DLR Magazin 147 - page 32-33

ISLAND KAMPAGNE
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ISLAND-FLUGKAMPAGNE
dem Eis können sie anfangen, ihre Geräte zu kalibrieren. Sie checken
das Frequenzspektrum der ausgehenden Laserpulse. Man sieht, dass es
noch ein klein wenig vom Optimum abweicht. „Wir regeln kurz die
Frequenz des Lasers etwas nach“, heißt es. Dann stimmen die Werte
auf der Anzeige. Ebenso wird die Anzeige für die atmosphärische Rück-
streuung des Laserlichts geprüft. Von den ausgesendeten Photonen eines
Pulses findet in der Regel nur ein Bruchteil den Weg in die Detektoren
an Bord. Sie tragen die wertvolle Information über die Geschwindigkeit
der Winde unter der Falcon, denn bei der Rückstreuung verschiebt sich
je nach Windgeschwindigkeit die Wellenlänge des Lichts ein wenig.
Immer tiefer versinken die Berge landeinwärts im bis zu 3.000 Meter
mächtigen grönländischen Eispanzer. Bald verschwinden sie ganz hinter
einem gleichmäßig weißen Horizont. Beim Blick aus dem Cockpitfens-
ter erstreckt sich das konturlose Weiß in alle Richtungen. Keinerlei Ori-
entierung mehr für die Augen. Was bleibt, sind die Positionsreports, die
aus dem Cockpit über Funk an den zuständigen Controller weiter­
gegeben werden: „Delta Charly Mike Echo Tango checked position
7230North 03645West, Flightlevel 360, Mach.71 at time 0006, estima-
ting 7236North 04019West at time 0016, 7230North 03645West
next“.
00:10 Uhr
ist es so weit. Der 3.200 Meter hohe Gipfel Grönlands ist
erreicht. Nur noch zehn Minuten Verspätung zeigt die Uhr, trotz der
vorangegangenen Unwägbarkeiten. Im Licht der Mitternachtssonne
sieht man das Summitcamp 7.500 Meter unter der D-CMET. Wenige
fast unscheinbare Erhebungen zeugen von der Station auf der glatten
weißen Oberfläche mitten auf dem grönländischen Eisrücken. Nach
dem ersten Überflug leiten die Piloten das geplante Kreisen um die
Gipfelstation ein: „Request to circle overhead summit camp for 15 mi-
nutes at flightlevel 360“, geben sie über Funk an die Flugsicherung
durch. Der Controller auf der anderen Seite bestätigt „Cleared to circle,
next report when finished“. In der Kabine herrscht nun geschäftige
Ruhe. Konzentriert schauen die Wissenschaftler auf ihre Anzeigen, wäh-
rend die Falcon mit einem sogenannten „Procedure Turn“ umkehrt, um
danach über dem Summit Camp zwei Vollkreise mit 20 Grad Quer­
neigung zu fliegen. Der Laser ist nun durch ein großes optisches Fenster
im Rumpf der Falcon senkrecht nach unten gerichtet. Jetzt heißt es, die
besonders wichtigen und lang ersehnten Testmessungen des neuen
Lidars über der Station fehlerfrei zu absolvieren.
Die amerikanischen Wissenschaftler am Boden haben kurz zuvor eine
Radiosonde gestartet, die besonders präzise Vergleichswerte für die
Tests liefert. Zudem ragt der Laserstrahl eines Boden-Lidar-Geräts in den
Himmel über dem Gipfel, was weitere Vergleichswerte liefert. Dieses
Boden-Lidar der englischen Universität in Leeds wurde speziell für diese
Messkampagne auf die Gipfelstation geflogen. Es ist einer der perfek-
ten Orte auf dieser Forschungsflugkampagne, um das neue System für
den späteren Weltraumeinsatz zu validieren. Das Lidar an Bord der Falcon
ist zwar nur halb so groß wie das Gerät, das im Jahr 2017 mit der ESA-
Mission ADM-Aeolus in eine Erdumlaufbahn geschossen werden soll,
doch es hat exakt die gleiche Funktionsweise. So können die Wissen-
schaftler verschiedenste Windmuster, Aerosol- und Wolkenprofile
schon einmal aus der Luft messen, damit dies später erstmals über-
haupt mit einem Lidar aus dem Weltraum gelingt. An Bord fällt derweil
ein prüfender Blick auf die Qualität der gemessenen Daten, an denen
die Algorithmen für das zukünftige Satelliten-Lidar getestet werden.
00:30 Uhr
sind glückliche und erleichterte Crew-Gesichter zu sehen.
Die Piloten sind noch ein zweites Mal, schon etwas abseits von der
Station, gekreist. Nun sind die wichtigen Gipfelmessungen „im Kasten“.
Es bleibt etwas Zeit, die fantastische Stimmung im Licht der Mitter-
nachtssonne zu genießen. Jemand sagt: „Es ist schon toll, wir fliegen zu
einem der wissenschaftlichen Außenposten der Menschheit – einfach
fantastisch!“
02:00 Uhr
nähert sich die Falcon wieder der isländischen Küste und
schwenkt zur Landung auf dem Flughafen Keflavik ein. Den ganzen
Flug über hatte die Mittsommernachtssonne die Crew begleitet, nun
kurz vor der Landung verschwindet sie mitten in der Nacht auf dem
Weg nach Süden doch noch kurz hinter dem Horizont. Es ist der pas-
sende Schlussakkord einer ungewöhnlich schönen und aufwühlenden
Forschungsexpedition. Die Falcon setzt auf und kurze Zeit später rollt
sie vor den Hangar, wo sich das vorhin noch defekte Tor öffnet. Eine
simple Sicherung war am Vorabend defekt gewesen, der zuständige
Elektriker konnte sie nach seinem Eintreffen finden und austauschen.
Eine Nacht im Freien für die Falcon D-CMET wäre für die empfindlichen
Geräte an Bord bei isländischen Temperaturen knapp über dem Gefrier-
punkt gefährlich geworden. „Da hätte wohl jemand die restliche Nacht
mit einem Heizlüfter an Bord verbringen müssen“, hört man erleichtert
jemanden sagen. Aber zum Glück ist diese
unangenehme Verlängerung nach dem glück-
lichen Nachtflug nicht nötig und die Missions-
etappe kann ganz regulär mit der Sicherung
der wertvollen Messdaten ausklingen.
Weitere Flüge zusammen mit der NASA
In den folgenden Tagen finden noch weitere
Messflüge, dann wieder gemeinsam mit der
DC-8 der NASA statt. Dabei werden auch be-
reits im Orbit befindliche Wettersatelliten für
Vergleichsdaten unterflogen. Am Ende sind es
acht gemeinsame Forschungsflüge beider
Partner.
Die Flugkampagne der DLR Falcon wurde in
Kooperation mit der Europäischen Weltraum-
organisation ESA in Vorbereitung der Satelli-
tenmission ADM-Aeolus durchgeführt. Der
Start dieser Mission ist derzeit für 2017 ge-
plant. Mit einer VEGA-Rakete soll der neue
Wettersatellit auf eine polare Umlaufbahn in
410 Kilometer Höhe befördert werden. Die
Falcon wird weiter wie schon einige Male
in ihrer vierzigjährigen Geschichte neue Proto-
typen der Satellitenmesstechnik in der Luft
erproben, bevor diese im Weltraum zum Ein-
satz kommt.
Autoren:
Falk Dambowsky ist DLR-Luftfahrtredakteur.
Oliver Reitebuch ist Seniorwissenschaftler am DLR-Ins-
titut für Physik der Atmosphäre und leitete die ADM-
Flugkampagne. Philipp Weber ist Testpilot in der DLR-
Einrichtung Flugexperimente.
s.DLR.de/173o
Die Falcon des DLR und die DC-8 der NASA auf dem
internationalen Flughafen von Island in Keflavik während
der ADM-Kampagne im Mai 2015
GEMEINSAM VERSTEHEN,
WAS IN DER ATMOSPHÄRE PASSIERT
Kurzinterview mit Dave Emmitt, wissenschaftlicher Leiter der NASA-Mission PolarWinds
Welche Rolle spielt die NASA bei der gemeinsamen Mission in Island?
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Unsere Mission in Island verfolgt zwei Ziele: Das erste Ziel besteht darin, die ESA bei
den Vorbereitungen auf den Start von ADM-Aeolus, einer Satellitenmission mit einem
laserbasierten Windmessinstrument, zu unterstützen. Genauer gesagt führen wir mit
flugzeuggetragenen Wind-Lidar-Systemen spezifische Flugmanöver durch, um einen
weltraumbasierten Windsensor zu kalibrieren. In einigen Fällen fliegen wir in einer For-
mation mit der Falcon des DLR, in der sich der ALADIN-Demonstrator (Atmospheric Laser
Doppler Instrument) befindet – die Prototypen-Version des Aeolus-Instruments. Das
zweite Ziel bezieht sich auf die wissenschaftliche Mission PolarWinds der NASA mit dem
Schwerpunkt der Validierung numerischer Wettermodelle. Dabei liegt unser Haupt­
augenmerk auf den bodennahen Winden, insbesondere knapp über dem grönländischen
Eis. Es gibt einen breiten Konsens darüber, dass wir besser verstehen müssen, was in der
Atmosphäre im Bereich der Polarregionen passiert. Es handelt sich dabei um eine Region,
für die sehr wenige direkte Messungen vorliegen, insbesondere in Oberflächennähe.
Wie lange arbeiten Sie bereits mit dem DLR an dieser Mission?
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Seit mehr als 30 Jahren beschäftige ich mich mit der Meteorologie der Tropen und seit
den Achtzigerjahren arbeite ich mit flugzeuggetragenen Wind-Lidar-Systemen. In den
letzten drei Jahren habe ich jedoch einen Teil meiner Zeit den Polarregionen gewidmet.
Meine Verbindungen zur Atmosphärenforschung in Deutschland gehen auf meine Zeit
als Postdoktorand in Hamburg in den Siebzigerjahren zurück. Ab den Neunzigerjahren
nahmen Lidar-Forscher des DLR regelmäßig an den Treffen von Arbeitsgruppen zum
weltraumbasierten Doppler-Wind-Lidar der NASA und der National Oceanic and Atmos-
pheric Administration, kurz NOAA, in den USA teil. Seitdem besteht bei der NASA ein
großes Interesse an einer Zusammenarbeit mit dem DLR und der ESA bei Lidar-Missionen.
Angesichts der bedeutenden Expertise des DLR im Bereich der Wind-Lidar-Systeme war
unser Wunsch nach einer Zusammenarbeit an einem ADM-Projekt selbstverständlich. Wir
haben eigene Wind-Lidar-Systeme auf der DC-8, darunter ein Direktempfangs-Lidar,
ähnlich dem ALADIN-Demonstrator auf der Falcon. Ich will hier noch anfügen, dass dies
die allererste Flug-Mission ist, bei der vier DWLs, also Doppler-Wind-Lidar-Systeme, in
einer Formation zusammen geflogen sind. In den USA haben wir fünf DWLs auf verschie-
denen Flugzeugen. Diese Aktivitäten haben das Ziel, in der Zukunft auch ein satelliten­
getragenes Wind-Lidar im Weltraum zu fliegen.
Warum fliegen zwei Flugzeuge mit jeweils zwei Wind-Lidar-Systemen?
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Wir testen die Kalibrierung des Aeolus-Wind-Lidars der ESA. Wenn der ALADIN-De-
monstrator auf der Falcon senkrecht nach unten schaut, während die Piloten das Flug-
zeug in engen Kreisen, also in einem 20-Grad-Rollwinkel, fliegen, misst das Lidar nicht
den vollständigen Windvektor, da für das Windprofil mehrere Strahlrichtungen nötig
sind. Die DC-8 führt dann Lidar-Messungen durch, aus denen das vollständige Windpro-
fil abgeleitet werden kann. Zusätzlich braucht es für die Kalibrierungsmessungen des
ALADIN-Demonstrators Temperaturprofile, um die Beobachtungen zu korrigieren. Die
DC-8 war daher mit einem Dropsonden-System zur Messung von Wind-, Temperatur-
und Feuchte-Profilen ausgestattet. Diese Dropsonden wurden von der DC-8 in der Nähe
der kreisenden Falcon abgeworfen.
Wie sah die Formation der Flugzeuge aus?
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Am Anfang wurde in ziemlich enger Formation geflogen. Die DC-8 flog nur etwa
330 Meter unter der Falcon und nur ein paar hundert Meter hinter ihr. Bedenken der
Flugsicherung führten später zur Vergrößerung der Abstände auf mehrere Kilometer.
Sind für die Zukunft weitere gemeinsame Projekte geplant?
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Ja, vor allem wenn der ESA-Satellit gestartet wird. Nach dem Start haben wir bestimmt
wieder die Gelegenheit zur Zusammenarbeit mit dem DLR, um das Satelliten-Instrument
unter einer Vielfalt atmosphärischer Bedingungen zu kalibrieren und zu validieren. So
lange der Satellit in der Umlaufbahn bleibt, wird es zahlreiche Möglichkeiten geben, ihn
zu unterfliegen und dabei ständig unsere Kenntnisse zur Leistung des Instruments und
zur Nutzung der Daten für die Wissenschaft zu verbessern.
Dave Emmitt ist Meteorologe und arbeitet seit mehr als 30 Jahren
mit flugzeuggetragenen Wind-Lidar-Systemen. Er ist einer der
führenden US-Wissenschaftler auf diesem Gebiet.
1...,12-13,14-15,16-17,18-19,20-21,22-23,24-25,26-27,28-29,30-31 34-35,36-37,38-39,40-41,42-43,44-45,46-47,48-49,50-51,52-53,...56
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