DLR Magazin 150 - page 42-43

Dabei sind diverse Systemanforderungen zu berücksichtigen: In einem
realen Triebwerk muss sich das Zündsystem nahtlos in die Architektur
der gesamten Stufe einfügen. Das betrifft unter anderem die Stromver-
sorgung sowie die elektromagnetische Verträglichkeit des Systems mit
anderen elektronischen Komponenten oder Baugruppen auf der Träger-
rakete. Auch der maximal mögliche Bauraum sowie die Zugänglichkeit
für Montage- und Wartungsarbeiten sind zu berücksichtigen. Darüber
hinaus sind Regularien einzuhalten, die in Europa für Raumfahrtkompo-
nenten gelten. So müssen Bauteile vermieden werden, die durch inter-
nationale Gesetzgebung nur eingeschränkt verfügbar sind. Für das
Zündsystem sind zudem Nachweise zur Zuverlässigkeit bei Vibrationen
und Temperaturschwankungen zu führen, die bereits in der Entwurfs-
phase des Systems berücksichtigt werden müssen. Der Zündlaser muss
thermisch hinreichend gut von der Umgebung entkoppelt werden und
den verbleibenden Temperaturschwankungen und mechanischen Lasten
standhalten. Gleichzeitig muss der optische Zugang zum Brennraum so
ausgelegt werden, dass thermische Einflüsse die Zündeigenschaften
nicht verschlechtern.
Die DLR-Wissenschaftler arbeiten weiter an Experimenten mit Brenn-
kammern im kleinen Maßstab, um so den Schritt zur Anwendung im
Originalmaßstab zu gehen. Dabei handelt es sich um ein Technologie-
demonstrator-Triebwerk im Originalmaßstab eines Flugtriebwerks.
Diese Versuchsbrennkammer ermöglicht in Kombination mit dem Vaku-
umsystem des Teststands, den sehr geringen Druck zu simulieren, der
bei großen Flughöhen herrscht. Eine sechsmonatige Versuchskampagne
mit über 300 Testläufen bewies, dass die Laserzündung nicht nur unter
den Bedingungen auf der Erdoberfläche, sondern auch für Höhenbedin-
gungen geeignet ist. Zugleich wurde der miniaturisierte HiPoLas-Laser in
einer Raketenversuchsbrennkammer eingesetzt. Der Erfolg dieser Tests
war der Grundstein für die weitere Entwicklung der Laserzündung in der
Raumfahrtantriebstechnik in Europa.
Die Technologie, die zunächst nur für Triebwerke zur Lageregelung an-
gedacht war, wurde nach den ersten Grundlagentests 2011 auch als
mögliche Prüfstandtechnologie betrachtet. Pro Versuchstag sollten
durch den Einsatz nur eines Laserzünders viele Zündtests möglich wer-
den. Zeitgleich wurde die Laserzündung aber auch als Technologie für
die Zündung von größeren Triebwerken identifiziert. Auf das erste ESA-
Forschungsprojekt folgte 2014 ein zweites. Es hatte zum Ziel, die Laser-
zündung einer Brennkammer mit mehreren Einspritzelementen unter
Höhenbedingungen zu testen. Die Grundlagentests am Teststand M3.1
des DLR-Instituts für Raumfahrtantriebe in Lampoldshausen waren so
vielversprechend, dass eine Testkampagne am Europäischen For-
schungs- und Technologieprüfstand P8, ebenfalls am DLR-Institut für
Raumfahrtantriebe, folgte. Sie sollte die Eignung der Laserzündung für
den Einsatz in Brennkammern von bodengezündeten Triebwerken mit
hohem Schub unter Beweis stellen.
Während der viermonatigen Testkampagne Ende 2014 wurden mehr
als 1.500 Zündtests für die Treibstoffkombinationen Sauerstoff/Wasser-
stoff und Sauerstoff/Methan durchgeführt. An kryogenen Testständen
des DLR war es die Kampagne mit den meisten Zündungen überhaupt.
In jeweils dreißigminütigen Versuchsläufen wurde die Brennkammer
sechzig Mal gezündet, auf ihren stationären Betriebspunkt gebracht
und wieder heruntergefahren. Diesen Eignungstest bestand die Laser-
zündung mit Bravour.
Parallel zu diesen Grundlagenuntersuchungen des DLR bereitete das
Unternehmen ASL seit 2012 die industrielle Anwendung laserbasierter
Zündsysteme für Raketentriebwerke vor. Die Arbeiten von ASL kon-
zentrierten sich auf die Integration eines solchen Zündsystems in ein
existierendes Triebwerk und auf die Demonstration der Machbarkeit
unter Betriebsbedingungen, wie sie bei einer Raumfahrtmission auf-
treten.
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RAUMFAHRTANTRIEBE
Der Laser, der heute in Zusammenarbeit von DLR und ASL (Airbus Safran
Launchers) speziell für Raketentriebwerke weiterentwickelt wird, ist der
HiPoLas-Laser des österreichischen Technologiezentrums Carinthian
Tech Research (CTR). Es handelt sich dabei um ein sehr kleines und mit
einem halben Kilogramm Gewicht sehr leichtes Lasersystem.
Die ersten Laserzündtests von Versuchsbrennkammern fanden in den
Neunzigerjahren am Prüfstand M3.1 des DLR-Instituts für Raumfahrtan-
triebe in Lampoldshausen statt. Ziel war es, experimentelle Daten zu
gewinnen, mit denen der Zündprozess in Zahlen gefasst werden konnte:
Dank des präzise festlegbaren Zündorts und -zeitpunkts eignet sich die
Laserzündung perfekt für die numerische Simulation der Zündung. So
konnten die Forscher die wechselseitigen Abhängigkeiten von Einspritz­
eigenschaften der Treibstoffe, Zündzeitpunkt und Druckverlauf nach
der Zündung untersuchen. An eine technische Übertragung auf reale
Triebwerke war zu diesem Zeitpunkt noch nicht zu denken.
Die erste Version eines Laserzünders wurde von CTR im Jahr 2004 mit
dem Ziel entwickelt, die elektrischen Zündkerzen für Pkw-Motoren zu
ersetzen. Schnell zeigte sich, dass angesichts der Vibrationen und Tem-
peraturen beim Betrieb von Pkw ein sehr kompakter und aus möglichst
wenigen Komponenten bestehender Festkörperlaser nötig war. Auch
an Laserzündern für Großgasmotoren und Flugzeugturbinen wurde
gearbeitet. Dazu musste der Laser von Wasserkühlung auf eine passive
Kühlung umgestellt und weiter verkleinert werden. Es entstand zudem
eine kompakte, luftfahrttaugliche Elektronikbox. Damit waren auch die
Voraussetzungen geschaffen, um das System in der Raumfahrt einzu-
setzen.
Erst 2009 wurde die Laserzündung als Zündtechnologie für sogenannte
Lageregelungstriebwerke in Erwägung gezogen. Diese kleinen Trieb-
werke werden sowohl auf Satelliten als auch in Trägerraketen einge-
setzt, um die Lage und Ausrichtung während des Starts und des Fluges
zu korrigieren, zu ändern oder zu halten. Heutige Lageregelungssysteme
werden mit hydrazinbasierten Treibstoffen betrieben. Sie haben den
Vorteil, kein Zündsystem zu benötigen, sind aber giftig und gelten als
krebserregend. Als 2007 die REACH-Verordnung der EU in Kraft trat,
wurde die Anwendung bestimmter umweltschädlicher Stoffe einge-
schränkt oder untersagt. Hydrazin gehört dazu. Eine Alternative ist die
Nutzung von Wasserstoff und Sauerstoff aus den Haupttanks der Rakete.
Für den Betrieb benötigen solche Lageregelungstriebwerke jedoch ein
leichtes und zuverlässiges Zündsystem. Deshalb wurde die Laserzün-
dung für flüssigen Sauerstoff und gasförmigen Wasserstoff oder gas-
förmiges Methan an einer Versuchsbrennkammer am DLR-Teststand
M3.1 untersucht.
Luftbild eines Vulcain 2-Tests am Prüfstand P5 des DLR in Lampoldshausen
Blick durch die Düse der Brennkammer auf die Einspritzelemente des Injektorkopfs
mit dem mehrere tausend Grad heißen Plasma, erzeugt durch den Laserpuls
Am DLR-Teststand M3.1: Die Versuchsbrennkammer wird am Ende eines Testtages
auf Schäden untersucht.
Fünf Fragen an die Beitragsautorin Dr.-Ing. Chiara Manfletti
Wann war Ihnen klar, dass Sie sich beruflich mit Raketentrieb-
werken befassen wollen?
:
:
Es gab da so einen Moment, noch vor dem Beginn meines Stu­
diums, im September 1997. In den Fernsehnachrichten kam ein
Video über die Huygens-Sonde der ESA, es zeigte, wie sie in die
Atmosphäre des Saturn-Mondes Titan eintauchte. In dem Moment
wusste ich: Ich will so etwas machen – Raumtransporte ermöglichen!
Ich ging zu meinen Eltern und sagte: „Ich ziehe nach London, ich
werde Raumfahrt machen.“ So ging die Reise los.
Welche Fähigkeit oder Fertigkeit ist besonders wichtig, wenn
man sich mit Raumfahrtantrieben befasst?
:
:
Die Fähigkeit, alles theoretisch Erlernte und praktisch Erfahrene
genau dann einzusetzen, wenn es notwendig ist. Ich sehe es wie
einen Beutel mit magischen Instrumenten, den man auf Exkursion
bei sich trägt, und aus dem man sich je nach Anlass bedient und
genau weiß, was man jetzt rausholen muss. Man sollte offen für
Neues, vielleicht auch erst mal unmöglich Erscheinendes sein.
Welchen Beruf hätten Sie gern ergriffen, wenn Sie nicht Raum-
fahrtingenieurin geworden wären?
:
:
Ich bin ein neugieriges Wesen – für mich kam vieles infrage, von
Meeresbiologin, Juristin, Journalistin, Tierärztin, Bauingenieurin, …
die Liste ist lang, ... ich wollte auch mal der italienischen Luftwaffe
beitreten und Kampfpilotin werden.
Würden Sie selbst auch ins All fliegen?
:
:
Oh ja! – Wann geht es los?
Mögen Sie Silvester?
:
:
Absolut! Freunde, Familie, Sekt, Schnee, Linsen um Mitternacht
(… italienischer Brauch) … und natürlich die Silvesterraketen.
MIT DER NEUGIER
ALS TREIBENDER KRAFT
HiPoLas-Laser des österreichischen Technologiezentrums Carinthian Tech Research
Bild: CTR AG
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