DLR Magazin 150 - page 22-23

Der Welt Erbe im Blick von Satelliten
Von Bernadette Jung, Gunter Schreier und Prof. Dr. Günter Strunz
I
m September 2015 dokumentierten Satellitenbilder, was Beobachter vor Ort in Syrien nach ersten
Vermutungen inzwischen auch bestätigten: Der Bel-Tempel, Kernstück der zweitausend Jahre
alten syrischen UNESCO-Weltkulturerbestätte Palmyra, die nahegelegene Säulenreihe sowie der
Baalshamin-Tempel sind zerstört. Sie wurden von der Terrormiliz „Islamischer Staat“ gesprengt.
Die Veränderungen konnten im Vergleich mit älteren Satellitenbildern belegt werden. Erst einige
Jahre zuvor hatten Archäologen in Palmyra mit Hilfe der satellitengestützten Fernerkundung
spektakuläre Entdeckungen gemacht.
Dank seiner Wasserquelle inmitten der syrischen Wüste und seiner zentralen Lage entlang der
Karawanenstraße zwischen Asien und Europa hatte sich Palmyra während der Zeit des Römischen
Reichs von einer kleinen Oase zu einem globalen Handelszentrum entwickelt. Dass die Stadt
bereits im 3. Jahrhundert vor Christus besiedelt war und weltweite Handelsbeziehungen pflegte,
wurde lange vermutet. Prof. Dr. Andreas Schmidt-Colinet vom Institut für Klassische Archäologie
der Universität Wien konnte 2008 den Beweis dafür erbringen: Bodenuntersuchungen mit dem
Magnetometer und gezielte Grabungen führten sein Team zu einer unter dem Sand verborgenen
Siedlung, außerhalb der bekannten Stadt. Daten des deutschen Radarsatelliten TerraSAR-X
ergänzten die Auswertung. Dazu erstellten das DLR-Institut für Hochfrequenztechnik und Radar-
systeme und das Earth Observation Center des DLR spezielle hochaufgelöste Radarbilder. So
konnten die Archäologen im Wüstensand Bodenstrukturen erkennen, die mit bloßem Auge oder
terrestrischer Vermessung nicht sichtbar sind.
Derzeit bereitet Schmidt-Colinet eine Publikation über die antiken Steinbrüche von Palmyra vor.
Wieder sollen neueste Satellitenbilder zur Auswertung der Forschungsergebnisse herangezogen
werden: „Dies wird umso wichtiger sein, da auch diese Steinbrüche unmittelbar von der Zerstö-
rung durch die kriegerischen Ereignisse in Syrien bedroht sind“, so Schmidt-Colinet.
Kulturelles Mandat
Die kulturelle Identität einer Gemeinschaft – ob regional, national oder international – ist mit
ihrem kulturellen Erbe verknüpft. Monumente aus längst vergangenen Zeiten liefern der Gesell-
schaft den historischen Kontext und damit auch Bezugspunkte für aktuelle Herausforderungen.
Die Zeugnisse alter Zivilisationen gilt es daher nachhaltig zu sichern: durch Monitoring, Doku-
mentation, Auswertung und Interpretation archäologischer Stätten. Entsprechende Technologi-
en treibt das DLR in Oberpfaffenhofen voran: Das Deutsche Fernerkundungsdatenzentrum und
das Institut für Methodik der Fernerkundung bilden zusammen das Earth Observation Center
(EOC) des DLR – und bündeln ihre Kompetenzen im Gewinnen, Auswerten, Verarbeiten und
beim Management von Erdbeobachtungsdaten.
Die Unterstützung archäologischer Forschungsarbeiten begann dort vor 13 Jahren – mit der
Kartierung der antiken irakischen Stadt Uruk. Allein das DLR war in der Lage, dem Deutschen
Archäologischen Institut (DAI) Satellitendaten zu liefern, um die Gefährdung der ältesten Sied-
lung der Welt durch den damaligen Irak-Konflikt abzuschätzen. Seit 2004 leistet das EOC einen
besonderen kulturellen Beitrag: Es liefert Fernerkundungsdaten von DLR-Missionen für wissen-
schaftliche Arbeiten zur Bewahrung von Welterbestätten der UNESCO, der Organisation der
Vereinten Nationen mit einem Mandat im Kulturbereich. Eine Aufgabe mit gewaltigen Dimen­
sionen – mehr als eintausend Natur- und Kulturstätten in 163 Ländern sind derzeit als UNESCO-
Welterbe gelistet. Allein in Deutschland sind 40 Stätten von „außergewöhnlichem universellen
Wert“ zu schützen – darunter der Kölner Dom, die Museumsinsel in Berlin, die Grenzanlagen des
Römischen Reichs (Limes), das Wattenmeer und das Opernhaus in Bayreuth.
SEHEN, WAS NICHT
VERBORGEN BLEIBEN DARF
FERNERKUNDUNG
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Bild: Schmidt-Colinet
Bel-Tempel von Palmyra vor seiner Zerstörung. Er gilt als eines der wichtigsten religiösen Bauwerke des ersten
Jahrhunderts im Nahen Osten. Die besondere Bauweise und Gestaltung machten den Tempel einzigartig.
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