16. Mai 2023
Manuela Braun
Strippenzieher im Kampagnenteam

Das Büro von Thomas Voigtmann ist derzeit etwas anders als üblich: Zum Fenster heraus fällt sein Blick auf Kiefern und Schneereste, zur anderen Seite hin blickt er durch Scheiben auf die Halle, in der gerade Experimente für den Flug durch die Schwerelosigkeit vorbereitet werden. Der Physiker ist mit einem großen Team auf dem schwedischen Raketenstartplatz Esrange. Das, womit er sich als Projektleiter in den letzten Monaten beschäftigt hat, nimmt nun Gestalt an: die MAPHEUS-13-Rakete mit vier Experimenten aus der Materialphysik und der Raumfahrtmedizin.

Von der Theorie in die Schwerelosigkeit

Angefangen hat es für Thomas Voigtmann mit einem eigenen Experiment auf der MAPHEUS-7. Das Programm MAPHEUS (Materialphysikalische Experimente unter Schwerelosigkeit) des DLR bringt die Forschung regelmäßig in die Schwerelosigkeit - „und mit Schwerelosigkeit hatte ich vorher nie zu tun“, sagt Thomas Voigtmann. Der 47-Jährige ist theoretischer Physiker, sein Thema bisher die Theorie, wie Glas bildende Flüssigkeiten funktionieren. Mit dem Wechsel ins DLR kam also nichts Geringeres als eine neue Arbeits- und Denkweise hinzu: Arbeiten am Instrument, Frickeln und Testen in einer großen Halle, um den Flug in die Schwerelosigkeit vorzubereiten, bei Kampagnen mit einem großen Team vor Ort zusammenleben und -arbeiten. Irgendwie war MAPHEUS-7 aber dennoch der Moment, in dem der theoretische Physiker sein Herz für die Forschung in der Schwerelosigkeit und die Kampagnenarbeit öffnete.

Seit dem Start der MAPHEUS-9-Höhenforschungsrakete ist er als Projektleiter verantwortlich, plant die Kampagne, ist für die Auswahl der Experimente zuständig und hält die Strippen in der Hand, um alle Beteiligten von der Mobilen Raketenbasis MORABA des DLR sowie die Experimenten-Teams des DLR-Instituts für Materialphysik im Weltraum und des DLR-Instituts für Luft- und Raumfahrtmedizin in Einklang zu bringen und zu halten. „Alleine die Vorbereitung eines Experiments kann ein bis zwei Jahre dauern“, sagt er.

Jonglieren mit den verschiedenen Arbeitsgebieten

Einmal jährlich war als Startfrequenz für die MAPHEUS-Kampagne angedacht – unter anderem durch die Coronazeit, die eine Teamarbeit vor Ort unmöglich machte, fanden die vergangenen Starts in kürzeren Abständen statt. „Das macht auch großen Spaß, sorgt aber dafür, dass anderen Themen und Bereiche dann zurückstehen müssen.“ Bei Thomas Voigtmann können das auch schon mal Schlaf und Freizeit sein. Neben MAPHEUS sind nämlich die eigenen Forschungsarbeiten, die theoretische Physik und die Betreuung von Studierenden als Professor an der Universität Düsseldorf noch im Arbeitsleben unterzubringen.

Teamwork nahe am Polarkreis

MAPHEUS ist “learning on the job” für den Projektleiter. „Mit jeder Kampagne wird mein Verständnis besser.“ Verständnis von den einzelnen Experimenten und ihrer Umsetzung und von den Abläufen und Arbeiten beim MORABA-Team. Auch das „Kampagnenleben“ gehört zu seinem Arbeitsalltag zusammen. Ein Team von über 30 Personen lebt dafür rund zwei Wochen auf der Raketenbasis, rund 50 Kilometer von Schwedens nördlichster Stadt Kiruna entfernt, abgelegen im Wald. Wo Raketen starten und wieder zur Erde zurückkehren, ist Distanz zu menschlichen Behausungen Pflicht. Das Hotel „Aurora“ liegt auf dem Gelände selbst, in Gemeinschaftsküchen wird sich selbst versorgt. Liegt der Starttermin im Sommer, sind die Tage lang und das Licht oft magisch. Im Winter hingegen sinken die Temperaturen auf minus 30 Grad Celsius und alles erstarrt in Eis und Schnee. „Dieses Teamleben gehört zur Kampagne auf jeden Fall dazu“. Gerade bei MAPHEUS ist das Team eingespielt und bringt viel Erfahrung mit. Zum einen ist Voigtmann häufiger selbst an einem Experiment beteiligt, zum anderen ist er der Leiter des Gesamtprojekts – es sei wichtig, sich auch immer ein Bild der eigenen Rolle zu machen. Bisher, sagt er, sind alle Kampagnen unter seiner Leitung glatt gelaufen. Und das soll möglichst so bleiben.  

Über die Autorin
Manuela Braun macht seit 2010 Öffentlichkeitsarbeit für das DLR. Als ausgebildete Journalistin in Print und Online ist sie am liebsten dort vor Ort, wo Forschungsthemen zum Greifen nah sind. zur Autorinnenseite