DLR Magazin 150 - page 58-59

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FEUILLETON
Autor Randall Munroe hat für sein Buch
Der Dinge-Erklärer (Knaus
Verlag)
eine Angst überwunden – nämlich die Angst, dumm zu klingen,
wenn er beim Schreiben auf einfache Worte setzt. „Autor“ ist aber
vielleicht auch die falsche Bezeichnung. Munroe ist Comiczeichner. Aber
auch das passt nicht so richtig, denn seine Illustrationen sind weder
besonders ausgefeilt noch sehr künstlerisch. Er ist wohl eine Mischung
aus beidem: „Ich wollte coole Ideen auf neue Weise darstellen und nicht
wieder ein Buch mit langen und komplizierten Erklärungen schreiben.
Davon gibt es schon so viele.“
Das Ergebnis ist ein Buch, in dem mit einem Wortschatz aus den 1.000
häufigsten Wörtern und schlichten grafischen Zeichnungen so unter-
schiedliche Dinge erklärt werden wie die Internationale Raumstation
ISS, die Mikrowelle, der Aufzug, der menschliche Körper oder das Lap-
top. Munroe vereinfacht dabei sogar die Namen, um seinem Motto der
simplen Wörter treu zu bleiben: Aus dem Laptop wird der „Faltcompu-
ter“, aus dem Aufzug das „Hochziehzimmer“ und aus der Mikrowelle
die „Radiowellenbox für warmes Essen“. Und dann geht es ins Detail:
Mit Minizeichnungen und Mini-Absätzen wimmelt das Thema über die
einzelnen Seiten.
Ab jetzt muss sich der Leser und Betrachter entscheiden: Kann er damit
leben, dass Dinge nicht bei ihrem gewohnten Namen genannt werden
und man keinen einzigen Fachbegriff lernt? Wenn ja: Prima – dann darf
er in oftmals enorm witzige Beschreibungen, kleine Seitenhiebe, unter-
haltsame Zeichnungen und eine ganz eigene Sichtweise eintauchen
und (bei möglichst guter Beleuchtung) mit den Augen kreuz und quer
auf rund 60 Seiten das Wissen einsammeln. Wenn nein: Finger weg
vom Dinge-Erklärer! Hier wird nicht glücklich, wer sich geordnet und
konventionell Wissen anlesen möchte. Allerdings verpasst man dann
auch die Chance, sich zu amüsieren und beim Erraten der Fachbegriffe
auch etwas zu lernen.
Wem der Dinge-Erklärer nicht behagt, der kann zum
Wissenschafts-
buch. Naturwissenschaft einfach erklärt (Dorling Kindersley)
greifen. Darin wird Wissenschaft zwar auch häppchenweise, aber sehr
strukturiert angeboten. Strikt am Zeitstrahl der Geschichte ausgerich-
tet, zu Jahrhunderten mit einem Motto zusammengefasst, geht es auf
rund 350 Seiten um Forscher und ihre bahnbrechenden – oder auch
manchmal hinfälligen – Entdeckungen und Ideen. Edwin Hubble und
die kosmische Expansion, Dmitri Mendelejew und das Periodensystem,
Edward Lorenz und der Schmetterlingseffekt, aber auch Schrödingers
Katze und Newtons fallender Apfel werden jeweils auf einigen Seiten
vorgestellt. Das ist alles verständlich geschrieben, doch voll mit Fakten
und Fachbegriffen. Querlesen oder ein wenig herumblättern – das geht
hier nicht.
Dafür nehmen die Autoren ihre Leser an die Hand: Bei jedem Kapitel gibt
es Hinweise auf thematisch verwandte Kapitel. Man kann also chronolo-
gisch lesen oder sich von Thema zu Thema hangeln. Aufgelockert wer-
den die faktenreichen Texte von Zitaten, Zeichnungen sowie Info-Kästen,
die das jeweilige Kapitel in einen historischen Kontext setzen oder die
Biografien der Forscher enthalten.
Zu lachen gibt es hier weniger als beim Dinge-Erklärer, dafür aber wird
das Wissen im Kontext vermittelt – mit hohem Anspruch.
Manuela Braun
DINGE ERKLÄREN –
ODER
WISSENSCHAFT VERMITTELN
LINKTIPPS
Über die Mission zum Mond gibt
es große Bildbände und Geschich-
ten mit Gefühl. Eugen Reichl geht
mit seinen beiden Büchern
Pro-
jekt Apollo (Motorbuch Verlag)
einen anderen Weg: Auf wenig
Raum präsentiert er wohl alle Fak-
ten, die ihm jemals zum Thema
begegnet sind. Manchmal hoch-
spannend und mit ungewöhn­
lichen Einblicken, manchmal zu
verliebt in die Details, die – fast
ungefiltert bezüglich ihrer Wichtigkeit – zusammengetragen wurden. Zwei Bände für
diejenigen, die schon viel über die Mondmissionen gelesen haben und jede neue
Anekdote auch noch über die kleinste Schraube zu schätzen wissen. Dafür muss man
dann aber kleinformatige Fotos sowie Grafiken in Kauf nehmen und sich oftmals
durch eine „Bleiwüste“ in kleiner Schriftgröße kämpfen.
REISEWARNUNG FÜR DAS UNIVERSUM
Die „Science Busters“ – der Comedian Martin Puntigam, der Physiker und Planetari-
umsdirektor Werner Gruber sowie der Kern- und Astrophysiker Heinz Oberhummer –
sind überhaupt nicht so harmlos, wie es ihr Buch
Das Universum ist eine Scheiss-
gegend (Carl Hanser Verlag)
zunächst scheinen lässt. Launige Kapitelüberschriften,
witzige Geschichten, lustige Zeichnungen – und
ratzfatz ist man mitten in der Wissenschaft und
muss so richtig gut aufpassen, dass man noch ver-
steht, worüber die drei Herren so spaßig schreiben.
Die Todesanzeige fürs Universum zu Beginn des
Buches zeugt vom schwarzen Humor der Autoren,
schützt aber nicht vor konkreten Fakten und For-
meln, auf die man stößt (und die durch eingefügte
Fact Boxes im Text sogar noch Präsenz gewinnen).
Wer sich lieber nur auf seine Ohren verlassen möch-
te, gönnt sich fünf Stunden lang das Hörstück zum
Buch (Hörverlag).
LEBEN UNTER EXTREMBEDINGUNGEN
„Was ist das Leben?“ – Einfache Fragen sind meistens
die mit den schwierigsten Antworten. Bevor Ben Moore
über
Da draußen. Leben auf unserem Planeten und
anderswo (Kein & Aber)
spricht, klärt er daher erst
einmal, wonach wir überhaupt suchen müssen. Moore
hat sein Buch klar strukturiert und holt auch diejeni-
gen ab, die erst einmal ein wenig Biologie auffrischen
müssen, beginnt dann auf der Erde, bevor es mit dem
Außerirdischen weitergeht und mit dem Leben zwi-
schen den Sternen endet. Ein populärwissenschaftli-
ches Buch, das die Gratwanderung zwischen Wissens-
vermittlung und Unterhaltung sehr geschickt meistert
und nur sehr selten vergisst, „Fachchinesisch“ auch in
eine für interessierte Laien verständliche Sprache zu
übertragen.
MB
PROJEKT APOLLO IM DOPPELPACK
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