13. Februar 2023
Manuela Braun
Pilot am DLR - eine Kombination aus Kampagnenleben und geregeltem Alltag

Du bist gerade zwölf Tage lang für Messflüge im brasilianischen Manaus gewesen. Welche Eindrücke bringt man von so einem Einsatz als Pilot mit?

Man kann sich das kaum vorstellen: Aus dem Cockpit blickt man auf den riesigen Regenwald, sieht über mehrere hundert Kilometer nur die Baumkronen und kleine Flüsse. Und dann tauchen immer mal wieder größere Flüsse auf, wo deutlich mehr los ist, wo plötzlich kleinere Ortschaften auftauchen. Um den Amazonas und den Rio Negro verzweigt sich alles, und man hat wieder ein ganz anderes Landschaftsbild.

Es ist wirklich Wahnsinn!

Macht Dein jeweiliger Einsatzort wie jetzt zum Beispiel Brasilien für Dich einen Unterschied bei der Arbeit?

Die Infrastruktur in Brasilien ist eine ganz andere. Wenn ich das mit meiner letzten Kampagne in Kanada vergleiche - dort ist es sehr europäisch. Manaus ist da eine ganz andere Geschichte. Alleine die Fahrt zum Flughafen ist ein wenig ein Abenteuer. Ganz viel Verkehr, sehr schlechte Straßen. In Brasilien wird der Luftraum zudem vom Militär kontrolliert, das heißt, der Kontakt zum Militär erfolgt über einen brasilianischen Wissenschaftler, der zu unserem Team hinzukommt. Wir planen einen Flug mit dem brasilianischen Wissenschaftler, der die Planung an das Militär weitergibt, und dann bekommen wir erst relativ kurzfristig gesagt, ob es so funktioniert oder nicht. Dann sprechen die wenigsten vor Ort Englisch, man verwendet also oft Google Translate, um zu kommunizieren. Da wir sehr speziell fliegen - ohne feste Routen, immer wieder die Höhe wechseln oder eine andere Route fliegen wollen, müssen wir während des Flugs den Fluglotsen viel erklären und vieles anfragen. Eine ganz andere Welt, an die man sich als Pilot anpassen muss.

Wie sah dieses „spezielle“ Fliegen im Fall von CAFE-Brazil aus? Wie mussten diese Flüge für die Wissenschaft durchgeführt werden?

Es ging zum Beispiel darum, den Ausfluss von Gewitterwolken zu vermessen und generell das Thema Gewitterbildung zu erforschen. Im Gegensatz zum Linienflug, bei dem man eine fixe Strecke von A nach B fliegt, fliegen wir zwar in einem definierten Bereich, können uns da aber, in Absprache mit den Fluglotsen, mehr oder weniger frei bewegen. Wir haben uns Gewitter in verschiedenen Stadien herausgesucht, wenn sie noch sehr klein sind, aber auch, wenn ein Gewitter wieder endet. Im Ausflussbereich des Gewitters ist es nicht mehr so turbulent, da kann man gut fliegen. Im Gewitter selbst sind zu viele Turbulenzen. Wir fliegen daher verschiedene Streifen mit einem leichten Versatz in unterschiedlichen Höhen ab und scannen quasi dieses Gewitter.

Auf der einen Seite stehen die Wünsche der Wissenschaftler/innen, auf der anderen Seite gibt es die technischen Flugmöglichkeiten und die Sicherheit. Wie funktioniert die Abstimmung zwischen den Piloten und dem Wissenschaftsteam?

Einen Tag vor dem Flug machen wir eine Flugplanung zusammen mit dem wissenschaftlichen Team. Während des Flugs stehen wir permanent in Kontakt mit dem Mission-PI, der Wissenschaftlerin oder dem Wissenschaftler in der Kabine, der die Kommunikation mit uns übernimmt. Das große wissenschaftliche Team ist am Boden – und die würden uns am liebsten über den Missions-PI fernsteuern. Wir müssen aber letztendlich entscheiden, was realisierbar ist und was nicht. Wenn wir am Wetterphänomen ankommen, müssen wir uns dann auf die Gegebenheiten einstellen. Die grobe Planung macht also das Wissenschaftsteam, die feine Planung, die machen dann wir Piloten. Dabei müssen wir den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern möglichst gut erklären, was machbar ist. Und das oft unter Zeitdruck.

Du hast Luft- und Raumfahrttechnik mit Vertiefung Flugzeugbau studiert. Wie war Dein Weg von dort zum Piloten am DLR?

Ich wollte schon immer beides haben: Studium und Pilotenausbildung. Nach dem Studium habe ich die Pilotenausbildung bei einer Fluglinie absolviert und bin dort im Linienverkehr geflogen. Hauptsächlich Kurzstrecke, da sieht man viele Städte, und lernt ganz Europa von oben kennen. Schließlich hat sich die Chance ergeben, dass das DLR einen Piloten suchte – und das war für mich eine Super-Sache, dort Studium und Pilotenausbildung miteinander verbinden zu können. Ein weiterer Vorteil war, dass ich beim DLR deutlich planbarer eingesetzt werde, denn beim DLR werden die Kampagnen weit im Voraus geplant. Das ist für das Sozialleben sehr angenehm. Ich bin im Jahr zwei bis drei Mal mit HALO und dann noch mal einige Male auf den kleinen Fliegern unterwegs. Ansonsten ist vieles lokal, hier von Oberpfaffenhofen aus. Die Kampagnen laufen für einen Piloten zwischen zwei bis vier Wochen. Das ist gut planbar.

Was ist deine Aufgabe, wenn Du nicht Messflüge auf wissenschaftlichen Kampagnen fliegst?

Wir sind alle als technische Piloten eingestellt, das heißt, das Studium ist Voraussetzung für uns DLR-Piloten. Wir machen im DLR ja nicht nur Messflüge auf solchen Kampagnen, sondern auch Zulassungsflüge, Werkstattflüge und Testflüge. Dadurch, dass bei uns in Oberpfaffenhofen die Flieger permanent umgebaut werden, müssen diese mit den jeweiligen Modifikationen wieder zugelassen werden und dafür gibt es eine Flugerprobung.

Ich finde den Wechsel spannend, zwischen dem Unterwegssein und dem geregelten Leben in Oberpfaffenhofen. Wenn wir auf Kampagne sind, sind wir eine große Mannschaft, ist das gesamte Team im selben Hotel, wir gehen gemeinsam essen, wir planen zusammen und sind über Wochen eine Gemeinschaft. Die Ingenieursarbeit im DLR bei der Zulassung von Anbauten ermöglicht im Gegensatz dazu dann auch den ganz normalen Bürojob, wo man zu normalen Zeiten zur Arbeit kommt und nachmittags wieder nach Hause fährt.

Du hast die Lizenz für den Langstreckenflieger HALO und die DO 228. Was steht für Dich in den nächsten Wochen und Monaten an?

Derzeit mache ich einige Trainingsflüge mit der HALO, einige An- und Abflüge, damit man fliegerisch im Training bleibt. Dann fliegen wir als nächstes unsere DO 228 nach Saarbrücken in die Wartung, machen dort ein, zwei Testflüge und kommen dann wieder nach Oberpfaffenhofen zurück. Die nächstgrößere Sache ist wieder mit der DO – da fliege ich im April nach Gabun und mache vor Ort Messflüge.

 

 

Über die Autorin
Manuela Braun macht seit 2010 Öffentlichkeitsarbeit für das DLR. Als ausgebildete Journalistin in Print und Online ist sie am liebsten dort vor Ort, wo Forschungsthemen zum Greifen nah sind. zur Autorinnenseite