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30 Jahre sollten die römischen Priesterinnen keusch der
Göttin Vesta im Tempel dienen. Doch mit der Keuschheit war
das nicht immer ganz einfach – und so wurde manche Vestalin
für den Verlust ihrer Jungfräulichkeit damit bestraft, dass man
sie lebendig in einem unterirdischen Verließ einmauerte. Bei-
spielsweise Floronia. Oder auch Marcia. Heute hat ihnen das im-
merhin die Ehre eingebracht, einem Krater auf Asteroid Vesta
ihren Namen zu verleihen. „Die Vestalinnen, deren Namen wir
bei unserer Recherche gefunden haben, sind fast alle deshalb
bekannt, weil sie gegen Regeln ihrer Priesterschaft verstießen“,
gesteht Thomas Roatsch. Mit Unterstützung der italienischen
Kollegen aus dem Team der internationalen „Dawn“-Mission
hat Roatsch die Bücher gewälzt. Welche Vestalinnen sind in den
Quellen belegt? Die Suche nach Kraternamen bildet. Zwangs-
läufg. Die Ansprüche sind hoch, wenn die Landkarten der Him-
melskörper mit Namen gefüllt werden sollen. „Man lernt einiges
dabei“.
Roatsch und seine Kollegen haben sich schon für die At-
lanten der Saturnmonde durch die Klassiker gearbeitet. 13 Bände
„Märchen aus 1001 Nacht“ in Richard Burtons Übersetzung für
Enceladus, Homers Odyssee für Saturnmond Tethys, die Artus-
Sage für Mond Mimas. Für Saturnmond Dione musste ein Kollege
ran, der Virgils Aeneis auf Latein bewältigte. Für Namen aus dem
Rolandslied dankt Roatsch gedanklich noch heute einem ameri-
kanischen Kollegen, der gleich eine Liste mit Namensvorschlägen
vorbereitete. „Das mussten wir zum Glück nicht mehr recher-
chieren.“ Der mächtige Mond Rhea machte hingegen schon
allein aufgrund seiner Größe viel Arbeit, denn da sollten es auf
einen Streich gleich 80 Namensvorschläge aus verschiedenen My-
then sein. Das Ergebnis: Namen, die vom koreanischen Himmels­
gott Ananin bis zu Zicum, einer babylonischen Göttin, reichen.
Nur wenn die International Astronomical Union (IAU) die
vorgeschlagenen Namen akzeptiert, fnden Ali Baba, Sindbad,
Roland, Claudia oder Arthur ihren Weg auf die offziellen Kar-
ten. Krater werden auf Personennamen „getauft“, die übrigen
Merkmale wie Gräben oder auch ganze Regionen können hin-
gegen Namen aus anderen Bereichen erhalten. So enthält die
Namensliste für Vesta zum Beispiel auch Städte, in denen der
Wenn Raumschiffe über ferne Himmelskörper fiegen, blickt die Kamera an Bord auf eine „Terra incognita“, unbekannt –
und unbenannt. Dann beginnt für die Planetenforscher nicht nur die Forschungsarbeit, sondern auch das Grübeln: Welche
Krater, Gräben und Rillen sollen in den entstehenden Atlanten einen Namen bekommen – und wie sollen sie dann heißen?
Zunächst wird für die Namensgebung ein großes Thema festgelegt, dann beginnt die Recherche und somit die unendliche
Fleißarbeit in Geschichtsbüchern, Archiven und historischen Quellen. Wenn dann ein Krater auf Saturnmond Enceladus
als Ali Baba zu fnden ist oder die unkeusche Vestalin Floronia zur Namensgeberin wird, ist DLR-Planetenforscher Thomas
Roatsch daran nicht ganz unschuldig.
Wie kosmische Krater, Berge und Gräben zu ihren Namen kommen
Von Manuela Braun
Legendäre Helden und
unkeusche Jungfrauen
Vesta-Kult bekannt war. Doppelnamen sind ungeliebt, bei den
Namenseinträgen in die einzelnen Kartenblätter eines Himmels-
körpers folgt man dem Alphabet. Selten werden Ausnahmen
gemacht. Der Südpol von Vesta ist eine solche – zumindest
teilweise: Die mächtige Delle im Asteroiden wurde nach der
berühmtesten Vestalin Rhea Silvia, der Mutter von Romulus und
Remus, benannt. Nur: Rhea hieß schon ein Saturnmond, auch
Silvia war bereits an einen kleinen Asteroiden vergeben. Kurzer-
hand schrieben die Forscher die beiden Namensbestandteile zu-
sammen und tauften das markanteste Merkmal des Asteroiden
„Rheasilvia“.
Spätestens im Februar 2015 müssen sich Planetenforscher
Thomas Roatsch und sein Team Gedanken um die nächsten Na-
men machen: Dann erreicht die „Dawn“-Sonde den Asteroiden
Ceres und richtet ihre Kamera auf Neuland. Und wer für die
Vermessung des Asteroiden verantwortlich zeichnet, hat auch
das Privileg, die entstehenden Karten mit Namen zu versehen.
„Bei Ceres steht allerdings das Thema noch nicht genau fest“.
Egal, welche Geschichte diesem Asteroiden mitgegeben
wird – Bücherwälzen und Quellenstudium wird den Planeten­
forschern nicht erspart bleiben. Dafür weiß Roatsch aber auch
später genau: Auch diese Krater, Gräben und Regionen haben
ihre Namen im DLR bekommen.
Weitere Informationen:
http://planetarynames.wr.usgs.gov/
In der griechischen und römischen Mythologie (und nicht nur dort)
suchen DLR-Wissenschaftler nach Namen, die für die Benennung neu
entdeckter Phänomene geeignet sind. Aktuell wird der Kult um die
jungfräulichen Vestalinnen aus dem antiken Rom für die Kartierung
des Asteroiden (4) Vesta studiert, dessen Oberfläche hier in einer
Kartenprojektion dargestellt ist.
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