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SCHWERELOSIGKEITSFORSCHUNG
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ine Bayernfahne an der Wand. Pappbecher, mit Filzschreiber markiert. Schrauben. Drähte.
Boxen mit Handschuhen. Vor einer Woche haben die Teams der Mobilen Raketenbasis MORABA,
des Instituts für Materialphysik im Weltraum und des Instituts für Luft- und Raumfahrtmedizin die
Container ausgepackt und sind in die „Church“ gezogen. Diese „Kirche“ nahe Schwedens nörd-
lichster Stadt Kiruna, 200 Kilometer hinter dem Polarkreis, hat allerdings weder etwas Festliches,
noch etwas Besinnliches, denn sie ist Werkstatt und Labor zugleich. Die DLR-Ingenieure und
-Wissenschaftler starten vom schwedischen Raketenstartplatz Esrange aus regelmäßig Höhenfor-
schungsraketen mit wissenschaftlichen Experimenten an Bord. Im Juni 2015 ist es die fünfte
Mission des MAPHEUS-Projekts (Materialphysikalische Experimente unter Schwerelosigkeit). In der
„Church“ genannten Halle werden dafür vier Experimente vom DLR-Institut für Materialphysik im
Weltraum und vom DLR-Institut für Luft- und Raumfahrtmedizin für den Flug durch die Schwere-
losigkeit vorbereitet und anschließend zusammengebaut. In einer Ecke der Halle arbeitet ein Team
der MORABA am Bergungssystem, das dafür sorgen soll, dass alle Experimente auch wieder sicher
am Fallschirm zur Erde zurückkehren. Das Team, das für das Service-Modul und somit unter anderem
für die Kommunikation vom Boden zur fliegenden Rakete zuständig ist, hat sich in der rechten
hinteren Ecke eingerichtet. Mittlerweile ist aus der „Church“ eine Art heimisches Labor geworden.
Sechs Minuten Schwerelosigkeit erlaubt der Flug der MAPHEUS-5-Rakete. Dann sollen im Inne-
ren der goldfarbenen Module vier Experimente ablaufen. In MEGraMa 2.0 (Magnetically Excited
Granular Matter) werden acht Magnete wechselweise insgesamt 2.500 kleine Kugeln in Bewegung
setzen, anschließend zeichnet eine Kamera auf, wie sie nach den Stoßprozessen wieder zur Ruhe
kommen. Im Elektrostatischen Levitator (GOLD-ESL; Gravity Impact on Liquid Drops – Electrostatic
Levitation) sollen Proben schwebend geschmolzen werden, also ohne dass sie die Tiegelwand
berühren. Die Röntgenradiografieanlage X-RISE soll während des Fluges durch die Schwerelosig-
keit Diffusions- und Erstarrungsprozesse mit einer Kamera aufzeichnen. Die Biologen hingegen
setzen Arabidopsis thaliana – die Acker-Schmalwand – der Schwerelosigkeit aus und erforschen,
wie die Pflanzen auf das Fehlen der Erdanziehungskraft reagieren.
Post aus Brasilien
Aus einer Ecke in der Halle quäkt Musik aus dem Radio. Die Kaffeemaschine ist nur einen Flur weit
entfernt. In der Halle brennt das Neonlicht, draußen scheint die Sonne. Allerdings: Wann ist mal
kein Tageslicht? In Schweden rückt die Mittsommernacht näher, und es wird niemals dunkel. Die
Mission allein gibt dem Tag seine Struktur. Er beginnt morgens um 8:30 Uhr mit einem Treffen mit
den Kollegen der Swedish Space Corporation SSC. Frank Scheuerpflug, Projektleiter der MORABA
für MAPHEUS, hat gute Nachrichten fürs Team, das sich in dem kleinen Besprechungsraum zusam-
mendrängt: Die in Brasilien angefertigte Düse für einen der beiden Raketenmotoren wird heute
Nachmittag ankommen, der zweite Motor kann von der MORABA integriert werden. Der brasilia-
nische Partner kommt bei den vielen Missionen der DLR-Raketenbasis mit der Produktion dieses
entscheidenden Teils für den S30-Motor kaum hinterher.
DAS LETZTE WORT
HAT DER WIND
MAPHEUS-5 – eine Mission in die Schwerelosigkeit und ihre Tücken
Von Manuela Braun
Auf einem Wagen wird der Raketenteil mit den vier Experimenten zur Startrampe transportiert
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