DLR Magazin 150 - page 38-39

FAHRZEUGLEICHTBAU
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Bild: ARENA2036
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FAHRZEUGLEICHTBAU
Leichtere Karosserieteile mit mehreren Aufgaben
„Das Gewicht lässt sich durch Bauteile aus hochfestem Stahl, Alumini-
um oder eben CFK reduzieren. Durch die richtige Kombination in Multi-
Material-Bauweise ergeben sich weitere Potenziale. Das Ziel ist, das
Maximum aus dem Werkstoff und der Leichtbauweise herauszuholen.
Ein funktionsintegriertes Bauteil ist in der Regel leichter als die Summe
der Einzelfunktionsbauteile. Durch die richtige Kombination der Materi-
alien und durch Funktionsintegration lässt sich das Gewicht um 20 bis
30 Prozent senken, das zeigen Erfahrungen aus Verkehrsprojekten“, so
Gundolf Kopp, Leiter des Forschungsfelds Leichtbau und Hybridbauwei-
sen am DLR-Institut für Fahrzeugkonzepte in Stuttgart. „Mit einer hö-
heren Funktionsintegration und weniger Einzelbauteilen können wir in
Zukunft zudem den Aufwand für Montage und Logistik senken.“
Im Projekt LeiFu (Intelligenter Leichtbau mit Funktionsintegration) erfor-
schen die ARENA2036-Partner die Grundlagen zur Integration ausge-
wählter Einzelfunktionen. Als Anwendungsbeispiel dient ein multifunk-
tionales Bodenmodul für ein Fahrzeug der Oberklasse. Statt wie bisher
überwiegend aus Metall fertigen die Forscher die Bodenstruktur aus
Faserverbundkunststoffen und integrieren zusätzliche Funktionen direkt
in den Unterboden. Der Fahrzeugboden der Zukunft dient nicht mehr
nur als Fundament, um Elemente wie Fahrzeugsitze zu verankern. „Die
möglichen Funktionalitäten reichen von sensorischen oder elektrischen
über thermische Funktionen bis hin zur Schall- und Wärmedämmung.
Im Projekt erarbeiten wir Bewertungs- und Gestaltungsregeln für hoch-
integrierte Bauteile“, so Kopp. Ziel ist es, die Konzepte, Bauweisen und
Herstellungsmethoden funktionsintegrierter Faserverbundstrukturen so
weiterzuentwickeln, dass sie es leichter haben, in die automobile Serien-
produktion eingeführt zu werden.
Digitaler Prototyp unterstützt virtuelle Produktentwicklung
Wie lässt sich das Verhalten von Faserverbundmaterialien vorhersagen?
Und können Faserverbundbauteile in einer geschlossenen Prozesskette,
von der Auslegung bis zur Fertigung, am Computer berechnet werden?
Mit diesen Fragen beschäftigen sich die ARENA2036-Partner im zwei-
ten Teilprojekt DigitPro (Digitaler Prototyp).
„Die Herausforderung besteht darin, realitätsgetreue Materialmodelle
zu entwickeln, um Werkstoffe und Strukturen am Computer abbilden
zu können“, so Dr. Nathalie Toso, Leiterin der Abteilung Strukturelle
Integrität am Institut für Bauweisen und Strukturtechnologie in Stutt-
gart. „So können wir unseren Partnern im Bereich der Herstellung
wichtige Informationen geben, zum Beispiel welche Festigkeiten und
Steifigkeiten erzielt werden können, welche Energie im Crashfall absor-
biert werden kann oder welche Produktionsverfahren sich für Material
und Struktur am besten eignen.“
Von der Auslegung bis zur automatisierten Fertigung durchläuft ein
Bauteil eine Vielzahl unterschiedlicher Prozesse. „Die Simulations-
werkzeuge und Datenformate, die von den verschiedenen Akteuren
verwendet werden, sind unterschiedlich, das erschwert den Daten-
austausch“, so Toso. Ziel im Teilprojekt DigitPro ist es, alle notwendi-
gen Schritte zur Bauteilentwicklung numerisch abzubilden und zu-
nächst virtuell in eine geschlossene Prozesskette zu überführen. Dies
geschieht am Beispiel zweier unterschiedlicher textiler Faserarchitek-
turen: Geflechte und Open Reed Weaving (ORW), eine neuartige
Webtechnologie.
„Auf diese Weise sollen Bauteile anschließend zügig und anforderungs-
gerecht ausgelegt werden können. Mit Hilfe eines vollständigen digita-
len Modells und eines durchgängigen Datenaustauschs über alle Schritte
der Prozesskette hinweg wird es möglich, das Bauteilgewicht um zehn
Prozent und die Entwicklungszeit um 50 Prozent zu senken.“ Zudem
können Entwicklungskosten reduziert, Reibungsverluste vermieden
und der Aufwand für bisher notwendige reale Tests zur Validierung und
Absicherung der Bauteileigenschaften minimiert werden.
Die Fabrik der Zukunft ist vernetzt und flexibel; neue Entwicklungen können sofort
in die laufende Produktion einfließen
Bild: ARENA2036
ARENA2036: EUROPAS GRÖSSTE
FORSCHUNGSFABRIK
Das Forschungsprogramm ARENA2036 (Active
Research Environment for the Next Generation of
Automobiles) gehört zu den Gewinnern des vom
Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF)
ausgeschriebenen Wettbewerbs „Forschungscampus –
öffentlich-private Partnerschaft für Innovationen“.
Die Jahreszahl 2036 nimmt Bezug auf das 150-jährige
Jubiläum des Automobils. Gründungsmitglieder sind
neben dem DLR die BASF SE, die Daimler AG, die
Deutschen Institute für Textil- und Faserforschung
Denkendorf (DITF), die Fraunhofer-Gesellschaft, die
Robert Bosch GmbH und die Universität Stuttgart.
Seit Juli 2013 arbeitet ARENA2036 bereits in einem
Interimsgebäude mit allen vier Startprojekten: LeiFu
(Intelligenter Leichtbau mit Funktionsintegration),
DigitPro (Digitaler Prototyp), ForschFab (Forschungs­
fabrik) sowie das Schnittstellenprojekt Khoch3 (Kreati-
vität-Kooperation-Kompetenztransfer). Am 8. Oktober
2015 wurde auf dem Universitätscampus in Vaihingen
der Grundstein für einen Forschungsneubau gelegt.
Diese „Forschungsfabrik“ führt die Aktivitäten des
Forschungscampus unter einem Dach zusammen.
Sie bringt die unterschiedlichen Disziplinen in engen
Austausch und ermöglicht das zeitnahe Erproben der
Ergebnisse aus Entwicklungs- und Konstruktionsfor-
schung sowie Simulation. In dem Gebäude entstehen
bis zu 160 Arbeitsplätze.
Das Forschungs- und Entwicklungsvorhaben
ARENA2036 wird mit Mitteln des BMBF gefördert
und vom Projektträger Karlsruhe (PTKA) betreut.
Momentan entsteht auf dem Stuttgarter Universitätscampus in Vaihingen die For-
schungsfabrik für die nächste Generation Automobile
Enge Kooperation von Wirtschaft und Wissenschaft
Das Projekt ForschFab (Forschungsfabrik) führt die Forschungs- und
Entwicklungsarbeiten der Projekte LeiFu und DigitPro zusammen. Im
Fokus der Forschungsfabrik steht der Wandel des industriellen Produk-
tionsprinzips, sprich die Ablösung der bisherigen Fließbandfertigung
durch die wandlungsfähige Produktion der Zukunft, die Industrie 4.0:
Die Montagelinie ist so flexibel, dass neue Entwicklungen sofort in die
laufende Produktion einfließen können, vernetzte und sensorgeleitete
Roboter- und Assistenzsysteme unterstützen den Menschen. Klassische
Verbrennungsmotoren, Hybridantriebe, elektrische Antriebe mit Batte-
rien oder Brennstoffzelle werden zeitgleich nebeneinander produzier-
bar sein. Peter Froeschle, Geschäftsführer von ARENA2036: „In der
Forschungsfabrik entsteht nicht nur eine einmalige Anlage zur Erfor-
schung der Industrie 4.0, sie bringt auch Experten aus Wirtschaft und
Wissenschaft unter einem Dach zusammen. Ziel dieser interdisziplinä-
ren und interinstitutionellen Kooperation ist es, den Transfer von For-
schungserkenntnissen in die industrielle Produktion zu beschleunigen.
Hier leistet das DLR einen wichtigen Beitrag.“
Nicole Waibel
ist im DLR-Institut für Bauweisen und Strukturtechnologie unter an-
derem für die Öffentlichkeitsarbeit verantwortlich.
Das funktionsintegrierte
Bodenmodul in seinen ein-
zelnen Bestandteilen
DIGITALER PROTOTYP
50 % weniger Entwicklungszeit
10 % weniger Gewicht
Computer-aided
manufacturing
Materialmodellierung
Prozesssimulation
Optimierung
Struktursimulation
& testing
1...,18-19,20-21,22-23,24-25,26-27,28-29,30-31,32-33,34-35,36-37 40-41,42-43,44-45,46-47,48-49,50-51,52-53,54-55,56-57,58-59,...60
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