DLR Magazin Sonderdruck - page 10-11

Bilder mit druckempfindlichen Farben (Pressure Sensitive Paint –
PSP) aufgenommen. Damit ließen sich erstmals flächendeckend
und nicht nur punktuell durch Strömung verursachte Druck-
schwankungen sichtbar machen – „eine Revolution in der Mess-
technik“, sagt Bock. Weitere Beispiele sind die Erforschung spezi-
eller transsonischer Flügelprofile, die besonders widerstandsarm
sind.
Die große Antriebsleistung ist der Grund dafür, dass der
Windkanal im Betrieb ständig durch Wasser gekühlt werden muss.
„Sonst würde er immer heißer werden“, erklärt der Windkanal­
leiter. Dennoch herrschen an der Anlage ständig Temperaturen von
30 bis 40 Grad Celsius. Außerdem kann es laut werden, weshalb
sich die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler während einer
Messung in einer geschützten Messwarte aufhalten. Das gesamte
Gebäude, in dem sich der Windkanal befindet, ist schallgedämmt.
Der TWG wurde 1963 in Betrieb genommen, um die nach
dem Zweiten Weltkrieg wiedererstandene deutsche Luft- und
Raumfahrtindustrie zu unterstützen. „Vergleichbare Anlagen
gab es damals in Deutschland nicht“, sagt Karl-Wilhelm Bock.
1992 sowie 2009 wurde der TWG umfangreich modernisiert.
Dabei sind die Leistungen des Windkanals deutlich ausgebaut
worden.
Raumfahrzeuge und Airbus-Anfänge
Der TWG ist die größte Anlage, die von der Stiftung
Deutsch-Niederländische Windkanäle auf dem Gelände des
DLR-Standorts in Göttingen betrieben wird. Windkanäle der
DNW befinden sich in Amsterdam und Marknesse in den Nie-
derlanden sowie in Göttingen, Braunschweig und Köln. Haupt-
aufgabe der DNW sind Windkanal-Untersuchungen für die
Grundlagenforschung oder im Auftrag der internationalen Luft-
und Raumfahrtindustrie. Beispiele für Auftragsmessungen im
TWG sind wiederverwendbare Raumfahrzeuge ähnlich dem
Spaceshuttle, elastische Tragflügel für Transportflugzeuge oder
leise Hubschrauberrotoren. Oft werden hier Details, wie die
Lufteinläufe von Airbus-Flugzeugen, eingehend betrachtet. Für
die Grundlagenforschung werden neuartige Steuerungssysteme,
der Strömungslärm in Passagierflugzeugen oder der Einfluss von
Böen und Turbulenzen auf Flugzeuge erforscht. Pro Jahr werden
im TWG Messungen im Wert von mehr als 2,5 Millionen Euro
durchgeführt.
Weitere Informationen:
Der Transsonische Windkanal heute: 50 Meter lang und hunderte Tonnen schwer. Von den Anfängen der Airbus-Familie bis zum Eurofighter und
A400M – in einem der bedeutendsten Windkanäle Deutschlands wird seit fünf Jahrzehnten für die Luftfahrt geforscht.
Je nach Bedarf können die Messstrecken des Transsonischen Windkanals
auf Luftkissen (unter dem Messstreckenblock in Gelb zu erkennen)
ausgewechselt werden
Aufbau des Transsonischen Windkanals: Der Motor treibt einen Verdichter an, der die Luft in Pfeilrichtung um das Modell treibt. Zuvor muss sie
gekühlt und von Verwirbelungen befreit werden. Dafür sorgen Kühler, Gleichrichter und Siebe. Für unterschiedliche Fragestellungen gibt es
verschiedene Messstrecken.
Siebe
Laval-Düse (supersonisch)
austauschbare Messstrecken (1 m x 1 m)
perforierte Messstrecke (sub-, transsonisch)
adaptive Messstrecke (subsonisch)
Motor (12 MW)
Verdichter (2 x 4 Stufen)
Kühler
Gleichrichter
46,5 Meter
Der Transsonische Windkanal
Göttingen in Zahlen
Länge
50 Meter
Höhe
12 Meter
Gewicht
Mehrere hundert Tonnen
Messstrecken-
abmessungen
1 Meter × 1 Meter × 4,5 Meter
Antriebsleistung 12 Megawatt
Baujahr
1963
Modernisierungen 1992, 2009
Geschwindigkeits-
bereich
Mach 0,3–2,2
Kosten
Insgesamt hat der Windkanal einen Wert
von 45 Millionen Euro, ein Messtag kostet
25.000 Euro
Fakten
• Der TWG ist der entscheidende Forschungswindkanal
Deutschlands für seinen Geschwindigkeitsbereich. Untersu-
chungsbeispiele sind wiederverwendbare Raumfahrzeuge
ähnlich dem Spaceshuttle, elastische Tragflügel für Transport-
flugzeuge oder leise Hubschrauberrotoren. Für die Grund-
lagenforschung werden neuartige Steuerungssysteme, der
Strömungslärm in Passagierflugzeugen oder der Einfluss
von Böen und Turbulenzen auf Flugzeuge untersucht.
• Aufgrund der anfallenden Wärme arbeiten die Mitarbeite-
rinnen und Mitarbeiter auch im Winter meist mit T-Shirts
am Windkanal. Im Sommer kann es bis zu 40 Grad warm
werden.
• Die Messstrecken werden auf Luftkissen bewegt.
• Die Propeller-Schaufeln, die im Verdichter den Wind erzeu-
gen, werden von derselben Firma hergestellt, die auch die
Ventilatoren in Straßentunneln baut.
Messtechniken
• 6-Komponenten-Kraftmessungen
• Messung von lokalen Oberflächendrücken
• Widerstandsermittlung über Gesamtdruckverlust
• Einlauf- und Durchflussmessungen
• Schatten- beziehungsweise Schlierenoptik, Einzelbild/Video
• Ölbild-Visualisierungen
• Infrarot-Thermografie
• Particle Image Velocimetry (PIV, Felddrücke)
• Pressure sensitive Paint (PSP, flächige Oberflächendrücke)
• Background oriented Schlierensystem (BOSS, Deformation)
• Modelldeformations- und Positionserfassung (IPTC)
So sah der Transsonische Windkanal Göttingen bei seiner Fertig-
stellung 1963 aus. Seitdem gab es mehrere Modernisierungen.
WINDKANALSERIE
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