DLR Magazin Sonderdruck - page 6-7

Die wesentlichen
Windkanaltypen
Göttinger Bauart
Bei diesem Typ handelt es sich um einen Kanal mit ge-
schlossener Luftrückführung. Das Axialgebläse fördert die Luft
im geschlossenen Kreislauf. Man benötigt dafür eine relativ auf-
wändige Kanalröhre, die rechteckig angeordnet ist und beson-
ders in der Rückführung relativ große Strömungsquerschnitte
erfordert. Die komplizierte Konstruktion, der enorme Platzauf-
wand und die hohen Baukosten sind die Nachteile gegenüber
der offenen Bauart ohne Rückführung.
Da die vom Gebläse erzeugte Luftströmung nach einem
Umlauf wieder zum Gebläse gelangt, hat dieser Kanaltyp nur
geringe Energieverluste und erlaubt hohe Windgeschwindigkei-
ten. Da vom Gebläse nur die entstehenden Strömungsverluste
wieder aufgebracht werden müssen, ist die Antriebsleistung
entsprechend geringer als bei der offenen Bauart ohne Rück­
führung. Das hält die Betriebskosten niedrig. Denn zum einen
ist es der geringere Energieverbrauch selbst, der sich hier aus-
wirkt, zum anderen sind es die geringeren Stromanschlusskos-
ten, die bei größeren Windkanälen zu Buche schlagen. Die In-
vestitionen für die Antriebseinheit sind geringer, für die Röhre
des Kanals jedoch wesentlich höher als bei der Eiffelbauart.
Ein weiterer Kostenfaktor ist die Tatsache, dass Windka-
näle gekühlt werden müssen: Bis zu 100 Grad werden die Wän-
de heiß – wohlgemerkt: trotz Kühlung. Grund dafür ist, dass die
gesamte in den Windkanal hineingesteckte Energie in Wärme
umgewandelt wird. Durch den Strömungswiderstand der Luft
entsteht Reibung, die Wärme produziert. Diese muss durch eine
Kühlung abgeführt werden.
So wichtig wie eh und je
Interview mit Professor Georg Eitelberg, Direktor der
Deutsch-Niederländischen Windkanäle
Windkanäle sind im Unterhalt teuer. Brauchen wir sie
unbedingt?
Teuer ist ein relativer Begriff; Windkanäle zu nutzen, ist
günstiger, als Flugzeuge als Versuchsträger einzusetzen. Im All-
gemeinen bindet die experimentelle Forschung natürlich mehr
Ressourcen als theoretisches Einzelgängertum, weil man für ein
kompliziertes Experiment stets mehrere Fachrichtungen mitein-
ander verbinden muss. Daher die sichtbaren Kosten. Aber die
fallen überall an, wo man auf technisch-wissenschaftliche Infra-
struktur angewiesen ist, auch bei großen Rechenzentren übri-
gens. Wir brauchen Windkanäle so lange, bis die rechnerischen
Methoden die absolute Sicherheit in Sachen Aerodynamik künfti-
ger Flugzeugentwicklungen bieten. Bisher ist dies nicht der Fall.
Auch die kompliziertesten Rechenverfahren machen Gebrauch
von der Modellbildung; diese Modelle müssen experimentell
verifiziert werden.
Warum werden so viele unterschiedliche Windkanäle
benötigt?
Weil ein Windkanal immer für nur einen beschränkten
Bereich des Fluges eine gute experimentelle Simulation bietet.
Auch hier ist die Spezialisierung die Basis des Fortschritts. Auch
für die Variation von Aufwand und Detaillierungsgrad, die not-
wendig ist, um die wissenschaftliche Fragestellung ausreichend
zu beantworten, brauchen wir die verschiedenen Windkanäle.
In den Siebziger- und Achtzigerjahren glaubten manche,
Supercomputer könnten eines Tages Windkanalexperi-
mente komplett ersetzen. Was ist aus dieser Vorstellung
geworden?
Dies glauben immer noch manche. Der Leiter vom DLR-
Institut für Aerodynamik und Strömungstechnik, Prof. Andreas
Dillmann, hat ausgerechnet, dass es noch circa zwei Generationen
dauern wird, bis wir annähernd so weit sind. Allerdings haben
die Rechner die Art der Windkanalnutzung jetzt schon verändert.
Windkanäle sind teilweise seit Jahrzehnten in Betrieb –
was in der schnell getakteten Wissenschaft überrascht …
Mag sein. Einerseits ist die immerwährende Nutzung zu-
rückzuführen auf die gestiegenen Anforderungen der Luftfahrt-
forschung, anderseits spielt hier auch die Weiterentwicklung der
Messtechniken und Datenakquisition eine wichtige Rolle. Was in
der Tat konstant geblieben ist, ist, dass die Flugzeugmodelle immer
noch von Luft umströmt werden.
Welche Rolle werden Windkanäle neben Supercomputern
und Flugexperimenten in Zukunft spielen?
Sie wird die gleiche sein wie heute, zwischen Super­
computern und Flugversuchen. Aber nicht alle Windkanäle
werden diese Stellung auch einnehmen können. Nur die, die
eine ausreichende Qualität bei der Verifizierung der aerodyna-
mischen und aeroakustischen Modellbildung gewährleisten
oder diejenigen, die eine Qualifizierung zur Simulation der
Flugeigenschaften der Flugzeugentwürfe mitbringen, werden
gebraucht.
Für klimatisierte Windkanäle kommt wegen der Energie-
kosten nur eine Bauart mit Rückführung in Betracht; Klimakanä-
le wurden bisher ebenfalls nur in der Göttinger Bauweise aus­
geführt. Die geschlossene Messstrecke hat im Gegensatz zur
offenen Bauart den Vorteil, dass in ihr der Druck je nach Bedarf
verändert werden kann.
Eiffeltyp
Das Hauptmerkmal des Eiffelkanals besteht darin, dass er
die Versuchsluft aus der Umgebung ansaugt und sie wiederum
ins Freie ausbläst. Man unterscheidet hier zwei Ausführungen,
je nach Lage des Gebläses in der Kanalröhre. In dem einen Fall
ist das Gebläse hinter der Messstrecke (blast type) angebracht,
im anderen Fall vor der Messstrecke (blow type). Die Messstre-
cke kann als geschlossene oder als offene (Freistrahlmessstrecke)
ausgeführt werden. Am einfachsten ist eine Messstrecke aufzu-
bauen, deren leicht divergierende Wände allseitig geschlossen
sind. Bei etwas höherem Bauaufwand ist auch eine offene Bau-
weise möglich. Hierbei ist aber eine druckdichte Ummantelung
nötig, da in der Messstrecke eines Eiffelkanals stets Unterdruck
herrscht.
Dieser im Freien aufgestellte Kanaltyp, also ein Kanal ohne
Rückführung, hat den wesentlichen Nachteil, dass der Messbe-
trieb vom Wetter abhängig ist. Er ist deshalb nur in Ländern mit
gemäßigtem Klima brauchbar.
Weitere Informationen:
So funktioniert ein Windkanal Göttinger Bauart: Ein Gebläse beschleunigt die Luft, die in einem geschlossenen Kreislauf um das zu untersuchende
Modell geführt wird. Umlenkschaufeln und Gleichrichter sorgen für eine möglichst gleichmäßige Strömung. Eine Düse reguliert die Geschwindigkeit,
mit der die Luft auf das Modell trifft. Die Konstruktion ist auf dem Luftbild des Kryokanals Köln (KKK) gut erkennbar.
Prof. Dr.-Ing. Georg Eitelberg
In den Windkanälen des DLR
und der DLR-Tochter DNW
wird an den Flugzeugen der
Zukunft geforscht: Bild aus
dem Transsonischen Wind­
kanal Göttingen
Gebläse
Umlenkschaufeln
Gleichrichter
Düse
Modell
Messstrecke
6
DLRma
G
azin
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WINDKANALSERIE
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