträgt der Anteil der Kampagnen rund 30 bis 40 Prozent, schätzt Christian Mallaun.

Abwechslungsreich und horizonterweiternd

Wenn er die detaillierte Datenauswertung für CAFE-Brazil am Rechner in Deutschland abgeschlossen hat, wartet das nächste Projekt auf ihn: Der „Fliegende Hörsaal“ soll wieder neue Sensoren und neue Hardware erhalten, damit das Mess-System auf dem neuesten Stand ist. „Ich habe im Laufe des Jahres sehr unterschiedliche Aufgaben, da wird es mir auch nicht schnell langweilig.“ Was von der CAFE-Brazil-Kampagne bleibt, sind nicht nur die vielen Datensätze, sondern auch persönliche Eindrücke: die Stadt mitten im Dschungel, in der zwei Millionen Menschen leben, die teilweise sehr schlechten Lebensstandards der Einwohner, das schwüle Klima mit hohen Temperaturen und heftigen Regengüssen, aber auch der Ausblick vom ATTO-Turm. Zum Abschluss war eine kleine Gruppe der Kamapagne auf dem „Amazonian Tall Tower Observatory“ - gut 100 Kilometer Luftlinie von Manaus entfernt, mitten im Regenwald. Von dort hat Christian Mallaun aus 325 Metern Höhe auf die Baumkronen geblickt. „Wenn man Messungen macht, muss man die Amazonasregion auch verstehen. Da erweitert so ein Ausblick unbestreitbar den eigenen Horizont.“

Weit über den Baumkronen auf dem Turmobservatorium ATTO - wer Klimadaten misst, muss die Amazonasregion auch verstehen